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04/27/2022 11:22

Helmholtz-Preis für zwei Optik-Gruppen mit Weltklasse

Dipl.-Journ. Erika Schow Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB)

    Der wichtigste europäische Preis für Präzisionsmessungen geht an Forschende in Düsseldorf und in Garching.

    Gleich für zwei wichtige Beiträge aus der Optik, einmal aus der Grundlagenforschung, einmal aus der angewandten Forschung, wird der diesjährige Helmholtz-Preis verliehen. Er ist der wichtigste Preis der Metrologie, der Wissenschaft vom Messen. In der Kategorie „Grundlagenforschung“ geht er an Soroosh Alighanbari und Kollegen der Arbeitsgruppe von Prof. Schiller von der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Die Forscher haben eine neue Methode der Präzisionsspektroskopie entwickelt, mit der sie fundamentale Fragestellungen der Physik untersuchen können. Den Helmholtz-Preis in der Kategorie „Angewandte Messtechnik“ erhalten Nathalie Picqué und Edoardo Vicentini vom Max-Planck-Institut für Quantenoptik in Garching. Sie haben die Möglichkeiten der digitalen Holografie durch Anwendung von Frequenzkämmen entscheidend erweitert. Vergeben werden die beiden Preise, die jeweils mit 20 000 Euro dotiert sind, am 12. Mai 2022 im Rahmen der internationalen Tagung „High-Precision Measurements and Searches for New Physics“ im Physikzentrum, die als Wilhelm- und Else Heraeus-Seminar in Bad Honnef stattfindet.

    Präzisionsspektroskopie für die großen Fragen der Physik
    Es gibt einige fundamentalen Fragen in der Physik: Sind Naturkonstanten konstant? Gibt es genau vier Kräfte? Was ist dunkle Materie? Antworten hoffen Forschende zu finden, indem sie einfache Quantensysteme sehr genau untersuchen. In den letzten Jahren hat eine neue „Familie“ solcher Quantensysteme besondere Aufmerksamkeit erregt: molekulare Wasserstoffionen, die einfachsten aller Moleküle. Ein Mitglied dieser Familie ist das Molekülion HD+. Es besteht aus einem Proton und dem Nuklid Deuteron. Proton und Deuteron sind durch ein einziges Elektron miteinander verbunden. So entsteht ein sehr einfaches Molekül, das einerseits ein Modellsystem für komplexere Moleküle darstellt, andererseits ein perfektes System für Grundlagenuntersuchungen zu den Eigenschaften des Elektrons, des Protons und des Deuterons und ihrer Wechselwirkungen ist. Die Helmholtz-Preisträger von der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf nutzten es, um eine neuartige Hochpräzisionsspektroskopie-Methode zu entwickeln und zu testen, die nun für weitere Molekülionen eingesetzt werden kann. Sie konnten auch die Präzision einiger Facetten der Fundamentalphysik erhöhen.

    Den allermeisten Molekülionen ist gemeinsam, dass man sie nur mit großem Aufwand direkt mit Laserstrahlen kühlen kann. Aber es lohnt sich, diese Schwierigkeit zu überwinden, denn die Präzisionsspektroskopie an Molekülionen verspricht Erkenntnisse, die komplementär zu denen an Atomen und neutralen Molekülen sind. Die Forscher der Uni Düsseldorf wagten sich Anfang der 2000-er Jahre als erste Gruppe weltweit in dieses Forschungsgebiet. Sie verfolgten den Ansatz, in einer Ionenfalle zwei Ensembles von Ionen unterschiedlicher Sorte zu speichern: eines aus Molekülionen und eines aus atomaren Ionen. Die atomaren Ionen werden lasergekühlt (wie es auch in optischen Atomuhren und Ionenfallen-basierten Quantencomputern geschieht) und kühlen durch elektrische Wechselwirkung die Molekülionen. Durch dieses Herunterkühlen ist die Bewegung der Molekülionen sehr stark verlangsamt, und ihre Eigenschaften können dann mit hoher Genauigkeit vermessen werden. Es handelt sich um eine indirekte, aber dennoch genaue Messmethode.

    In der preisgekrönten Arbeit hat die Gruppe mit dieser Methode gleich vier wichtige Fortschritte erzielt: Erstens haben sie das Proton-Deuteron-Elektron-Massenverhältnis (also eine Kombination dreier Naturkonstanten) mit bisher höchster Genauigkeit bestimmt. Zweitens demonstrieren sie einen zehnmal genaueren Test der Niederenergie-Quantenphysik, der eine Bewegung von Baryonen einbezieht. Drittens zogen sie eine schärfere Grenze für die Stärke einer hypothetischen fünften Kraft zwischen Proton und Deuteron. Und viertens gelang ihnen die erste Demonstration eines molekularen elektrischen Quadrupol-Übergangs ohne Doppler-Verbreiterung, wobei eine 40 000-mal höhere spektroskopische Güte als bisher erreicht wurde.

    Faszinierende Holografie – digital und leistungsstärker denn je
    Jeder hat schon mal ein Hologramm gesehen, ob auf einem Geldschein, einem Personalausweis oder bei Star Wars. Die Holografie ist eine leistungsstarke 3D-Fotografietechnik. Edoardo Vicentini und Nathalie Picqué vom Max-Planck-Institut für Quantenoptik (MPQ) in Garching haben ihr nochmal einen neuen Schub versetzt, indem sie sie mit der Technik der Frequenzkämme verknüpft haben. Das ermöglicht noch bessere 3D-Bilder mit ungeahnten Eigenschaften und neue optische Diagnosemöglichkeiten.

    Ein optischer Frequenzkammgenerator sendet eine regelmäßige Folge von kurzen Laserpulsen aus. Sein Spektrum besteht aus einer großen Anzahl von exakt gleichmäßig verteilten scharfen Spektrallinien, die wie ein Kamm anmuten. Solche Frequenzkämme können die Frequenz von Licht mit hoher Präzision bestimmen. Theodor Hänsch, Leiter der Abteilung Laserspektroskopie am MPQ, erhielt für diese Erfindung 2005 den Nobelpreis für Physik. Später entwickelte die Gruppe um Nathalie Picqué am MPQ die „Zwei-Kamm Spektroskopie“. Diese Methode verwendet alle Spektrallinien eines Frequenzkammes, um eine Probe in einem breiten Spektralbereich zu untersuchen, und kombiniert dies mit einem zweiten Frequenzkamm mit leicht unterschiedlichem Abstand. Das resultierende Interferenzmuster detektiert das Team mit einem schnellen Photodetektor.

    Mit ihrer neuen Bildgebungsmethode, der „hyperspektralen digitalen Holografie“, erweitert die Gruppe diese Interferenzmethode auf die holografische Bildgebung. Das Prinzip des Einsatzes zweier Frequenzkämme bleibt dasselbe. Doch anstelle des Photodetektors wird hier eine Kamera eingesetzt. Sie registriert ein räumliches Interferenzmuster, das sich mit der Zeit ändert, weil die beiden Laser ihre Pulse mit unterschiedlichem zeitlichen Abstand aussenden. Ein Computer berechnet das Hochfrequenzspektrum des Interferenzsignals für jedes Pixel. Diese Spektren werden in einem Stapel digitaler Hologramme kombiniert.

    Zwei-Kamm-Interferometer liefern atemberaubende Ergebnisse in der Spektroskopie und in der Entfernungsmessung. Die einzigartige Kombination aus breiter spektraler Bandbreite, langer zeitlicher Kohärenz und Multi-Heterodyn-Detektion bietet der Holografie leistungsstarke neue Funktionen. Die Technik von Vicentini und Picqué wird wahrscheinlich neue Möglichkeiten in der abtastfreien Wellenfrontrekonstruktion und der dreidimensionalen Metrologie eröffnen. Darüber hinaus könnte die Methode Potenzial für die Mikroskopie biologischer Proben haben.

    Prof. Dr. Joachim Ullrich, noch bis Ende April Präsident der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) und Vorsitzer des Helmholtz-Fonds, sagt: „Ich bin beeindruckt von der hohen wissenschaftlichen Innovationskraft beider Gruppen.“ Seine designierte Nachfolgerin, Prof. Dr. Cornelia Denz, die zum 1. Mai beide Ämter von Ullrich übernimmt, ergänzt: „Die beiden Arbeiten zeigen uns das breite Spektrum auf, das die Optik als eine der wichtigsten Gebiete der Physik im 21. Jahrhundert bietet.“

    Der Preis
    Der Helmholtz-Preis wird vom Helmholtz-Fonds für hervorragende wissenschaftliche und technologische Forschung auf dem Gebiet der Präzisionsmessungen in Physik, Chemie und Medizin verliehen. In jeder der beiden Kategorien „Grundlagen“ und „Anwendungen“ ist er mit 20 000 Euro dotiert. Die Vergabe ist in diesem Jahr wieder als Präsenzveranstaltung möglich: am 12. Mai 2022 im Rahmen des internationalen WE-Heraeus-Seminars „High-Precision Measurements and Searches for New Physics“ im Physikzentrum in Bad Honnef. Die Veranstaltung wird live gestreamt.
    (es/ptb)

    Die Preisträger

    Helmholtz-Preis 2022, Kategorie „Präzisionsmessungen in der Grundlagenforschung“
    Dr. Soroosh Alighanbari, Dr. Gouri Shankar Giri, Ivan Kortunov, Magnus Roman Schenkel, Prof. Dr. Stephan Schiller

    für ihre Arbeit „Genauste Bestimmung eines fundamentalen Massenverhältnisses und neuartige Tests der Fundamentalphysik mit dem HD+ Molekül mittels einer neuen Technik für die Präzisionslaserspektroskopie von Ionen“

    Die wissenschaftliche Veröffentlichung:
    I. V. Kortunov, S. Alighanbari, M. G. Hansen, G. S. Giri, V. I. Korobov, S. Schiller: Proton–electron mass ratio by high-resolution optical spectroscopy of ion ensembles in the resolved-carrier regime. Nature Physics 17, 569–573 (2021)

    Ansprechpartner:
    Dr. Soroosh Alighanbari, Institut für Experimentalphysik, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, 40225 Düsseldorf, Telefon: (0211) 811-2465, E-Mail: soroosh.alighanbari@hhu.de

    Helmholtz-Preis 2022, Kategorie „Präzisionsmessungen in der angewandten Messtechnik“
    Dr. Nathalie Picqué, Dr. Edoardo Vicentini

    für ihre Arbeit „Hyperspektrale digitale Holographie mit zwei Kämmen“

    Die wissenschaftliche Veröffentlichung:
    N. Picqué, E. Vicentini et al.: Dual-comb hyperspectral digital holography. Nature Photonics 15,
    890–894 (2021), https://doi.org/10.1038/s41566-021-00892-x

    Ansprechpartnerin:
    Dr. Nathalie Picqué, Max-Planck-Institut für Quantenoptik, Hans-Kopfermann-Str. 1, 85748 Garching, Telefon (089) 32905-712, nathalie.picque@mpq.mpg.de


    Images

    „Die Metrologie im Blick“ ist der Slogan des Helmholtz-Preises.
    „Die Metrologie im Blick“ ist der Slogan des Helmholtz-Preises.

    (Foto: PTB)


    Criteria of this press release:
    Journalists
    Chemistry, Electrical engineering, Mechanical engineering, Medicine, Physics / astronomy
    transregional, national
    Contests / awards
    German


     

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