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Wissenschaft
Wenn am Dienstag, den 18. August 1998, bei der festlichen Eröffnung des Internationalen Mathematiker Kongresses (ICM) in Berlin die international höchstangesehenen Preise für Forschungen in den mathematischen Wissenschaften - die "Nobel-Preise" für Mathematik - verliehen werden, ist darunter auch der 1982 gestiftete Rolf-Nevanlinna-Preis für Leistungen aus der theoretischen Informatik: Er geht an Peter Shor von den AT&T Laboratorien, New Jersey, USA, für seine bahnbrechenden Arbeiten im Bereich der Quanteninformatik. Bereits vor 15 Jahren entwickelte Thomas Beth, der heute an der Universität Karlsruhe lehrt, in seiner Erlanger Habilitationsschrift an der Friedrich-Alexander-Universität ein neues algorithmisches Prinzip, das sogenannte Tensor-Parallelisierungsprinzip, das in ähnlicher Form, als Quantenparallelismus, ein entscheidender Baustein der Arbeiten von Peter Shor ist. Um die Forschung in der Quanteninformatik in Deutschland zu bündeln, hat die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) im Mai 1998 ein bundesweites Schwerpunktprogramm "Quanteninformationsverarbeitung" eingerichtet, das von Prof. Beth mit seinen Kollegen Leuchs (Erlangen), Schleich (Ulm) und Mathis (Magdeburg) initiiert wurde.
Das Gebiet der Quanteninformatik, auf dem Peter Shor nun ausgezeichnet wird, bildet sich zwischen Quantenphysik und theoretischer Informatik heraus. Es verspricht durch die Kombination von Methoden der Algebra mit Gesetzen der Quantenphysik exponentiell schnellere Lösungen für bestimmte Problemklassen, für die heute auf klassischen Rechnern nur nahezu unendlich lange laufende Programme zur Verfügung stehen.
Ultraschneller Algorithmus
In der Öffentlichkeit bekannt wurde Preisträger Shor vor vier Jahren, als er in den USA einen ultra-schnellen Quantenalgorithmus zur Faktorisierung großer Zahlen präsentierte: Unter anderem wurde dadurch die in Internet-Hacker-Kreisen und in der Industrie verbreitete Euphorie für Public-Key-Kryptographie, wie etwa RSA, erstmals erheblich gedämpft. Die große wissenschaftliche Bedeutung von Shors Forschungen liegt aber, wie Fachleute aus der Quanteninformatik, Kryptographie und Algorithmentechnik betonen, in der Entdeckung und erfolgreichen Nutzung des Quantenparallelismus, des neuen algorithmischen Prinzips.
Shor hat dieses Prinzip auf die in seinem berühmten Faktorisierungsalgorithmus entscheidende Quanten Fourier-Transformation mit exponentiellem "speed-up" angewandt, indem er die nötigen Berechnungsschritte in quantenphysikalisch besonders günstige Teiltransformationen zerlegte, die mathematisch gesehen durch das algebraische Kalkül sogenannter Tensorprodukte dargestellt werden.
Hochburg der Parallelverarbeitung in Erlangen
Prof. Dr. rer. nat. Thomas Beth vom Institut für Algorithmen und Kognitive Systeme der Universität Karlsruhe hat das Tensor-Parallelisierungsprinzip bereits vor 15 Jahren entdeckt und für massiv-parallele Verfahren der FFT genutzt, und zwar im Rahmen eines Projekts der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) über Algebraische Diskrete Fourier Transformation. Beth war damals am Erlanger Institut für Mathematische Maschinen und Datenverarbeitung tätig, einer Hochburg der Parallelverarbeitung, die von dem kürzlich verstorbenen Computerpionier Prof. Dr. Wolfgang Händler begründet wurde.
Beth beschrieb in seiner Habilitationsschrift an der Technischen Fakultät der Friedrich-Alexander-Universität bereits 1984 ein Verfahren für Tensorzerlegung zur Erzeugung ultra-schneller Fourier-Transformationen auf klassischen Parallelrechnern. Heute stellt diese Formel einen wesentlichen Beitrag für den in Shors Theorie vorhergesagten exponentiellen Geschwindigkeitsgewinn auf Quantenrechnern dar.
Forschungsbedarf bei Quantencomputern
Um die noch offene Frage der technischen Realisierbarkeit solcher Rechner zu erforschen, wird in verschiedenen europäischen Ländern und in den USA die Forschung von staatlicher und privater Seite intensiv gefördert. Allein in den USA geben Förderinstitutionen rund 20 Millionen Mark zu diesem Thema aus. Dabei ist eine international einmalige interdisziplinäre Wissenschaftler-Kooperation entstanden, die unter anderem die Frage untersucht, von welchem Zeitpunkt an Quantencomputer für die Sicherheit von Kryptosystemen wirklich gefährlich werden können.
Prof. Thomas Beth, der auch das Europäische Institut für Systemsicherheit (E.I.S.S.) an der Universität Karlsruhe leitet und seit 1978 als Kryptographie-Experte Behörden, Banken und Unternehmen in Fragen der Datensicherheit berät, sieht noch kein hohes Risiko durch Quantencomputer, aber einen hohen Forschungsbedarf: "Zuvor muß die Wissenschaftlergemeinschaft wesentlich näherliegende Probleme ausräumen, etwa zur Fehlerstabilisierung und -kontrolle von Quantenzuständen. Für die Lösung dieser Probleme hat Preisträger Shor ebenfalls grundlegende Vorschläge gemacht." Auch die Arbeitsgruppe von Prof. Beth forscht an diesen Problemen; erst kürzlich wurde darüber auf dem dreiwöchigen Workshop über Quanteninformatik in Turin in einer Serie von Vorträgen berichtet sowie gerade in dieser Woche auf dem IEEE Jubiläumssymposium über Informationstheorie zu Ehren von C. Shannon in Cambridge, MA., USA.
* Kontakt:
Prof. Dr. Heinrich Niemann, Lehrstuhl für Mustererkennung (Informatik V),
Martensstraße 3, 91058 Erlangen, Tel.: 09131/85 -7774, Fax: 09131/30 38 11,
E-Mail: info@immd5.informatik.uni-erlangen.de
Criteria of this press release:
Information technology, Mathematics, Physics / astronomy
transregional, national
Research projects
German
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