idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
06.12.2024 11:12

Kritische Berichterstattung schwächt Wirkung von „Sportswashing“

Claudia Roth Abteilung Kommunikation
Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung gGmbH

    Erkenntnisse aus der Fußballweltmeisterschaft in Katar

    Sportliche Großereignisse bieten autoritären Regimen die Möglichkeit, sich gegenüber der Bevölkerung anderer Staaten als fortschrittlich und offen zu präsentieren. Diese positive Wirkung auf das Image – kurz „Sportswashing“ – funktioniert allerdings nur in Staaten, in denen es einen Mangel an kritischer Medienberichterstattung gibt. Das zeigt eine Studie am Beispiel der Fußball-Weltmeisterschaft 2022 in Katar.

    Um zu untersuchen, ob und wie die Austragung des Fußballturniers das Image Katars beeinflusst hat, führte ein Team von Forschenden des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung (WZB), der Universität Konstanz und des Exzellenzclusters SCRIPTS ein Experiment durch. Im Vorfeld der Fußballweltmeisterschaft wurden 14.000 Menschen aus 8 europäischen Ländern befragt. Ihnen wurden gezielt unterschiedliche Informationen über Katar und das Turnier präsentiert. In einer positiven Version wurde unter anderem die Effizienz Katars bei der Organisation der Weltmeisterschaft betont. Im Gegensatz dazu enthielt die negative Version Berichte über Menschenrechtsverletzungen und Todesfälle, die im Zusammenhang mit den Vorbereitungen für die WM standen. Im neutralen Setting wurden Informationen zum Turnier, zum Beispiel die Anzahl der Spiele, geliefert. Die Befragten sollten ihre Meinung über das Regime in Katar und seine Rolle als Ausrichter des Turniers äußern. Die Ergebnisse zeigen, dass die positiven und die negativen Informationen die Bewertungen der Befragten erheblich beeinflussten, wobei die negativen Informationen einen noch stärkeren Effekt hatten. Menschen, die negative Berichte lasen, bewerteten Katar eher kritisch. Im Gegensatz dazu sahen diejenigen, die positive Eindrücke erhielten, das Land eher in einem positiven Licht.

    Vergleicht man die Antworten je nach Ländern, in denen die Befragten leben, zeigt sich, dass die Wirkung der Informationen stark vom jeweiligen Mediensystem abhängt. In Ländern mit weniger Medienvielfalt und -qualität, wie zum Beispiel Ungarn und Rumänien, hatten negative Informationen einen größeren Einfluss. In diesen stärker kontrollierten Mediensystemen waren die Informationen neu und dadurch effektiver. Menschen in Ländern mit einer pluralistischen und unabhängigen Medienlandschaft, wie in Deutschland und Schweden, waren hingegen weniger empfänglich für Einflüsse durch positive wie negative Nachrichten. „In diesen Ländern fand bereits vor der Weltmeisterschaft in Katar eine kritische Debatte in den Medien statt“, erklärt Studienautor Heiko Giebler den Effekt.

    „Sportliche Großereignisse sind immer auch politische Ereignisse“, sagt WZB-Direktor Michael Zürn. „Unsere Studie zeigt auf, wie bedeutend es ist, dass eine plurale Berichterstattung solche Sportereignisse begleitet. Wenn wie erwartet die Fußballweltmeisterschaften 2034 nach Saudi Arabien vergeben wird, wird es entscheidend sein, eine kritische Debatte über die Menschenrechtssituation im Land zu führen“, erklärt Eda Keremoǧlu von der Universität Konstanz.

    Es ist kein neues Phänomen, dass autoritäre Regime große Sportereignisse ausrichten wollen, um ihr Image im Ausland zu verbessern. Beispiele sind das NS-Regime, das die Olympischen Spiele 1936 in Deutschland als Propaganda-Instrument nutzte, oder die argentinische Militärjunta, die während der Fußball-Weltmeisterschaft 1978 ebenfalls PR-Strategien verfolgte. „Sportswashing wird ein Problem bleiben, auch weil autokratische Regime auf dem Vormarsch sind“, meint Michael Zürn. „Eine differenzierte Berichterstattung kann aber die Effekte des Sportswashing deutlich einschränken.“

    Die Studie ist im Journal PLOS ONE erschienen und frei zugänglich.

    Johannes Gerschewksi, Heiko Giebler, Sebastian Hellmeier, Eda Keremoǧlu, Michael Zürn (2024): The limits of sportswashing: How the 2022 FIFA World Cup affected attitudes about Qatar.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Prof. Dr. Michael Zürn, Direktor Abteilung Global Governance
    michael.zuern@wzb.eu

    Dr. Heiko Giebler, Gastforscher Abteilung Transformationen der Demokratie
    heiko.giebler@wzb.eu

    Claudia Roth, Stellvertretende Leiterin Kommunikation
    Tel.: 030 25491510
    claudia.roth@wzb.eu


    Originalpublikation:

    https://journals.plos.org/plosone/article?id=10.1371/journal.pone.0308702


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wissenschaftler, jedermann
    Gesellschaft, Medien- und Kommunikationswissenschaften, Politik
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).