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Wissenschaft
Eine neue Betrachtungsweise der jüdischen Diaspora und des Begriffs der Diaspora im Allgemeinen sind das Thema eines Vortrags von Daniel Boyarin am 22. Juni um 18.00 Uhr an der Freien Universität Berlin. Dem Professor für Kultur des Talmud an der University of California in Berkeley zufolge seien Beschreibungen der jüdischen Diaspora, nicht zuletzt durch die Juden selbst, oftmals falsch; eine andere Konzeption der jüdischen Geschichte und Kultur könnte zu einem umfassenderen Verständnis der jüdischen Diaspora und der Theorie der Diaspora beitragen.
Der Vortrag findet im Rahmen der Ringvorlesung „Migration. Wanderungsbewegungen vom Altertum bis in die Gegenwart“ des Exzellenzclusters Topoi und des Berliner Antike Kollegs statt. Vortragssprache ist Englisch.
Die jüdische Diaspora habe lange als Idealtypus der Diaspora im weberschen Sinne gegolten, sagt Boyarin. Dieser Ansatz sei von Theoretikern wie Stuart Hall infrage gestellt worden; der in Großbritannien lehrende Kulturtheoretiker und Soziologe, der selbst aus der Karibik stammt, hatte argumentiert, die jüdische Diaspora sei grundsätzlich von anderen Formen der Diaspora in der Moderne zu unterscheiden. Der griechische Begriff „Diaspora“ entstand im 6. Jahrhundert v. Chr. für jüdische Siedlungen in Babylonien und Ägypten. Die jüdische Diaspora wurde aber seit dem 19. Jahrhundert für weitere religiöse oder ethnische Gruppen verwendet, die fern eines usprünglichen Heimatlandes zerstreut oder als Minderheit leben.
Mit seinem Buch A Traveling Homeland („Ein reisendes Heimatland“), das 2015 erschien, hatte sich Boyarin bereits gegen einen Begriff der Diaspora gewandt, der allein die Aspekte des Verlusts von Heimat und die Zerstreuung einer Gemeinschaft in alle Welt in den Mittelpunkt stelle. Stattdessen hob er hervor, dass kulturelle Identität gerade durch Migration wachse. Boyarin versteht in seinem Buch, das sich vor allem mit der Spätantike und dem Mittelalter beschäftigt, den Talmud als Manifest der Diaspora, als einen Text, der die jüdische Identität in der Diaspora prägt und so zum „reisenden Heimatland“ wird.
Daniel Boyarin ist Hermann P. and Sophia Taubman Professor of Talmudic Culture an der University of California, Berkeley. 2012/13 war er Fellow am Wissenschaftskolleg zu Berlin. Zu seinen Publikationen gehören Socrates and the Fat Rabbis. Chicago: University of Chicago Press, 2009, Border Lines: The Partition of Judaeo-Christianity. Philadelphia: University of Pennsylvania Press, 2004, und Daniel and Jonathan Boyarin: Powers of Diaspora: two Essays on the Relevance of Jewish Culture. Minneapolis: University of Minnesota Press, 2002.
Migration in historischer Perspektive ist das Thema einer öffentlichen Vortragsreihe, die im Sommersemester im Rahmen des Offenen Hörsaals an der Freien Universität stattfindet. In der vom Exzellenzcluster Topoi und vom Berliner Antike Kolleg organisierten Ringvorlesung stellen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler das aktuelle Thema in einen breiten geschichtlichen Kontext von der Urgeschichte bis zur Spätantike und vom Mittelalter bis zur Gegenwart. Dabei sollen populäre Vorstellungen über Migrationsereignisse wie etwa über die sogenannte Völkerwanderung kritisch hinterfragt werden. Die Vorträge finden jeweils mittwochs von 18.15 bis 20.00 Uhr statt.
Kontakt
Dr. Nina Diezemann, Exzellenzcluster Topoi, Presse und Kommunikation, Freie Universität Berlin, Telefon 030 / 838-73190, E-Mail: nina.diezemann@topoi.org
http://Vorlesungsbegleitender Blog: http://migration.hypotheses.org
http://Topoi-Website: http://www.topoi.org/event/33470/
Criteria of this press release:
Journalists
Cultural sciences, History / archaeology, Philosophy / ethics, Politics, Religion
transregional, national
Press events, Transfer of Science or Research
German
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