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Wissenschaft
FRANKFURT. Die Amerikaner James P. Allison und Carl H. June werden am Samstag (14. März) in der Frankfurter Paulskirche mit dem international renommierten Paul Ehrlich- und Ludwig Darmstaedter-Preis ausgezeichnet. Die beiden Preisträger haben einen Boom in der Immuntherapie gegen Krebs ausgelöst: Allison entfesselt das Immunsystem und entwickelte eine Immuntherapie gegen schwarzen Hautkrebs, June benutzt modifizierte T-Zellen als Therapeutikum gegen Leukämie. Beide Strategien werden schon klinisch genutzt. Die Wissenschaftler haben die Mobilisierung der körpereigenen Abwehr zu einer Therapieoption gemacht, der immer mehr Menschen ihr Leben verdanken.
"Bei der Immuntherapie wird nicht mehr der Tumor behandelt, sondern das Immunsystem. Sie steht für ein neues Therapieprinzip in der Onkologie“, begründet der Stiftungsrat der Paul Ehrlich-Stiftung seine Entscheidung. Allison ist Professor am „The University of Texas MD Anderson Cancer Center“ in Houston, June ist Professor an der Perelman School of Medicine an der Universität Pennsylvania in Philadelphia. Der Paul Ehrlich und Ludwig Darmstaedter-Preis gehört zu den international renommiertesten Auszeichnungen, die in der Bundesrepublik auf dem Gebiet der Medizin vergeben werden. Der Preis wird von Professor Harald zur Hausen, dem Vorsitzenden des Stiftungsrats überreicht.
Allison und June verwenden T-Zellen für die Immuntherapie. Allisons Entwicklung bewirkt, dass die T-Zellen länger aktiv bleiben. Normalerweise wird eine Immunreaktion schnell wieder abgeschwächt, damit keine Kollateralschäden entstehen. T-Zellen benutzen dafür molekulare Bremsen. Allison hat diese Bremswirkung systematisch untersucht und daraus abgeleitet, dass man mit deren Blockierung eine längere und nachhaltigere Immunreaktion gegen Krebs erzeugen kann. Dies wird mit einem therapeutischen Antikörper erreicht, der inzwischen auch in Deutschland unter dem Namen Ipilimumab zugelassen ist. 22 Prozent der Patienten mit einem fortgeschrittenen Melanom entwickeln damit eine langlebige Therapieantwort von mindestens zehn Jahren. Weil die Brems- oder Kontrollproteine im Englischen „Immune Checkpoints“ heißen, heißt die von Allison begründete Behandlung Checkpoint-Therapie. „Wir schaden den Tumorzellen nicht direkt“, sagt Allison über die Checkpoint-Hemmung. „Wir entfesseln die T-Zellen, damit sie diese Aufgabe übernehmen. Das ist der entscheidende Unterschied zur konventionellen Chemotherapie.“
Carl June benutzt die T-Zellen des Patienten als Therapeutikum, indem er ihre Killereigenschaften mit der Spürnase eines Antikörpers verbindet. Dazu entnimmt June den Patienten Blut, isoliert die T-Zellen und rüstet sie mit einem antikörperähnlichen Eiweiß aus, das die T-Zellen direkt zu den Krebszellen führt. Dieses Eiweiß heißt „CAR“. Die Therapie wird CAR-Therapie genannt. June hat bisher vor allem Patienten mit austherapierter Leukämie behandelt. Einige Patienten zeigen auch nach Jahren keine Anzeichen der Erkrankung mehr. Bisher ist die CAR-Therapie noch eine Nischenbehandlung. Allerdings arbeiten verschiedene Firmen daran, sie in die breite klinische Anwendung zu überführen. „Die größte Herausforderung besteht jetzt darin, auch solide Tumore mit CAR-Zellen zu behandeln, nicht nur Leukämien“, sagt June. Sein nächster Feind heißt Bauchspeicheldrüsenkrebs.
Kurzbiographie Professor Dr. James P. Allison
James Allison (66) wurde 1948 in Alice, Texas geboren. Er hat an der Universität Texas Biologie studiert. 1985 wurde er Professor für Immunologie und Direktor am Cancer Research Laboratory der Universität Kalifornien in Berkeley. 2004 wurde er ans Memorial Sloan Kettering Cancer Center nach New York berufen, wo er Leiter des Immunologie- Programms war und Direktor des Ludwig Center for Cancer Immunotherapy. Seit 2012 arbeitet Allison wieder in Texas, am MD Anderson Cancer Center in Houston und ist dort als Professor und in verschiedenen weiteren Funktionen tätig. Allison ist vielfach ausgezeichnet worden. Er hat unter anderem den mit 3 Millionen Dollar dotierten Breakthrough Prize in Life Sciences erthalten, den Tang Prize in Biopharmceutical Sciences, den Szent-Györgi Prize for Progress in Cancer Research, den Canada Gairdner International Award und den Louisa Gross Horwitz Prize. Allsion ist Mitglied verschiedenen wissenschaftlichen und medizinischen Fachgesellschaften, zum Beispiel in der amerikanischen National Academy of Sciences und im Howard Hughes Medical Institute. Allison hat über 200 wissenschaftliche Artikel veröffentlicht.
Kurzbiographie Professor Dr. Carl H. June
Carl June (61) wurde 1953 in Denver, Colorado geboren. Er studierte Biologie an der United States Naval Academy in Annapolis und Medizin am Baylor College of Medicine in Houston. Er forschte bei der WHO in Genf und am Fred Hutchinson Cancer Research Center in Seattle. June ist Facharzt für Innere Medizin und Medizinische Onkologie. Er war von 1986 bis 1999 Professor an der Uniformed Service University for the Health Services in Bethesda und von 1975 bis 1996 Arzt der amerikanischen Marine. Von Bethesda wechselte er auf eine Professur an die University of Pennsylvania School of Medicine, wo er seitdem als Professor und Leiter verschiedener Programme tätig ist. June hat viele wissenschaftlichen Auszeichnungen erhalten, unter anderem den Bristol-Myers Squibb Freedom to Discover Award, den William B. Coley Award des Cancer Research Institutes, den Ernest Beutler Prize der Amerikanischen Gesellschaft für Hämatologie, den Steinman Award for Human Immunology Research und den Taubman Prize for Excellence in Translational Medical Science. June ist Mitglied der American Academy of Arts and Sciences und hat über 400 wissenschaftliche Artikel veröffentlicht.
Der Paul Ehrlich- und Ludwig Darmstaedter-Preis
Der Paul Ehrlich- und Ludwig Darmstaedter-Preis wird traditionell an Paul Ehrlichs Geburtstag, dem 14. März, in der Frankfurter Paulskirche verliehen. Mit ihm werden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler geehrt, die sich auf dem von Paul Ehrlich vertretenen Forschungsgebiet besondere Verdienste erworben haben, insbesondere in der Immunologie, der Krebsforschung, der Hämatologie, der Mikrobiologie und der Chemotherapie. Finanziert wird der seit 1952 verliehene Preis vom Bundesgesundheitsministerium, dem Stiftungsfonds Deutsche Bank im Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft e.V., dem Verband Forschender Arzneimittelhersteller e.V. und durch zweckgebundene Spenden von Unternehmen. Die Preisträger werden vom Stiftungsrat der Paul Ehrlich-Stiftung ausgewählt.
Die Paul Ehrlich-Stiftung
Die Paul Ehrlich-Stiftung ist eine rechtlich unselbstständige Stiftung, die treuhänderisch von der Vereinigung von Freunden und Förderern der Goethe-Universität verwaltet wird. Ehrenpräsident der 1929 von Hedwig Ehrlich eingerichteten Stiftung ist der Bundespräsident, der auch die gewählten Mitglieder des Stiftungsrates und des Kuratoriums beruft. Vorsitzender des Stiftungsrates der Paul Ehrlich-Stiftung ist Professor Dr. Harald zur Hausen, Vorsitzender des Kuratoriums ist Dr. Rolf-E. Breuer. Prof. Dr. Wilhelm Bender ist in seiner Funktion als Vorsitzender der Vereinigung von Freunden und Förderern der Goethe-Universität zugleich Mitglied des Stiftungsrates der Paul Ehrlich-Stiftung. Die Präsidentin der Goethe-Universität ist in dieser Funktion zugleich Mitglied des Kuratoriums.
Hintergrundinformation
Krebs mit der körpereigenen Abwehr schlagen
Nach jahrzehntelanger Stagnation bei der Immuntherapie gegen Krebs herrscht Aufbruchsstimmung
Krebszellen sind entartete Zellen, die sich nicht mehr an das einmal vereinbarte Programm halten. Eigentlich müsste das Immunsystem diesen zellulären Ungehorsam erkennen und die Krebszellen beseitigen. Das Immunsystem scheitert daran allerdings immer wieder, weil die Tumorzellen eine Immuntoleranz erzeugen. Das bedeutet, dass sie entweder vor dem Immunsystem in Deckung gehen oder die Immunantwort ausbremsen. Professor James P. Allison vom „The University of Texas MD Anderson Cancer Center“ und Professor Carl June von der „Perelman School of Medicine at the University of Pennsylvania“ haben Strategien gegen diese Immuntoleranz bei Krebs entwickelt. Allisons Strategie richtet sich bisher vor allem gegen fortgeschrittenen schwarzen Hautkrebs, Junes Strategie gegen austherapierte Leukämien bei Kindern und Erwachsenen. Die Immuntherapie hat durch die Erfolge der beiden Preisträger einen enormen Schub erhalten. Die angesehene Zeitschrift Science erklärte die Immuntherapie gegen Krebs 2013 zum Durchbruch des Jahres. Sie zeige endlich ihr volles Potential, jubelte Science damals und verwies ausdrücklich auf die Leistungen von Allison und June. Als Top-Entdeckung eines Jahres steht sie auf einer Stufe mit der Entschlüsselung des humanen Genoms, dem Klonschaf Dolly und dem Higgs-Teilchen.
Allison und June verfolgen verschiedene Strategien. Allison entfesselt das Immunsystem, June macht eine Klasse von Immunzellen zu Serienkillern. Die beiden Preisträger hetzen also Immunzellen auf den Krebs. Sie attackieren die Tumorzellen nicht direkt mit Medikamenten, wie bei einer Chemotherapie. Allisons Strategie hat bereits zur Zulassung von Medikamenten geführt und ein neues Therapieprinzip begründet, die sogenannte Checkpoint-Hemmung. Junes Strategie hat sich in klinischen Studien bewährt und wird derzeit von verschiedenen Firmen in eine Standardtherapie weiterentwickelt, die vielleicht schon im nächsten Jahr in den Vereinigten Staaten zugelassen werden könnte. Beide Vorgehensweisen haben damit den Weg von der Grundlagenforschung in die Klinik gefunden.
Die Scharfmacher
James Allison und Carl June arbeiten mit T-Zellen. Diese Zellen bieten Schutz vor Infektionen und können Krebszellen attackieren und beseitigen. Allison hat eine Therapie entwickelt, mit der aktivierte T-Zellen diesen Status nicht mehr zurücknehmen. Normalerweise wird eine Immunreaktion schnell wieder abgeschwächt, damit sie nicht über das Ziel hinausschießt und keine Kollateralschäden verursacht. Dafür gibt es molekulare Bremsen. Diese Brems- oder Kontrollproteine heißen im Englischen „Checkpoints“. Daher auch der Name Checkpoint-Therapie. Mit einer Checkpoint-Therapie werden die T-Zellen nicht mehr abgebremst. Sie bleiben länger im Rennen, vermehren sich und haben gute Chancen, den Tumor unter Kontrolle zu halten oder ihn sogar zu beseitigen. Carl June gibt den T-Zellen des Patienten ein zusätzliches Eiweiß mit auf den Weg, das sie direkt zu den Krebszellen führt. Dieses Eiweiß ist ein „Chimärer Antigen Rezeptor“, der auch „CAR“ genannt wird. Das ist nichts anderes als ein Protein, das einem Antikörper ähnelt und das Krebszellen an ihren Antigenen erkennt. June macht T-Zellen zu einer Präzisionswaffe, indem er sie nicht nur das tun lässt, was sie immer tun, sondern ihnen mit CAR auch noch einen molekularen Spürhund mit auf den Weg gibt.
Die Idee, Krebs vom Immunsystem beseitigen zu lassen, ist über hundert Jahre alt. Bereits 1866 beobachtete der Bonner Chirurg Wilhelm Busch, dass sich der Tumor einer Patientin nach einer Infektion zurückbildete. Unabhängig davon stieß der in New York ansässige Arzt William Coley auf die Krankengeschichte von Fred Stein. Dieser litt unter einem Weichteiltumor im Mund, der sich durch eine Operation nicht vollständig entfernen ließ. Bei dem Eingriff zog sich Stein eine schwere Wundinfektion zu. Nachdem er sich von dieser Infektion erholt hatte, war der Weichteiltumor verschwunden. Offensichtlich war das durch die Infektion angestachelte Immunsystem auch gegen den restlichen Tumor vorgegangen. Coley versuchte aus dieser Beobachtung eine Therapie abzuleiten, scheiterte allerdings damit. Seine Ideen gerieten mit dem Aufkommen der Chemotherapie in Vergessenheit. Erst in den 1980ziger Jahren griffen Ärzte die Immuntherapie wieder auf. Inzwischen verdanken mehr und mehr Patienten dieser Therapie ihr Leben, vor allem auch den Ende der 1990er Jahre eingeführten therapeutischen Antikörpern.
Die Checkpoint-Therapie
T-Zellen stürzen sich nicht Hals über Kopf in eine Immunreaktion. Wenn sie ein fremdes Antigen erkennen, lassen sie sich die Notwendigkeit darauf zu reagieren von einem zweiten Signal bestätigen. Über ein drittes Signal drosseln sie den Prozess wieder. Allisons Name ist eng mit dem Protein verbunden, das die Aktivität der T-Zellen wieder drosselt. Es trägt den Namen CTLA4. Allison war der Erste, der systematisch daran arbeitete, diese Bremse zu lösen. Er wollte damit das Immunsystem entfesseln und eine stärkere Immunantwort gegen Tumorzellen erzeugen. Dass dies tatsächlich funktioniert, belegte er mit Tierexperimenten. Er heilte Krebs bei Mäusen, indem er die Tiere mit einem Antikörper gegen CTLA4 behandelte. Allison hat Ende der 1990ziger Jahre zusammen mit der Firma Medarex, die heute zu Bristol Myers Squibb gehört, einen therapeutischen Antikörper gegen CTLA4 entwickelt. Dieser Antikörper ist inzwischen unter dem Namen Ipilimumab in den Vereinigten Staaten und Europa zur Behandlung von fortgeschrittenem schwarzen Hautkrebses zugelassen worden, auch in Deutschland. „Meine Arbeit hat zu einem völlig neuen Ansatz in der Krebstherapie geführt“, sagt Allison über seine Forschung. „Anstatt nach Zielmolekülen auf den Tumorzellen zu suchen, die wir angreifen können, blockieren wir die Brems- und Kontrollproteine auf den T-Zellen. Dadurch wird das Immunsystem entfesselt und kann erfolgreich gegen verschiedene Arten von Krebs vorgehen.“ Die Checkpoint-Hemmung kommt nicht nur beim fortgeschrittenen Melanom in Frage, sondern auch bei vielen anderen Tumoren.
Bei den klinischen Studien zu Ipilimumab zeigte sich, dass der therapeutische Antikörper das Leben der Patienten mit einem fortgeschrittenen Melanom um durchschnittlich vier Monate verlängerte. 22 Prozent der Patienten sprachen langfristig an und leben auch noch zehn Jahre nach der Therapie. Nie zuvor hat eine Gruppe todkranker Melanom-Patienten derart von einer Behandlung profitiert. „Es macht mich stolz zu sehen, dass meine Arbeit zu einer Behandlung geführt hat, die heute vielen Menschen das Leben rettet“, sagt Allison. „Besser kann es gar nicht gehen.“ Jetzt versucht er, den Anteil derer, die langfristig profitieren durch eine Weiterentwicklung der Immuntherapie zu erhöhen. Bei den Studien zeigte sich auch, dass der Verlauf der Checkpoint-Hemmung ungewöhnlich ist. Bei vielen Patienten breitete sich das Melanom zunächst weiter aus, bevor es dann langsam, aber stetig beseitigt wurde. Die Immuntherapie braucht offensichtlich Zeit, um gegen den Tumor vorzugehen, wirkt dann aber kontinuierlich weiter, so dass sogar eine Heilung möglich sein könnte. Die Therapie mit Ipilimumab hat allerdings auch Nebenwirkungen, die mit der Entfesselung des Immunsystems zu tun haben. Zu den wichtigsten Nebenwirkungen zählen chronische Entzündungen im Darm und auf der Haut.
Der Erfolg der CTLA4-Hemmung hat zur Entdeckung weiterer Immuncheckpoints geführt. Viele Körperzellen schützen sich mit den Proteinen PD1 und PDL-1 vor möglichen Kollateralschäden. Wenn beide Proteine aufeinandertreffen, treten T-Zellen ebenfalls auf die Bremse. Krebszellen nutzen dieses Prinzip für ihre Immuntoleranz. Sie entgehen dem Angriff des Immunsystems, indem sie PDL-1 auf ihrer Oberfläche herumzeigen, das dann von PD1 auf den T-Zellen erkannt wird. Inzwischen sind auch Checkpoint-Inhibitoren gegen diese beiden Eiweiße entwickelt worden, um verschiedene Arten von Krebszellen aus der Deckung zu holen. In Japan wurde Nivolumab zugelassen. In den Vereinigten Staaten Pembrolizumab. Allison und seine Kollegen arbeiten derzeit daran, die molekularen Mechanismen der Checkpoint-Hemmung möglichst präzise zu verstehen. „Wir suchen nach rationalen Kombinationen verschiedener Immuntherapien“, sagt Allison, „um letztlich viele Arten von Krebs heilen zu können.
Die CART-19-Therapie
Carl June verfolgt eine ganz andere Strategie. Er setzt die T-Zellen des Patienten als Therapeutikum ein. Dazu entnimmt er den Patienten Blut, isoliert deren T-Zellen, rüstet sie im Labor mit einem chimären Antigen-Rezeptor aus, vermehrt sie und gibt sie den Patienten wieder zurück. Bisher wurden vor allem todkranke Patienten mit einer chronischen oder akuten lymphatischen Leukämie behandelt, die als CLL oder ALL bezeichnet werden. June verwendet einen chimären Antigen-Rezeptor gegen das Protein CD19, das zwar auch auf normalen B-Zellen vorkommt, aber vor allem von Leukämiezellen in großer Menge gebildet wird. Wenn die aufgerüsteten T-Zellen die Leukämiezellen an ihrem CD19 erkennen, setzen sie Botenstoffe frei, wodurch weitere T-Zellen mit entsprechender Spezifität gebildet werden. So wird nach und nach eine wachsende Armee an tumorzerstörenden T-Zellen generiert. CAR-Zellen sind also ein sich selbst replizierendes Therapeutikum. Dass diese Strategie funktioniert, beruht auf drei Leistungen. June hat eine Methode entwickelt, wie man T-Zellen im Labor erfolgreich vermehrt. Er verwendet ein entschärftes HIV-Virus, um die T-Zellen aufzurüsten und er hat mit CD-19 ein kluges Zielmolekül gewählt, das neben den Tumorzellen nur noch auf den B-Zellen vorkommt, die nicht unbedingt überlebensnotwendig sind.
June und seine Kollegen haben seit 2011 mehrere klinische Studien im „New England Journal of Medicine“ veröffentlicht. Zunächst waren drei Erwachsene mit CLL behandelt worden, dann zwei Kinder mit ALL und schließlich dreißig Erwachsene und Kinder mit ALL. In allen Studien – auch in denen aus anderen Arbeitsgruppen – zeigten sich eindrucksvolle Ergebnisse. Zwei der ersten drei Patienten sind noch immer in Remission. Die Leukämie wurde bei ihnen offensichtlich dauerhaft zurückgedrängt. Auch von den anderen Patienten entwickelten mehr als die Hälfte eine vollständige Remission. „Es treibt mir immer wieder die Freudentränen in die Augen, wenn ich einige unserer Patienten sehe“, sagt June über seinen Erfolg. Emily Whitehead zum Beispiel. Das Mädchen war sechs Jahre alt und austherapiert, bevor sie von June behandelt wurde. Sie kann heute wieder in der Schule gehen. „Viele Patienten führen wieder ein normales Leben“, sagt June.
Die meisten Patienten entwickelten einige Tage nach der Infusion der CAR-19 T-Zellen einen sogenannten Zytokinsturm. Dabei wird der Körper von heftigem Fieber und anderen schweren Reaktionen geschüttelt, die mit der massenhaften Vermehrung der T-Zellen und deren Angriff auf die Leukämiezellen zu tun haben. Bei einigen Patienten wurden während eines solchen Zytokinsturms pfundweise Tumorzellen vernichtet. Allerdings besteht auch immer die Gefahr, dass dieser Sturm aus dem Ruder läuft. „Unsere größte Herausforderung besteht derzeit darin, zu lernen, wie wir diesen Zytokinsturm am besten meistern“, erklärt June. Gefährdet man zum Beispiel die Ausrottung der Tumorzellen durch eine Behandlung des Zytokinsturms oder hat die Dämpfung keine Auswirkung auf das Behandlungsergebnis? Derzeit ist auch noch wenig darüber bekannt, wie viele der aufgerüsteten und expandierten CAR-Zellen dem Patient zurückgegeben werden sollen. Sind eher mehr oder eher weniger Zellen für ein optimales Behandlungsergebnis von Vorteil?
Die CAR-Therapie ist zwar noch eine Nischenbehandlung, aber sie hat bereits eine ganze Reihe von Firmen auf den Plan gerufen, die sich an der Weiterentwicklung beteiligen. Seit 2011 ist auch Novartis dabei. „Wir wenden die Strategie derzeit auf die Behandlung solider Tumore an“, sagt June über seine weiteren Aktivitäten. Sein nächster Feind heißt Bauchspeicheldrüsenkrebs.
Weitere Informationen
Sämtliche Unterlagen der Pressemappe, Fotos der Preisträger und Infografiken sind unter www.paul-ehrlich-stiftung.de zur Verwendung hinterlegt. Der Abdruck ist kostenfrei. Die ausführlichen Lebensläufe, ausgewählte Veröffentlichungen und die Publikationslisten erhalten Sie in der Pressestelle der Paul Ehrlich-Stiftung, c/o Dr. Hildegard Kaulen, Telefon:+49 (0) 6122/52718, Email: h.k@kaulen.wi.shuttle.de
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Criteria of this press release:
Journalists, Scientists and scholars
Biology, Medicine, Nutrition / healthcare / nursing
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German
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