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06/13/2003 14:06

"Melanchthon deutsch" - Fortsetzung folgt

Volker Schulte Stabsstelle Universitätskommunikation / Medienredaktion
Universität Leipzig

    Die letzte deutsche Ausgabe der Schriften Philipp Melanchthons, die dem Gesamtwerk verpflichtet war, datierte auf 1829/30. Dann kam das Jahr 1997 und Kirchenhistoriker legten zum 500. Geburtstag des Reformators "Melanchthon deutsch" vor. Doch mit den zwei Bänden ist das Schaffen des Wittenberger Professors nicht erschlossen. An der Universität Leipzig geht die Arbeit weiter.

    "Wir sind dazu geboren, uns im Gespräch einander mitzuteilen." Das Zitat stammt aus Philipp Melanchthons "Rede über das unentbehrliche Band zwischen den Schulen und dem Predigtamt". Gehalten in Latein; gesprochen am 10. Oktober 1543 in Leipzig; aus Anlass der ersten feierlichen Präsentation von Doktoren der Theologie, die aus der reformatorisch umgestalteten Universität erwachsen waren. Zu finden ist die Sentenz in "Melanchthon deutsch", Band II, Seite 27 - Dr. Michael Beyer nennt die exakte Angabe ohne Zögern.
    Fast sechs Jahre liegt es zurück, dass die beiden Bände im Zuge des 500. Geburtstages des Reformators bei der Evangelischen Verlagsanstalt Leipzig erschienen sind. Als Herausgeber führten mit Prof. Günther Wartenberg und Dr. Michael Beyer zwei Kirchenhistoriker der Universität Leipzig sowie mit Dr. Stefan Rhein der damalige Kustos des Melanchthon-Hauses Bretten und jetzige Direktor der Luther-Gedenkstätten-Stiftung Sachsen-Anhalt die Fäden des Projekts zusammen. Aus Sicht der Nutzer bietet es einen unschätzbaren Vorzug: Die Texte sind ins Neuhochdeutsche, in die Sprache des Hier und Jetzt, übertragen. Bislang verhinderte die Gelehrtensprache Latein die Rezeption von Melanchthons Werk. Lediglich die "Confessio Augustana", die zu den Bekenntnisschriften der evangelischen Kirche zählt, und die "Loci communes", eine Art Schlüssel zur Auslegung der Bibel, genießen eine weite Beachtung. Der "Rest" aus Melanchthons Feder, zu dem Hunderte Schriften, darunter einzelne von 600 Seiten, und fast 10 000 Briefe gehören, ist hingegen kaum bekannt - trotz des Einflusses, den der gelehrte Reformator und begnadete Rhetor auf seine Zeitgenossen ausübte. So ist "Melanchthon deutsch" vor allem als Übersetzung wichtig. Die beiden Bände, die bis in Layout, Satz und Farbgebung hinein am Leipziger Institut für Kirchengeschichte entstanden, haben inzwischen Eingang in die Kollegs der Universitäten, in die Studien der Wissenschaft und in die Büchereien gefunden.
    Es war die Aufgabe der Herausgeber sowie der Übersetzer und Übersetzerinnen, den Wittenberger Professor aus seiner Zeit und Umgebung ins heutige Deutsch zu übertragen. In eine Sprache, die die historischen Texte in ihrem Zusammenhang bewahrt. Geistige Treue gegenüber den Quellen - ihren Stil und ihr Esprit zu wahren, ohne in altmodische oder neumodische Schnörkel zu verfallen - war allen Mitarbeitern ein "echtes Anliegen". Gemeinsam fühlten sie sich Melanchthons hohen Ansprüchen an die Sprache - an ihre Transparenz und Klarheit - verpflichtet.
    Das Ergebnis spiegelt Melanchthons Wissen und Schaffen in seiner Fülle und Vielfalt an Themen und Formen zwischen 1518 und 1550 wider. In Thesenreihen, Postillen, Gebeten, Briefen, Studienanweisungen, Gutachten und vor allem in Reden äußerte sich der "Lehrer Deutschlands" über Schule und Universität, Philosophie und Geschichte, Theologie und Kirchenpolitik, Jura und Rhetorik, Medizin und Astronomie. Um zumindest "eine Ahnung von der Weite des Werkes Melanchthons (zu) vermitteln", nahmen die Herausgeber überschaubare und vollständige Texte in die Sammlung auf, griffen auf verschiedene Gattungen zurück und verzichteten auf die lateinischen Originale. Jetzt wirkt die Zusammenstellung wie ein Schlüssel zu Melanchthons Werk.
    "Es war Übersetzung und Forschung zugleich", resümiert Dr. Michael Beyer. "Und es ist Forschung und Übersetzung zugleich." Das Projekt "Melanchthon deutsch" ist weiterhin im wissenschaftlichen Plan des Institutes für Kirchengeschichte - das sich seit dem letzten Drittel des 19. Jahrhunderts der Geschichte der Reformation widmet - verankert. Zumindest noch einen Band möchten die Leipziger vorgelegen. Es ist ein Unterfangen, das großer Begeisterung und akribischer Geduld bedarf. Beteiligten sich 23 Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen an den Übersetzungen aus dem Lateinischen und aus dem Frühneuhochdeutschen für die Bände I und II, geht die Arbeit derzeit in kleinen Schritten voran. Selbst ein Oberseminar erbringt binnen eines Semesters vergleichsweise wenig übersetzen Text - aber doch ein Resultat, das sich nicht allein auf den Wechsel von einer Sprache in eine andere beschränkt, sondern das in einem Schritt eine Spanne von 450 Jahren überbrückt.
    Mit dem dritten Band wollen die Herausgeber zwei Ziele verbinden: Zum einen soll Melanchthons Beitrag innerhalb der Universität dargestellt werden. Schließlich agierte der Gelehrte an der philosophischen, der theologischen, der juristischen, der medizinischen und damit an allen vier Fakultäten Wittenbergs. Zum anderen gilt es, die hohe Bedeutung, die Melanchthon der Rhetorik für die Predigt des Pfarrers beimaß, herauszuheben. Auf diesem Feld habe er "enorm gearbeitet". Dr. Beyer unterstreicht: Melanchthon und seine Mitstreiter verstanden die Kunst der Rede als ein Regelwerk, um kommunizieren zu können - auch über Sujets und Gegenstände, die sich der logischen Definition entzogen.
    Ein Ende lässt sich für "Melanchthon deutsch" kaum absehen. Eins jedoch steht fest: Der eigene Wert, das eigene Wirken, das eigene Werk des Mannes neben Martin Luther werden sich der Rezeption und dem Gespräch erschließen. Über die Fachkreise der Kirchengeschichte hinaus. Greifen doch Fragen nach dem Konzept von Allgemeinbildung, nach der Vergangenheit und Zukunft der Ökumene, nach dem Kultur- und Bildungsauftrag der Kirche, nach dem Europa der Werte noch immer häufig auf Philipp Melanchthon zurück.
    Daniela Weber

    Weitere Informationen:
    Dr. Michael Beyer Telefon: 0341 - 97 35436 E-Mail:beyer@theologie.uni-leipzig.de


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    Criteria of this press release:
    Philosophy / ethics, Religion
    transregional, national
    Research projects, Scientific Publications
    German


     

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