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Einen neuen vielversprechenden Wirkstoff gegen Tuberkulosebakterien haben Forschende der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) entwickelt. Im Labor stellte das Team eine Verbindung her, die die Energieproduktion der Krankheitserreger hemmt und sie absterben lässt. Etablierte Medikamente wirken auf ähnliche Weise, allerdings wird der Erreger zunehmend resistent gegen diese Arzneimittel. Die Ergebnisse der Studie, an der weitere Forschende aus Deutschland, den USA und Kanada beteiligt waren, wurden im „Journal of Medicinal Chemistry“ veröffentlicht.
Die Tuberkulose ist eine der schwerwiegendsten Infektionskrankheiten weltweit. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) geht von rund acht Millionen Neuerkrankungen und über einer Million Todesfälle allein im Jahr 2024 aus. „Eine Lungenerkrankung durch Mycobacterium tuberculosis verläuft häufig tödlich, wenn sie nicht mit antimykobakteriellen Medikamenten behandelt wird“, sagt Dr. Adrian Richter vom Institut für Pharmazie der MLU, der seit mehreren Jahren an Wirkstoffen gegen Mykobakterien forscht.
Ein etabliertes Medikament gegen Tuberkulose ist Bedaquilin, das nach einem strengen Therapieschema über mehrere Monate verabreicht wird. „Bedaquilin hemmt die Aktivität der sogenannten ATP-Synthase des Erregers. Das ist ein komplexes Enzym, das für die Energieproduktion in den Bakterien zuständig ist. Wird dieses Enzym ausgeschaltet, stirbt das Bakterium ab“, erklärt Richter. Das Problem: Es treten bereits Resistenzen gegen das Antibiotikum Bedaquilin auf, obwohl es erst seit zehn Jahren breitere Anwendung findet.
Ein Team um Adrian Richter hat jetzt einen Wirkstoff synthetisiert, der das Potenzial hat, sogar gegen resistente Tuberkulose-Erreger eingesetzt zu werden. Auch er richtet sich gegen die ATP-Synthase der Bakterien, allerdings greift er eine andere Stelle des Enzyms an als Bedaquilin. „Die chemische Basis bilden sogenannte Quadratsäureamide. Die Verbindungen werden so bezeichnet, weil ihre Grundstruktur tatsächlich quadratisch ist. Ihr chemischer Aufbau ermöglicht es, verschiedene Molekülgruppen zu integrieren und die Eigenschaften in einer Art chemischem Finetuning gezielt zu verändern“, sagt Richter. An Quadratsäureamiden wird seit einigen Jahren geforscht, wegen metabolischer Instabilität und Toxizität gegenüber Körperzellen sind die bisher synthetisierten Vertreter jedoch nicht als Arzneistoffe geeignet.
Der neue Wirkstoff mit dem Code PRP020 besitzt diese Nachteile nicht. Er ist der aussichtsreichste Kandidat aus vielen Varianten, die im Rahmen der Studie an der MLU hergestellt wurden. Anschließende Tests sowohl an Tuberkulose-Bakterien als auch an isolierten ATP-Synthase-Enzymen der Bakterien bescheinigten PRP020 eine hohe Wirksamkeit. Weitere Untersuchungen zeigten darüber hinaus, dass der Wirkstoff für Säugetierzellen nicht toxisch ist und von Leberenzymen nur langsam abgebaut wird. Unterstützt wurde das hallesche Team von Forschenden des Leibniz Lungenzentrums Borstel, des Helmholtz-Instituts für Pharmazeutische Forschung Saarland sowie weiterer wissenschaftlicher Einrichtungen in Deutschland, den USA und Kanada.
Nach den erfolgreichen Vorarbeiten im Labor hoffen die Pharmazeutinnen und Pharmazeuten auf einen raschen Einstieg in die nächste Phase der Forschung: Versuche in Tiermodellen sollen zeigen, wie sich der Wirkstoffkandidat in einem lebenden Organismus verhält. Erst danach kann er in klinischen Studien an Patientinnen und Patienten getestet werden. „Wir sind optimistisch, aber wir müssen auch klar sagen: Ob aus unseren Substanzen ein marktreifes Medikament entwickelt werden kann, lässt sich vermutlich erst in einigen Jahren genauer sagen“, erklärt Richter. Die Erprobung und Entwicklung neuer Medikamente sei ein komplexer, langwieriger und kostspieliger Prozess, der am Ende von der Pharmaindustrie durchgeführt wird.
Die neuen Wirkstoffe auf Quadratsäureamid-Basis greifen indes nicht nur Tuberkulose-Erreger an. Adrian Richter hat auch weitere Mykobakterien im Blick, beispielsweise Mycobacterium avium. Dieser Keim, der von Natur aus gegen viele antibakterielle Stoffe resistent ist, nistet sich häufig in der Lunge von Mukoviszidose-Patientinnen und -Patienten ein und verursacht dort schwere Gewebsschädigungen. „Unsere Tests zeigen zwar noch nicht die gleichen starken Effekte wie gegen Tuberkulose-Bakterien, aber der Angriff auf die ATP-Synthase von Mykobakterien ist generell vielversprechend. Diesen Weg werden wir weiterverfolgen“, so Adrian Richter.
Die Arbeit wurde von der Deutschen Forschungsgemeinschaft, von der Gates Foundation, von den kanadischen Institutes of Health Research, im Rahmen des Programms „Canada Research Chairs Program“ sowie im Rahmen eines „Hospital for Sick Children“-Stipendiums und im Rahmen des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung gefördert.
Studie: Palme P.R. et al. Design, Synthesis, and Biological Evaluation of Mono- and Diamino-Substituted Squaramide Derivatives as Potent Inhibitors of Mycobacterial Adenosine Triphosphate (ATP) Synthase. Journal of Medicinal Chemistry (2025). doi: 10.1021/acs.jmedchem.5c02284
https://doi.org/10.1021/acs.jmedchem.5c02284
Criteria of this press release:
Journalists, all interested persons
Biology, Chemistry, Medicine
transregional, national
Research results
German

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