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04/08/2004 15:10

Gerade stehen und gehen! - und das ohne Boden unter den Füßen

Dr. Bärbel Adams Stabsstelle Universitätskommunikation / Medienredaktion
Universität Leipzig

    Aquajogging als Therapie, Rehabilitationssport, Freizeitspaß und Forschungsthema an der Universität Leipzig

    Das Institut für Rehabilitationssport, Sporttherapie und Behindertensport der sportwissenschaftlichen Fakultät der Universität Leipzig und der Verein REHASPORT Leipzig e.V. laden an mehreren Abenden pro Woche zum Aquajogging. Wer hier mittrainiert, tut was für seine Gesundheit, verhindert eine Verschlechterung seiner chronischen Erkrankung und fördert die Wissenschaft gleichermaßen.

    Manche sind rank und schlank und putzmunter. Anderen fällt das Laufen schwer - mit Übergewicht, mit Rheuma und orthopädischen Beschwerden. Und ein paar Wenige müssen sich sogar mit dem Lifter ins Becken senken lassen. Doch dann im Wasser scheint sich für die meisten der Schmerz aufzulösen. Selbst die, die an Land eine Gehhilfe benötigten, bewegen sich jetzt vergnügt und leicht.

    Man kennt sich, begrüßt einander, schwatzt - bis Prof. Jürgen Innenmoser an den Beckenrand tritt und seine heutige Trainingsgruppe begrüßt. Alle sind Mitglieder des REHASPORT Leipzig e.V. - Verein für bewegungsaktive Prävention und Rehabilitation. Dieser Verein kooperiert mit dem Institut für Rehabilitationssport, Sporttherapie und Behindertensport (IRSB) der sportwissenschaftlichen Fakultät der Universität Leipzig, dessen Direktor Innenmoser ist. Aquajogging steht heute auf dem Programm, also "Laufen" im tiefen Wasser, ohne Kontakt zum Grund. 4,50 Meter ist das Wasser des Sprungbeckens in der Mainzer Straße tief. Während alle zur Erwärmung ein paar Bahnen marschieren, blättert der Professor schnell die Fragebögen durch, die jeder Teilnehmer vor Beginn des Trainings ausgefüllt hat. Das ging ganz fix, denn es mussten nur ein paar Smilies oder Kästchen angekreuzt werden: Wie fühle ich mich heute? Körperlich fit oder schlapp? Mental fröhlich oder betrübt? Und das mit all den Zwischenstufen. An einem aufgemalten Knochengerüst kann jeder markieren, ob ihm heute etwas weh tut. Und dann gibt es noch ein paar Kreuzchen zum Befinden nach der vergangenen Übungsstunde zu setzen: War die Belastung angemessen? Wie lange hat es gedauert, ehe man wieder ganz fit war?

    "So weiß ich oder mein zweiter Übungsleiter immer sofort, wo eventuelle Probleme bei jedem einzelnen liegen und kann die Untergruppen immer wieder neu zusammenstellen", erläutert Innenmoser die Notwendigkeit des Schriftlichen. Heute werden die etwa 20 Reha-Sportler in drei Grüppchen zusammengefasst: ein paar "Sprinter", das große "Mittelfeld" und jene mit starken Einschränkungen wie beispielsweise durch Multiple Sklerose, Parkinson oder mehrfache orthopädische Probleme. Für diese stark Behinderten steht mit dem tunesischen Doktoranden und Sportlehrer Samir Zribi ein eigener Übungsleiter zur Verfügung.

    Dann beginnt das eigentliche Training. Gymnastik mit einer Hand am Beckenrand. Gerade stehen - oder besser "hängen"! Aber wie steht man ohne Kontakt zum Boden, immer im Kampf mit dem Auftrieb, der den mit einem Schaumstoffgürtel versehenen Rücken an die Wasseroberfläche zu drücken versucht? Da bleibt nur eines: Sich nicht treiben lassen, alle Muskeln anspannen, Konzentration! "Patienten, deren Körper wegen der vielen Beschwerden schon gar nicht mehr weiß, wie sich eine aufrechte Haltung anfühlt, bekommen so ein völlig neues Empfinden für ihre Muskulatur. Sie sind fast vollkommen von der Statik oder Schwerkraft befreit und können bewegungskoordinative Aufgaben lösen", erläutert Innenmoser den Unterschied zwischen Aquajogging und herkömmlicher Wassergymnastik, bei der die Teilnehmer in der Regel im Becken stehen. "Aquajogging gibt es schon seit etwa zehn Jahren. Entstanden ist diese Therapieform damals aus der Rehabilitation von Leistungssportlern, die nach Unfällen oder Operationen ihre Muskulatur nicht verkümmern lassen durften, ihre Bänder und Gelenke vorsichtig auftrainieren mussten und vor allem ihre 'Kondition' nicht völlig verlieren wollten. Auch bei der Behandlung von Tieren wird im Wasser gejoggt: Teure Reitpferde werden so wieder einsatzfähig gemacht." Seit etwa zwei Jahren steht auch den Reha-Sportlern diese Möglichkeit an der Universität Leipzig offen, wenngleich Innenmoser nicht verschweigt, dass er, weil diese Therapie so beliebt geworden ist, Wartelisten anlegen musste. Denn die Wasserspringerhalle steht nur abends, wenn die Studenten und die Leistungssportler ihre Aufgaben erfüllt haben, für den Verein zur Verfügung.

    Nach der Gymnastik dann das Joggen. Laufen als wäre da ein Boden, Ausstrecken der Unterschenkel nach vorne und Zurückführen der gestreckten Beine mit Kraft, Schwingen und Ziehen der Arme gegen das Wasser, aber auch Stabilisieren des Rumpfes, um die Beine in der Senkrechten zu lassen. Langsam, im Sprint, mit und ohne Armbewegung, mit und ohne Schritte. Nicht heimlich schwimmen, das wäre zu einfach. Im Gegensatz zur Wassergymnastik trainiert Aquajogging nicht nur Muskulatur und Bewegungsabläufe, sondern belastet auch - gut dosierbar - den Kreislauf. Keiner der Läufer ist völlig erschöpft, aber jeder nimmt die kurzen (Ins-Wasser-Atem-)Verschnaufpausen gern an. Zwischendurch darf man sich freuen über seine "Tüchtigkeit" oder wird zum Lächeln aufgefordert.

    Am Beckenrand beobachtet eine Sportstudentin die Mühen der Sportler und macht Notizen. Ein bisschen Forschungsobjekt sind die Aktiven - so eng mit einem auf Rehabilitationssport spezialisierten wissenschaftlichen Institut verbunden - natürlich auch. " Demnächst wollen wir den ersten Strich unter eine Studie ziehen, die wir mit den Aquajogging-Gruppen durchgeführt haben", erläutert Innenmoser das Vorhaben der Forscher. "Wir wollen ermitteln, welche therapeutische Wirksamkeit in bewegungsintensiven Programmen im Wasser steckt. Stimmt die These, dass solch eine Therapie Schmerzen auf Dauer reduzieren oder mindestens stabilisieren kann? Dabei geht es uns um die ganzheitliche Betrachtung des Patienten und nicht nur um die Beurteilung eines einzelnen Gelenks. Auch psychische Aspekte, wie zum Beispiel. die Wirkung der guten Stimmung in der Gruppe sollen bei dieser Untersuchung eine Rolle spielen".

    Welche Zukunft sieht Innenmoser für Aquajogging? Was wird es Neues geben? "Wir wollen diese Therapie bei immer neuen Schädigungsformen testen und immer mehr spezialisieren. Wir haben es auch schon mit Musik probiert, aber das Problem ist, dass ich nicht meine Patienten der Musik, sondern die Musik den Bewegungen der Patienten anpassen möchte. Dazu müsste extra welche komponiert werden; vielleicht finden wir mal einen Musiker, der sich in diese Sportart hineindenkt." Dass Aquajogging - so wie der individuelle Lauf durch den Park - bald in allen Schwimmhallen zu sehen sein wird, daran glaubt Innenmoser nicht. "Das Wasser der Bäder ist oft nicht tief genug, Schwimmgürtel sind verboten und der Trubel in den Becken zu groß. Es wird wohl in den Händen der Therapeuten und Vereine bleiben, ein entsprechendes Angebot zu unterbreiten".

    Marlis Heinz


    weitere Informationen
    Prof. Dr. Jürgen Innenmoser
    Telefon: 0341 97-31650
    E-Mail: jinnen@uni-leipzig.de


    More information:

    http://www.uni-leipzig.de/~sportfak


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    Aquajogging macht offensichtlich auch Spaß
    Aquajogging macht offensichtlich auch Spaß

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    Criteria of this press release:
    Medicine, Nutrition / healthcare / nursing, Sport science
    transregional, national
    Research projects
    German


     

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