idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Grafik: idw-Logo

idw - Informationsdienst
Wissenschaft

Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instance:
Share on: 
06/15/2023 11:24

Mit den Mitteln der Chemie auf der Suche nach Leben im Weltall

Nina Vogt Stabsstelle Universitätskommunikation / Medienredaktion
Universität Leipzig

    Phosphor gilt als einer der Bausteine des Lebens und wurde bislang noch nie jenseits der Erde entdeckt. Dass sich in einem Ozean unter dem Eis des Saturnmondes Enceladus Phosphorsalze befinden, haben jetzt Wissenschaftler:innen aus Deutschland, Japan und den USA nachgewiesen und ihre Ergebnisse in der Zeitschrift „Nature“ veröffentlicht. Unter ihnen ist Prof. Dr. Bernd Abel vom Institut für Technische Chemie der Universität Leipzig. Welche Rolle Chemiker:innen neuerdings bei der Erforschung des Weltalls spielen, erklärt er im Interview.

    Professor Abel, Sie sind Teil eines internationalen Forschungsteams, das Messergebnisse der Raumsonde Cassini ausgewertet und in Laborexperimenten simuliert hat. Diese Sonde hat von 2004 bis 2017 den Saturn und seine Monde erforscht. Welche Rolle kam Ihnen dabei als Chemiker zu?

    Die meisten Mitglieder des Teams arbeiten bereits seit mehr als zehn Jahren auf diesem speziellen Gebiet sehr erfolgreich zusammen. Während die Entwicklung von Instrumenten eine Domäne der Physik ist, sind lebende Systeme eine Domäne der Biologie. Die Chemie verbindet beides und sie wird auch künftig extrem wichtig sein, um das Konzept der chemischen Evolution von einfachen Molekülen über komplexere chemische Strukturen bis hin zu einfachen lebenden Systemen zu verstehen.

    Wir haben in Leipzig Geräte und Methoden entwickelt, die unabdingbar sind für Laborexperimente zur Interpretation von Massenspektren der Cassini-Sonde. Massenspektren bilden ab, welche Substanzen in einer Probe enthalten sind, und waren der Schlüssel für ein Verständnis der Chemie im Ozean unter der Eiskruste des Enceladus und anderer Monde in unserem Sonnensystem.

    Wir haben außerdem quantenchemische Methoden für die Nachbildung chemischer Prozesse genutzt, dafür gehören zu meinem Team auch Physiker:innen. Die Chemiker:innen in meinem Team, die sich auf physikalische und technische Chemie spezialisiert haben, sind insbesondere auch für die chemische Modellierung und Modellbildung verantwortlich.

    Wir sprechen von Proben, die in über 1,3 Milliarden Kilometer Entfernung „eingesammelt“ wurden. Können Sie kurz erläutern, wie die Messungen vorgenommen wurden und wie Sie die Ergebnisse dann ausgewertet haben?

    Auf der Oberfläche des Saturnmondes Enceladus herrschen minus 200 Grad Celsius und unter der viele Kilometer dicken Eiskruste liegt ein Ozean aus Wasser, auf dessen Grund es um die 90 Grad Celsius heiß werden kann.

    Die Cassini-Sonde untersuchte die Zusammensetzung des Ozeans, indem sie Material im Vorbeiflug analysierte, das von den kryovulkanischen Geysiren am Südpol des Mondes in den Weltraum geschleudert wurde. Mit dem sogenannten Cosmic Dust Analyzer (CDA) an Bord der Sonde wurden unter anderem Massenspektren der untersuchten Eiskörner aufgenommen. Damit war im Prinzip eine chemische Analyse der Bestandteile, also Moleküle, Salze, Elemente, der Eispartikel möglich.

    Diese komplexen Massenspektren galt es nun zu analysieren. Die von uns entwickelte Apparatur im Leipziger Labor und unsere Methoden gestatten eine Simulation der Bedingungen im Weltraum. Wir simulierten also den Einschlag von Eispartikeln auf dem Cosmic Dust Analyzer an Bord der Cassini-Sonde, der typische aber komplexe und unbekannte Muster in den Massenspektren erzeugt hatte. Unsere Laborexperimente ermöglichten uns, diese Muster zu verstehen und ließen interessante Rückschlüsse auf die Chemie in der wässrigen Phase unter dem Eispanzer des Enceladus (und anderer Monde im Sonnensystem) zu.

    Wie wichtig sind die Ergebnisse für die weitere Erforschung des Weltalls? Werden Chemiker:innen auch künftig an ähnlichen Missionen beteiligt sein?

    Mit Phosphor wurde zunächst der letzte noch fehlende elementare Baustein auf Enceladus entdeckt, der für Leben und Lebensformen‚ so wie wir es kennen unabdingbar ist. Die Suche nach Leben wird eine besondere Rolle in zukünftigen Missionen der NASA und ESA spielen. Sicherlich wird man zunächst nach komplexeren Molekülen suchen auf dem Weg hin zu lebenden Systemen.

    Die Jupiter-Icy-Moons-Explorer-Mission der ESA (JUICE) wird zum Beispiel mit einer Reihe von Fernerkundungs-, geophysikalischen und in-situ-Instrumenten detaillierte Beobachtungen des riesigen Gasplaneten und seiner drei Monde – Ganymed, Callisto und Europa – durchführen. Die Mission wird diese Monde sowohl als planetarische Objekte als auch als mögliche Lebensräume erforschen.

    Wie in unserem neuesten Artikel in der Zeitschrift „Nature“ zu lesen ist, kommt der Chemie auf der Suche nach Leben, wie wir es kennen, eine besondere Bedeutung zu. Nur sie ist in der Lage, die große Wissenslücke der chemischen Evolution zwischen einfachen Biomolekülen und ersten komplexen biomolekularen Komplexen bis hin zu ersten einfachen lebenden Organismen zu verstehen.

    Hintergrund:

    Die Entdeckung von Phosphorsalzen im Ozean unter dem Eismantel des Enceladus wurde gerade in der renommierten Fachzeitschrift „Nature“ veröffentlicht. Unter der Leitung eines Forschungsteams von der Freien Universität Berlin waren weitere Teams von Wissenschaftler:innen aus Leipzig, Stuttgart, Japan und den USA an den Ergebnissen beteiligt. Prof. Dr. Bernd Abel ist Professor für Technische Chemie an der Universität Leipzig und forscht zu Materialien und Methoden für Sensortechnik und Energieanwendungen. In dem Forschungsprojekt zur Cassini-Mission war er insbesondere für die Entwicklung von Apparaturen und Methoden für sogenannte „Labor-Analogexperimente“ verantwortlich, mit denen die komplexen Massenspektren der Cassini-Sonde simuliert und schließlich interpretiert werden können. Außerdem war er unter anderem für die Auswertung der Massenspektren mit Hilfe der im Labor aufgenommenen Daten und quantenchemischer Rechnungen zuständig.

    Abel ist auch Mitglied des neuen Sonderforschungsbereichs „Hyperpolarisation in Molekularen Systemen“ (HYP*MOL) an der Universität Leipzig und der TU Chemnitz, der vor Kurzem von der Deutschen Forschungsgemeinschaft bewilligt wurde.


    Contact for scientific information:

    Prof. Dr. Bernd Abel
    Institut für Technische Chemie
    Telefon: +49 341 97-36389
    E-Mail: bernd.abel@uni-leipzig.de
    Web: http://research.uni-leipzig.de/abel


    Original publication:

    "Detection of phosphates originating from Enceladus’s ocean": https://doi.org/10.1038/s41586-023-05987-9


    More information:

    https://www.hypmol.net/ Sonderforschungsbereich HYP*MOL
    https://www.uni-leipzig.de/newsdetail/artikel/millionenfoerderung-fuer-sonderfor... Bewilligung Sonderforschungsbereich HYP*MOL
    https://expertendienst.uni-leipzig.de Expertendienst der Universität Leipzig


    Images

    Prof. Dr. Bernd Abel
    Prof. Dr. Bernd Abel
    Christian Hüller


    Criteria of this press release:
    Journalists
    Chemistry, Physics / astronomy
    transregional, national
    Research results, Scientific Publications
    German


     

    Help

    Search / advanced search of the idw archives
    Combination of search terms

    You can combine search terms with and, or and/or not, e.g. Philo not logy.

    Brackets

    You can use brackets to separate combinations from each other, e.g. (Philo not logy) or (Psycho and logy).

    Phrases

    Coherent groups of words will be located as complete phrases if you put them into quotation marks, e.g. “Federal Republic of Germany”.

    Selection criteria

    You can also use the advanced search without entering search terms. It will then follow the criteria you have selected (e.g. country or subject area).

    If you have not selected any criteria in a given category, the entire category will be searched (e.g. all subject areas or all countries).