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Wissenschaft
Erkenntnisse aus der Fußballweltmeisterschaft in Katar
Sportliche Großereignisse bieten autoritären Regimen die Möglichkeit, sich gegenüber der Bevölkerung anderer Staaten als fortschrittlich und offen zu präsentieren. Diese positive Wirkung auf das Image – kurz „Sportswashing“ – funktioniert allerdings nur in Staaten, in denen es einen Mangel an kritischer Medienberichterstattung gibt. Das zeigt eine Studie am Beispiel der Fußball-Weltmeisterschaft 2022 in Katar.
Um zu untersuchen, ob und wie die Austragung des Fußballturniers das Image Katars beeinflusst hat, führte ein Team von Forschenden des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung (WZB), der Universität Konstanz und des Exzellenzclusters SCRIPTS ein Experiment durch. Im Vorfeld der Fußballweltmeisterschaft wurden 14.000 Menschen aus 8 europäischen Ländern befragt. Ihnen wurden gezielt unterschiedliche Informationen über Katar und das Turnier präsentiert. In einer positiven Version wurde unter anderem die Effizienz Katars bei der Organisation der Weltmeisterschaft betont. Im Gegensatz dazu enthielt die negative Version Berichte über Menschenrechtsverletzungen und Todesfälle, die im Zusammenhang mit den Vorbereitungen für die WM standen. Im neutralen Setting wurden Informationen zum Turnier, zum Beispiel die Anzahl der Spiele, geliefert. Die Befragten sollten ihre Meinung über das Regime in Katar und seine Rolle als Ausrichter des Turniers äußern. Die Ergebnisse zeigen, dass die positiven und die negativen Informationen die Bewertungen der Befragten erheblich beeinflussten, wobei die negativen Informationen einen noch stärkeren Effekt hatten. Menschen, die negative Berichte lasen, bewerteten Katar eher kritisch. Im Gegensatz dazu sahen diejenigen, die positive Eindrücke erhielten, das Land eher in einem positiven Licht.
Vergleicht man die Antworten je nach Ländern, in denen die Befragten leben, zeigt sich, dass die Wirkung der Informationen stark vom jeweiligen Mediensystem abhängt. In Ländern mit weniger Medienvielfalt und -qualität, wie zum Beispiel Ungarn und Rumänien, hatten negative Informationen einen größeren Einfluss. In diesen stärker kontrollierten Mediensystemen waren die Informationen neu und dadurch effektiver. Menschen in Ländern mit einer pluralistischen und unabhängigen Medienlandschaft, wie in Deutschland und Schweden, waren hingegen weniger empfänglich für Einflüsse durch positive wie negative Nachrichten. „In diesen Ländern fand bereits vor der Weltmeisterschaft in Katar eine kritische Debatte in den Medien statt“, erklärt Studienautor Heiko Giebler den Effekt.
„Sportliche Großereignisse sind immer auch politische Ereignisse“, sagt WZB-Direktor Michael Zürn. „Unsere Studie zeigt auf, wie bedeutend es ist, dass eine plurale Berichterstattung solche Sportereignisse begleitet. Wenn wie erwartet die Fußballweltmeisterschaften 2034 nach Saudi Arabien vergeben wird, wird es entscheidend sein, eine kritische Debatte über die Menschenrechtssituation im Land zu führen“, erklärt Eda Keremoǧlu von der Universität Konstanz.
Es ist kein neues Phänomen, dass autoritäre Regime große Sportereignisse ausrichten wollen, um ihr Image im Ausland zu verbessern. Beispiele sind das NS-Regime, das die Olympischen Spiele 1936 in Deutschland als Propaganda-Instrument nutzte, oder die argentinische Militärjunta, die während der Fußball-Weltmeisterschaft 1978 ebenfalls PR-Strategien verfolgte. „Sportswashing wird ein Problem bleiben, auch weil autokratische Regime auf dem Vormarsch sind“, meint Michael Zürn. „Eine differenzierte Berichterstattung kann aber die Effekte des Sportswashing deutlich einschränken.“
Die Studie ist im Journal PLOS ONE erschienen und frei zugänglich.
Johannes Gerschewksi, Heiko Giebler, Sebastian Hellmeier, Eda Keremoǧlu, Michael Zürn (2024): The limits of sportswashing: How the 2022 FIFA World Cup affected attitudes about Qatar.
Prof. Dr. Michael Zürn, Direktor Abteilung Global Governance
michael.zuern@wzb.eu
Dr. Heiko Giebler, Gastforscher Abteilung Transformationen der Demokratie
heiko.giebler@wzb.eu
Claudia Roth, Stellvertretende Leiterin Kommunikation
Tel.: 030 25491510
claudia.roth@wzb.eu
https://journals.plos.org/plosone/article?id=10.1371/journal.pone.0308702
Criteria of this press release:
Journalists, Scientists and scholars, all interested persons
Media and communication sciences, Politics, Social studies
transregional, national
Research results
German
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