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11/19/2025 16:41

Psychische Krankheiten besser diagnostizieren

Dr.rer.nat. Arne Claussen Stabsstelle Presse und Kommunikation
Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf

    Neurowissenschaften: Veröffentlichung in Science Advances

    Wie können verschiedene verwandte psychische Erkrankungen mit ähnlichen Symptomen sicher voneinander unterschieden werden? Forschende mehrerer chinesischer Einrichtungen haben unter Beteiligung der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf (HHU) und des Forschungszentrums Jülich einen Unterscheidungsbaum für eine sicherere Diagnostik entwickelt. Sie nutzen dazu verschiedene diagnostische Techniken und Künstliche Intelligenz (KI). Die Ergebnisse helfen, Diagnosen erheblich präziser zu erstellen, wie die Autoren in der Fachzeitschrift Science Advances beschreiben.

    Menschen mit Schizophrenie, bipolarer Störung mit psychotischen Symptomen oder schizoaffektiver Störung zeigen teilweise sehr ähnliche Anzeichen: Halluzinationen, Wahnvorstellungen, Stimmungsschwankungen oder Realitätsverlust. Trotzdem handelt es sich um unterschiedliche Erkrankungen, die auch unterschiedlich behandelt werden müssen.

    Eine chinesisch-deutsche Kooperation zwischen der University of Electronic Science and Technology of China in Chengdu und der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf fand nun heraus, was genau die Krankheitsbilder im Gehirn unterscheidet, welche Gemeinsamkeiten bestehen und anhand welcher objektiver Merkmale im Gehirn die Krankheiten eindeutig diagnostiziert und die Schwere der Erkrankung eingeschätzt werden können. Beteiligt waren Prof. Dr. Simon Eickhoff und Mitarbeitende von der HHU (Institut für Systemische Neurowissenschaften) und vom Forschungszentrum Jülich (INM-7).

    Genutzt wurden Messungen der elektrischen Aktivität des Gehirns mittels EEG (Elektroenzephalografie), unterschiedliche molekulare Informationen wie Botenstoffe oder genetische Aktivität und KI-Systeme, um Muster in den Daten zu erkennen. Auf dieser Grundlage untersuchten die Forschenden zum einen den Datenverlauf bei einzelnen Patientinnen und Patienten (sogenannte „individuelle Gehirnnetzwerke“), zum anderen suchten sie Muster in größeren Patientengruppen („gemeinsame Gehirnnetzwerke“).

    In beiden Netzwerken lieferten die Verbindung verschiedener Daten wichtige Diagnoseinformationen. Die individuellen Netzwerke gaben Aufschluss über die Schwere von Symptomen wie Denkstörungen oder Stimmungsschwankungen. Aus den gemeinsamen Netzwerken konnten Marker abgeleitet werden, um die Krankheitsbilder mit rund 80-prozentiger Genauigkeit korrekt zu diagnostizieren. Dies ist genauer und objektiver als gebräuchliche Diagnosemethoden wie Beobachtungen durch Ärzte oder Gesprächseindrücke.

    Darüber hinaus fanden die Forschenden Ansätze für weitere Untersuchungen. Sie stellten Unterschiede in den Serotonin- und Dopaminsystemen des Gehirns zwischen den verschiedenen Krankheitsbildern fest. Gerade dies sind die Botenstoffe, die bei der Behandlung durch viele Psychopharmaka beeinflusst werden.

    Ferner zeigte die Studie, dass bestimmte Zellen im Gehirn, die Astrozyten – die unter anderem ein stützendes Korsett für die Neuronen bilden und wichtig für deren Versorgung sind – und solche Gene, die die Bildung von Synapsen und die Signalübertragung steuern – eine wichtige Rolle bei den Erkrankungen spielen. In den von den Erkrankungen betroffenen Regionen sind Gene besonders aktiv, die für die Stabilisierung und Neubildung von Synapsen wichtig sind. Spielen Astrozyten und Synapsen nicht mehr korrekt zusammen, kann dies die Erkrankungen auslösen oder zumindest beeinflussen.

    Prof. Eickhoff: „Wir identifizierten objektive, messbare Gehirnmerkmale, mit denen psychische Erkrankungen besser voneinander abgegrenzt werden können. Dies kann ein wichtiger Schritt sein, um Diagnosen präziser und schneller stellen zu können und Betroffene zielgerichtet zu behandeln.“

    Prof. Dr. Sarah Genon, Koautorin der Studie, ergänzt: „Darüber hinaus verdeutlicht die Studie, dass KI und neurobiologische Daten gemeinsam helfen können, die komplexen Unterschiede zwischen psychischen Erkrankungen besser zu verstehen.“

    Die Arbeit wurde in Kooperation mit dem langjährigen Partner und ehemaligem Mitarbeiter Dr. Debo Dong durchgeführt. Die HHU und das Forschungszentrum Jülich unterstützten die Studie bei Datenanalyse, Interpretation und wissenschaftlicher Ausarbeitung.

    Unterscheidung der Krankheiten

    Die Schizophrenie ist eine psychische Erkrankung, bei der Wahrnehmung und Denken aus dem Gleichgewicht geraten. Typisch sind Symptome wie Halluzinationen, Wahnvorstellungen, Denkstörungen oder ein starker Rückzug aus dem sozialen Leben.

    Bei bipolaren Störungen mit psychotischen Symptomen wechseln sich Phasen ungewöhnlich gehobener Stimmung (Manie) und tiefer Depression ab. In besonders ausgeprägten Phasen können psychotische Symptome auftreten, etwa verzerrte Wahrnehmungen oder starke Realitätsverluste, die meist an die jeweilige Stimmungslage gebunden sind.

    Die schizoaffektive Störung verbindet Merkmale der Schizophrenie mit deutlichen Stimmungsstörungen. Betroffene erleben gleichzeitig oder kurz nacheinander psychotische Symptome und depressive oder manische Episoden, was die Diagnose oft besonders schwierig macht.


    Original publication:

    Fali Li, Guangying Wang, Sarah Genon, Simon B. Eickhoff, Runyang He, Chanlin Yi, Debo Dong, Dezhong Yao, Lin Jiang, Wei Wu, Peng Xu; Mapping neurophysiological and molecular profiles of heterogeneity and homogeneity in schizophrenia-bipolar disorder; Science Advances 11, eadz0389 (2025).

    DOI: 10.1126/sciadv.adz0389


    Images

    Prof. Dr. Sarah Genon und Prof. Dr. Simon Eickhoff untersuchten zusammen mit Forschenden aus China nach objektiven, messbaren Gehirnmerkmalen, mit denen psychische Erkrankungen besser voneinander abgegrenzt werden können.
    Prof. Dr. Sarah Genon und Prof. Dr. Simon Eickhoff untersuchten zusammen mit Forschenden aus China n ...

    Copyright: Forschungszentrum Jülich / Sascha Kreklau


    Criteria of this press release:
    Journalists, Scientists and scholars
    Medicine
    transregional, national
    Research results, Scientific Publications
    German


     

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