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10/29/2003 17:03

Damit das Reisefieber das einzige Fieber bleibt

Dr. Bärbel Adams Stabsstelle Universitätskommunikation / Medienredaktion
Universität Leipzig

    Wenn es hierzulande Winter wird, grassiert das Reisefieber -nicht wenige Unternehmungslustige zieht es in die Wärme tropischer Gefilde. Mitunter allerdings kommen bei der Reiseplanung Gesundheitsüberlegungen zu kurz.

    Wir sprachen mit einem der deutschen Spezialisten in Sachen Tropen- und Reisemedizin, mit Prof. Dr. Stefan Schubert, Oberarzt im Zentrum für Innere Medizin am Universitätsklinikum Leipzig. Derzeit ist er an einer Forschungszusammenarbeit beteiligt, die sich unter anderem mit Viruskrankheiten in Äthiopien beschäftigt.
    Gleichzeitig sind er und seine Kollegen am Klinikum Anlaufpunkt für Menschen, die eine Reise in tropische Regionen planen oder die mit Krankheitssymptomen von solch einer Reise zurückkehren.

    Man sagt "Wer sich in Gefahr begibt, kann darin umkommen". Ganz so dramatisch ist es mit Fernreisen in aller Regel sicherlich nicht. Aber liegt ihnen nicht manchmal auf der Lippe, die Menschen sicherheitshalber zum Hierbleiben zu bewegen?

    Das ist eine sehr heterogene Problematik - wie das Reisen an sich sehr heterogen ist. Der Gast eines Vier-Sterne-Hotels ist wesentlich weniger Risiken ausgesetzt als der Rucksacktourist auf abenteuerlichen Pfaden. Hinzu kommt, dass manche Krankheiten von den Medien durch Schlagzeilen mitunter überbewertet, andere hingegen unterbewertet werden. Hier sind wir als Berater gefragt. Trotzdem fragt man sich schon manchmal, ob eine schwangere Frau - von wichtigen familiären Gesichtspunkten abgesehen - unbedingt in ein fernes Land fliegen muss oder ob Kleinkinder ihre Sandburg wirklich in Sri Lanka bauen sollen und nicht lieber an der Ostsee.

    Wenn die Reise gebucht ist, gibt es aber kein Zurück mehr. Sollte der Weg aus dem Reisebüro direkt zum Großeinkauf in die Apotheke und zum Impfen ins Krankenhaus führen?

    Absolut nicht. Die wichtigste Vorbereitung für einen Pauschalurlaub in weiter Ferne ist nicht etwa, jede verfügbare Impf-Prophylaxe wahrzunehmen und sich den Koffer voll Medikamente zu packen. Die wichtigste Vorbereitung ist die genaue Information über mögliche Erkrankungen: Welche Impfungen sind zu empfehlen? Welche nur unter bestimmten Umständen und in bestimmten Regionen? Wann sollte man vor Ort besondere Vorsicht walten lassen? Wie sollte man sich vor Malaria schützen? Welche Symptome sollten rasch zum Arzt führen? Der erste Ansprechpartner ist in der Regel der Hausarzt, der auch weiß, wo gegebenenfalls die aktuellsten reisemedizinischen Detail-Informationen zu erhalten sind; weiterhin sind es die Gesundheitsämter und speziellen reisemedizinischen Einrichtungen. Das Internet kann eine persönliche ärztliche Beratung nicht ersetzen.

    Bei chronischen Erkrankungen sollte immer der Hausarzt oder betreuende Spezialist mit einbezogen werden. Er kennt seine Patienten am besten und kann entsprechend beraten. Allerdings gibt es unterdessen auch schon spezielle reisemedizinische Erfahrungen bei chronischen Erkrankungen, die genutzt werden sollten, um auch Patienten mit solchen Erkrankungen, soweit vertretbar, Fernreisen zu ermöglichen.

    Die Liste möglicher Infektionen ist dennoch lang und klingt - liest man die Beschreibung der drohenden Krankheiten - gruselig. Das verleitet doch dazu, alle nur möglichen Impfungen und medikamentösen Vorbeugungsmöglichkeiten vornehmen zu lassen.

    Natürlich gibt es Impfungen, die sollte man, wenn man auf Reisen geht, immer überprüfen, ob sie noch gültig sind, beipielsweise gegen Tetanus und Diphtherie. Sie besitzen ja auch eine Bedeutung bei uns. Die wichtigste reisemedizinische Impfung ist sicherlich die gegen Gelbsucht vom Typ Hepatitis A, welche mit dem Essen übertragen wird, was selbst unter guten Hotelbedingungen möglich ist. Daneben gibt es einige Impfungen, die nur für bestimmte Regionen der Erde von Bedeutung sind und auch nur unter bestimmtem Reisebedingungen - so die Impfungen gegen Gelbfieber (Lateinamerika, subsaharisches Afrika) und Japanische Enzephalitis (Südost-Asien). Aber nicht jede mögliche Prophylaxe ist für Pauschalreisende unbedingt nötig.

    Was halten Sie von Malaria-Vorbeugung bei Reisen in Malariagebiete?

    Wenn es darum geht, vor Ort Insektenstiche so gut wie möglich zu verhindern - unbedingt wichtig. Hinsichtlich einer Vorbeugung mit Medikamenten sind Nutzen und Risiken gegeneinander abzuwägen.. Die Empfehlungen zu einer medikamentösen Malaria-Prophylaxe sind besonders davon abhängig, wie hoch das Malaria-Risiko im Reiseland ist. Besonders hoch ist die Gefahr im subsaharischen Afrika. Medikamente können aber auch nicht die Erkrankungsgefahr an Malaria vollständig beseitigen, sondern nur minimieren. Ein tödlicher Ausgang kann aber nahezu immer abgewendet werden, wenn die Erkrankung in den ersten ein bis zwei Tagen erkannt wird. Seit Jahren können wir die erfreuliche Tendenz bei uns beobachten, dass zwar nicht wesentlich weniger Touristen an Malaria erkranken, aber immer weniger an dieser Infektion sterben. Dies ist besonders auf eine Verbesserung der Früherkennung zurückzuführen, wozu auch die Reisenden selbst durch ein rechtzeitiges Aufsuchen von Ärzten im Erkrankungsfall beitragen. Als Faustregel gilt: Ab dem siebenten Tag nach Einreise in ein Malariagebiet bis etwa sechs Monate nach Rückkehr innerhalb von 24 Stunden zum Arzt gehen, wenn sich unklare, meist fieberhafte grippeähnliche Symptome zeigen, also außer Fieber und Schüttelfrost auch Kopf- und Gliederschmerzen, Schwäche, Husten, mitunter aber auch Durchfälle u.a.. Todesfälle entstehen bei uns fast nur noch, wenn solche Anzeichen mehrere Tage missachtet oder als grippale Erkrankung fehlgedeutet werden. Ähnliche Symptome wie Malaria weisen außer den grippalen Erkrankungen bei Reisenden auch weitere Erkrankungen auf, z.B. das Dengue-Fieber , das vor allem in Südost-Asien und Lateinamerika in den letzten Jahren angestiegen ist. Auch hier sind Mücken die Überträger, welche sogar tagaktiv sind. Schutz vor Mückenstichen ist daher nicht nur Verbeugung vor Malaria, sondern auch vor weiteren Tropenkrankheiten.

    Die Hälfte aller Tropenreisenden trifft "Montezumas Rache", ein mehr oder weniger heftiger Durchfall. Kann man dem vorbeugen?

    Etwa die Hälfte der Reisenden erlebt Durchfall, oft jedoch nur kürzere Durchfallsepisoden. Einen sicheren Schutz davor gibt es nicht. Ausreichende Flüssigkeitszufuhr ist wichtig (bei größerem Flüssigkeitsverlust mit gesüßten Getränken und etwas Kochsalz), und durch Selbstbehandlung mit Medikamenten kann man die Dauer abkürzen. Gegen gefährlichere Durchfallskrankheiten durch bestimmte Bakterien, Amöben oder auch Viren kann man sich nur schützen, wenn ausschließlich Flaschengetränke bzw. erhitzte Getränke sowie abgekochte Speisen zu sich genommen werden. In touristisch gut erschlossenen Gebieten werden unterdessen auch einwandfrei hergestellte Milchprodukte bzw. Speiseeis, Fruchtsäfte und Salate angeboten, wobei nicht beurteilt werden kann, ob die Herstellungskontrollen den Bestimmungen wie in Deutschland unterliegen.

    Weniger mit Durchfall, sondern mehr mit akutem Erbrechen und nachfolgend mit verschiedenen länger dauernden Beschwerden ist eine neuere Erkrankung nach dem Genuss von Fisch verbunden, die in den letzten Jahren vor allem in der Karibik zugenommen hat (Ciguatera). Sie hängt mit der Umweltverschmutzung der Meere zusammen. Das Gift von Algen, welches dabei über Fisch in die Nahrungskette gelangt, ist hitzestabil, wird also durch Kochen nicht zerstört. Wenn beim Essen von Fisch Brechreiz auftritt, mitunter auch ein Kribbeln bzw. ein Taubheitsgefühl an den Lippen, sollte man also sofort die Fischmahlzeit beenden

    Und wenn alle Umsicht nichts genützt hat ...

    ... dann hilft nur ein Griff in die Reiseapotheke. Sie braucht zwar nicht riesig zu sein, aber die Mitnahme eines Durchfallsmedikamentes ist schon zu empfehlen. Einen Arzt sollte man aufsuchen, wenn der Durchfall mit Fieber oder mit Blut und Schleim verbunden ist oder wenn er mehrere Tage quält.

    Die Patienten, die nach Reisen in warme Länder bei Ihnen behandelt werden müssen, hätten die ihre Krankheit verhindern können?

    In der Regel nicht. Die meisten haben sich adäquat verhalten. Meist handelt es sich auch um leichtere Erkrankungen. Und sie haben das Glück, in ein Heimatland zurückgekehrt zu sein, in welchem - bei rechtzeitiger Erkennung - auch sonst schwerverlaufende Tropenkrankheiten in den meisten Fällen ausgeheilt werden können. Bei aller Freude darüber darf nämlich nicht vergessen werden, dass zum Beispiel in Afrika jährlich mehr als eine Million Kinder allein an der Malaria sterben.

    Marlis Heinz

    weitere Informationen
    Prof. Dr. Stefan Schubert
    Tel.: 0341/ 97 - 24970
    E-Mail: trop@medizin.uni-leipzig.de


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    Prof. Dr. Stefan Schubert
    Prof. Dr. Stefan Schubert

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    Criteria of this press release:
    Medicine, Nutrition / healthcare / nursing
    transregional, national
    Research projects
    German


     

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