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Wissenschaft
Historiker der Uni Münster nutzt alle Medien zur Untersuchung der Einigungskriege
Große Denker haben seit jeher das Interesse der Geistesgeschichte auf sich gezogen. Die Ideen eines Machiavelli oder Herder beschäftigten die Historiker, wurden aber zumeist losgelöst von ihren gesellschaftlichen Kontexten untersucht. Privatdozent Dr. Frank Becker vom Historischen Seminar der Universität Münster, der für seine Arbeiten den mit 20.000 Euro dotierten Nachwuchsforschungspreis der Universität erhielt, ist nun neue Wege gegangen, um Individuum, Idee und Gesellschaft stärker miteinander zu verzahnen.
"Mich interessiert, welche Ideen in bestimmten Bevölkerungsgruppen zirkulierten und vor allem, durch welche Medien sie transportiert wurden", erklärt Becker. Als Untersuchungsgegenstand hat er sich dafür in seiner Habilitation die Epoche der deutschen Einigungskriege von 1864, 1866 und 1870/71 ausgesucht. Während Militär und Krieg vorher primär eine Sache des Adels und der ländlichen Unterschichten gewesen seien, habe nun das gebildete Bürgertum verstärkt sein Interesse daran entdeckt. Anhand von Selbstzeugnissen wie Briefen, Memoiren oder Tagebüchern, aber auch von Zeitungen und Sachbüchern, in denen Bürgerliche diese Kriege darstellten, identifizierte er ein zunächst ambivalentes, dann aber zunehmend positives Verhältnis des Bürgertums zum Krieg. "Mit den Kriegen gegen Dänemark, Österreich und Frankreich wandelte sich der Krieg zum Nationalkrieg. Das wiederum traf eine politische Leitidee des Bürgertums, den Nationalismus als Kontrapunkt gegen die Kleinstaaterei, und versöhnte es so mit der bisher verhassten Militärelite", so Becker. Besonders feierte man die allgemeine Wehrpflicht, weil das Tragen von Waffen als Ausdruck bürgerlicher Teilhabe an der staatlichen Souveränität interpretiert wurde. Von Untertanengeist und Duckmäusertum, wie sie beispielsweise Heinrich Mann ironisierte, ist in den Quellen nichts zu finden.
Schon die Untersuchung des Schrifttums weist in diese Richtung. Die sind aber nicht das einzige Medium, mit dem Becker sich beschäftigt hat, auch in Gemälden und Druckgraphiken wurden die Einigungskriege vieltausendfach dargestellt. Gerade die Gemälde zu erfassen und auszuwerten war schwierig, weil sie oft in den Magazinen der Museen regelrecht "vergraben" sind - sie gelten heute als ästhetisch minderwertig und sind dem Publikum kaum noch zu vermitteln.
"Auf den Bildern ist eine sehr homogene Deutungswelt zu erkennen. Die verantwortlichen Personen, allen voran die Trias Kaiser Wilhelm I., Bismarck und Moltke, wurden in sehr verbürgerlichter Form gezeigt". So seien bürgerliche Ideale wie Gelehrsamkeit gleichsam auf die Führungspersönlichkeiten projiziert worden. Moltke etwa wurde nicht als Schlachtenlenker hoch zu Ross, sondern als Schlachtpläne ausbrütender Professor in der Gelehrtenstube gezeigt.
"Bisher haben wir nur vermutet, wie die Vorstellungswelt der Zeitgenossen der Einigungskriege beschaffen war. Durch die Verschränkung von Text- und Bildanalysen kommen wir ihr einen großen Schritt näher", so Becker.
Das bürgerliche Ideal des Lesens und Schreibens wurde auch auf die Mannschaftsgrade projeziert.
None
Criteria of this press release:
History / archaeology, Social studies
transregional, national
Research results
German
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