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Es löst aggressive Formen der Leukämie oder eine unheilbare Rückenmarkserkrankung aus, die zur Lähmung führt: Das so genannte HTLV-1-Virus ist das vielfach unbeachtete, aber nicht weniger heimtückische Geschwisterkind des AIDS-Erregers HIV – es zählt ebenfalls zu den Retroviren. Eine Gruppe von Forschenden der TU Dresden, des Unternehmens PROVIREX Genome Editing Therapies und der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) haben nun einen ersten Machbarkeitsnachweis für einen möglichen Therapieansatz erbracht. Ihre Erkenntnisse haben sie im Fachjournal Molecular Therapy veröffentlicht (doi: 10.1016/j.ymthe.2023.03.014).
Weltweit sind etwa 10 bis 20 Millionen Menschen mit dem HTLV-1-Virus infiziert, das zu mehr als 90 Prozent durch sexuelle Kontakte oder über die Muttermilch weitergegeben wird. Besonders häufig kommt das Virus in Japan, Zentralaustralien, Südamerika und Teilen von Afrika sowie des Nahen Ostens vor. Um das Virus einzudämmen, wird beispielsweise in Japan infizierten Müttern geraten, wenig bis gar nicht zu stillen – ein solches Vorgehen würde jedoch in ärmeren Regionen die Gefahr für ungestillte Babys für andere mitunter lebensbedrohliche Krankheiten erhöhen.
Das Virus gehört wie HIV zu den Retroviren und darüber hinaus zu den krebsauslösenden Viren. Nach einer Übertragung baut es sich selbst heimlich in die Zell-DNA bei dem infizierten Menschen ein. Dort schlummert es über Jahrzehnte meist unbemerkt, bis es bei bis zu 10 Prozent der Trägerinnen und Träger zu einer schweren Erkrankung führt: Die Adulte T-Zell-Leukämie/ Lymphom, die HTVL-1-assoziierte Myelopathie und weitere Entzündungskrankheiten gehen auf seine Wirkung zurück.
Die Forschungsgruppe hat nun einen Weg gefunden, dem HTLV-1-Virus zu Leibe zu rücken: Mit Hilfe einer speziellen Genschere, die – anders als die bekannte Genschere CRISPR-Cas9 – auf einem Enzym namens Rekombinase beruht, ist es ihnen im Labor gelungen, das Virus wieder aus der DNA der infizierten Zelle herauszuschneiden. Bei Zellen, bei denen sich das Virus noch nicht vollständig eingebaut hatte, konnte die Designer Rekombinase (RecHTLV) die Infektion massiv erschweren. Was im Labor geglückt ist, bedarf nun noch umfangreicherer weiterer Forschung, bevor sich der therapeutische Ansatz konkretisieren lässt. Doch immerhin ist dieser Erfolg ein wichtiger Schritt auf dem Weg, das Virus einzudämmen.
„Wir sind zuversichtlich, dass diese im Labor herstellte Genschere im Verlauf unserer Forschung weiterentwickelt werden kann. Wir haben bereits mit Blick auf das HI-Virus kontinuierliche Verbesserungen mit Designer-Rekombinasen erzielt – nun gilt es, RecHTLV auch für das HTLV-1-Virus weiter anzupassen, das ja ebenfalls zu den Retroviren gehört und daher ganz ähnlich tickt“, erklärt Prof. Dr. Frank Buchholz von der TU Dresden, der diese Form der Genschere entwickelt hat.
Selbst wenn es einem Forschungsteam nicht sofort gelingt, eine vollständige Heilung zu erreichen, können wesentliche Erfolge erzielt werden: „Wichtig wäre es aus meiner Sicht, einen Weg zu finden, die Viruslast in Patient/-innen abzusenken. Selbst wenn uns nur das gelänge, würde es für Patient/-innen deutlich das Risiko senken, zu den 10 Prozent Betroffenen zu gehören, bei denen eine der schweren Erkrankungen tatsächlich ausbricht“, erklärt PD Dr. Andrea Thoma-Kreß, die am Virologischen Institut – Klinische und Molekulare Virologie des Uniklinikums Erlangen an der FAU am aktuellen Forschungsprojekt mitwirkt. „Auch das Risiko für eine Weitergabe über die Muttermilch ginge bei gesenkter Viruslast zurück.“
Auch der psychologische Aspekt sollte nicht vernachlässigt werden: „Schon das Wissen, infiziert zu sein, führt zu schweren psychischen Belastungen“, sagt PD Dr. Andrea Thoma-Kreß. „Denn die Patientinnen und Patienten leben ja ihr Leben lang unter dem Damoklesschwert eines möglichen Ausbruchs einer Erkrankung.“ Hier könne das Wissen um eine mögliche Therapie schon Wunder wirken.
Das Enzym RecHTLV lässt sich im Augenblick bereits unter Laborbedingungen herstellen. Es wird dann mittels Vektoren in die infizierten Zellen eingebracht. Dort richtet es sich gegen zwei ganz bestimmte, identische DNA-Sequenzen des Virus, die am Übergang zwischen Virus und menschlicher DNA zu finden sind. An diesen Sequenzen schneidet die Rekombinase und macht damit die Integration rückgängig. In je mehr infizierten Zellen dieser Vorgang durchgeführt werden kann, desto besser. „Wir sehen die aktuellen Experimente als einen erfolgreichen und vielversprechenden Machbarkeitsnachweis“, führt Thoma-Kreß aus. „Uns ist bewusst, dass hier noch viel Arbeit zu leisten ist, gerade auch weil die Umgebung der Virusintegration und ähnliches berücksichtigt werden müssen. Aber diese ersten Erfolge motivieren uns weiterzumachen, bis wir das HTLV-1 im Griff haben.“
Weitere Informationen:
PD Dr. Andrea Thoma-Kreß
Andrea.Thoma-Kress@uk-erlangen.de
https://doi.org/10.1016/j.ymthe.2023.03.014
PD Dr. Andrea Thoma-Kreß, Virologisches Institut – Klinische und Molekulare Virologie des Unikliniku ...
Michael Rabenstein
Rabenstein/Uniklinikum Erlangen
Criteria of this press release:
Journalists
Medicine
transregional, national
Research results
German
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