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Ein neuartiger Wirkstoff schützt Pflanzen zuverlässig vor dem am häufigsten auftretenden Virus in Landwirtschaft und Gartenbau: dem Gurkenmosaikvirus. Entwickelt wurde der Wirkstoff von Forschenden der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU). Er besteht aus RNA-Bausteinen, die das Immunsystem der Pflanzen beim Kampf gegen das Virus unterstützen. Auch bei einer hohen Virenlast überlebten 80 bis 100 Prozent der behandelten Pflanzen eine Infektion im Labor. Über die Forschung berichtet das Team in der Fachzeitschrift "Nucleic Acids Research". Die Arbeit wurde vom Journal als "Breakthrough Article" eingestuft. Das Team arbeitet nun daran, die Idee vom Labor in die Praxis zu übertragen.
Das Gurkenmosaikvirus ist im Pflanzenbau gefürchtet. Etwa 90 Blattlausarten übertragen das Virus, das mehr als 1.200 Pflanzenarten befällt. Dazu zählen auch zahlreiche landwirtschaftliche Nutzpflanzen wie Kürbisse, Gurken, Getreide sowie Heil- und Gewürzpflanzen. Schnell zu erkennen ist das Virus anhand des charakteristischen, mosaikartigen Musters auf den Blättern der befallenen Pflanzen. Diese entwickeln sich schlecht, ihre Erträge können nicht vermarktet werden. Ein Pflanzenschutzmittel gegen das Virus ist in Deutschland nicht zugelassen. Langfristig könnte hier die neue Arbeit der MLU-Forschenden Hilfe versprechen. Die Grundidee: die pflanzliche Abwehr gegen das Virus in die richtige Richtung zu lenken.
Befällt ein Virus eine Pflanze, nutzt es deren Zellen als Wirt. Es bringt sein Erbgut in Form von Ribonukleinsäure-Molekülen (RNAs) in die Pflanzenzellen ein, um sich zu vermehren. Dort lösen diese fremden RNA-Moleküle eine erste Abwehrreaktion des Immunsystems aus: Spezielle Enzym-Scheren erkennen die Virus-RNAs und zerschneiden sie. Dabei entstehen "small interfering RNAs" (siRNAs). Diese können sich in der Pflanze verbreiten und eine zweite Stufe der pflanzlichen Verteidigung einleiten. Dabei binden die siRNA-Moleküle an spezielle Proteinkomplexe und leiten diese zu den Virus-RNAs. Dort beginnen die Proteine damit, die schädlichen Virus-RNA-Moleküle in harmlose Teile zu zerlegen und abzubauen.
"Insgesamt ist dieser Abwehrprozess nicht besonders effektiv. Bei einer Virusinfektion entstehen sehr viele verschiedene siRNA-Moleküle, von denen nur die wenigsten eine Schutzwirkung haben", sagt Prof. Dr. Sven-Erik Behrens vom Institut für Biochemie und Biotechnologie der MLU. Sein Team hat eine Methode entwickelt, um gezielt effiziente siRNA-Moleküle zu identifizieren. In einem neu entwickelten Verfahren lassen sich verschiedene dieser effizienten siRNA-Moleküle weiterverarbeiten und in so genannten effizienten doppelsträngigen RNA-Molekülen (edsRNAs) kombinieren. Diese edsRNAs dienen quasi als Paket, das in den Pflanzenzellen wieder in die effizient antiviral wirksamen siRNAs zerlegt wird. Diese können dann vor Ort ihre schützende Wirkung entfalten.
In zahlreichen Laborexperimenten an der Modellpflanze Nicotania benthamiana konnte das Team zeigen, dass edsRNA-Wirkstoffe zuverlässig gegen das Gurkenmosaikvirus schützen. "Wir haben in unseren Experimenten eine sehr hohe Virenlast verwendet, die alle unbehandelten Pflanzen sterben lässt", sagt Behrens. Waren die Pflanzen behandelt, überlebten 80 bis 100 Prozent. Der besondere Vorteil des edsRNA-Wirkstoffs: Beim Zerlegen des Pakets entstehen mehrere effiziente siRNA-Moleküle, die ausschließlich das Virus an verschiedenen Stellen attackieren. So steigt die Schutzwirkung erheblich. "RNA-Viren wie das Gurkenmosaikvirus sind gefährlich, weil sie sich schnell weiterentwickeln können. Außerdem besteht das Erbgut dieses Virus aus drei separaten Teilen, was die Chance auf neue Mutationen weiter erhöht. Um einen maximalen Schutz gegen das Virus zu erreichen, setzen unsere Substanzen deshalb an verschiedenen Stellen des Erbguts an", sagt Behrens. Außerdem hat das Team das Verfahren optimiert und kann den Wirkstoff innerhalb von zwei bis vier Wochen an Mutationen anpassen. "Zeit ist ein sehr wichtiger Faktor: Wenn eine neue Virenvariante auftaucht, können wir sehr schnell neue RNA-Ziele ausmachen und den Wirkstoff entsprechend verändern", erklärt Behrens. Der Ansatz lässt sich dem Forscher zufolge auch auf andere Krankheitserreger übertragen.
Bislang wird der Wirkstoff im Labor in Pflanzenblätter gespritzt oder in die Pflanzen eingerieben. Das Team erforscht in Kooperation mit dem Pharmazeuten Prof. Dr. Karsten Mäder von der MLU, wie sich die RNA-Wirkstoffe haltbarer machen lassen und gleichzeitig besser in die Pflanzen gebracht werden können. Denkbar wäre dann zum Beispiel, sie als Spray auf die Pflanzen aufzubringen. Gleichzeitig planen die Forschenden Feldversuche, um die RNA-Wirkstoffe auf Ackerflächen zu testen. Und sie sind mit Unternehmen im Gespräch, die die Wirkstoffe künftig im industriellen Maßstab herstellen könnten. Außerdem müsste ein mögliches neues Pflanzenschutzmittel noch einen Zulassungsprozess durchlaufen. Bis ein fertiges Mittel gegen das Gurkenmosaikvirus auf den Markt kommen könnte, bedarf es also noch etwas Zeit. "Wir sind aber davon überzeugt, dass unser Ansatz auch in der Praxis funktionieren kann. Das erste Pflanzenschutzmittel auf der Basis eines RNA-Wirkstoffes ist kürzlich in den USA zugelassen worden", sagt Behrens.
Die Redaktion von "Nucleic Acids Research" stuft die Arbeit der MLU-Forscherinnen und -Forscher als "Breakthrough Article" ein. Dieses besondere Label erhalten jährlich nur zwei bis drei Prozent der in "Nucleic Acids Research" veröffentlichten Artikel. 2024 erschienen etwa 1.300 Aufsätze in dem Journal.
Gefördert wurde die Arbeit von der Deutschen Forschungsgemeinschaft, dem Bundesministerium für Bildung und Forschung sowie vom Land Sachsen-Anhalt.
Studie: Knoblich M. et al. A new level of RNA-based plant protection - dsRNAs designed from functionally characterized siRNAs highly effective against Cucumber Mosaic Virus. Nucleic Acids Research (2025). doi: 10.1093/nar/gkaf136
https://academic.oup.com/nar/article-lookup/doi/10.1093/nar/gkaf136
Mit Hilfe des neuen Wirkstoffs der MLU-Forscher können Pflanzen leicht gegen das Gurkenmosaikvirus g ...
Uni Halle / Heiko Rebsch
Der Wirkstoff schützt Pflanzen zuverlässig vor dem Gurkenmosaikvirus. Beide Pflanzen wurden mit dem ...
Uni Halle / Heiko Rebsch
Criteria of this press release:
Journalists
Biology, Chemistry, Environment / ecology, Zoology / agricultural and forest sciences
transregional, national
Research results
German
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