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10/12/2004 10:52

Warum der EU-Beitritt der Türkei für Europa wichtig ist

HU- Pressestelle Kommunikation, Marketing und Veranstaltungsmanagement
Humboldt-Universität zu Berlin

    Prof. Dr. Herfried Münkler plädiert in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift "UNIVERSITAS" für den Beitritt der Türkei zur Europäischen Union

    In der aktuellen Debatte um den EU-Beitritt der Türkei spielen kulturelle und ökonomische Argumente die Hauptrolle. Geopolitische Überlegungen werden dagegen nur selten ins Spiel gebracht, wiewohl sie, wie Professor Münkler betont, mittel- und langfristig von größerem Gewicht sein dürften als die Frage, was die Westeuropäer in kultureller Hinsicht mit den Türken verbindet und welche finanziellen Belastungen kurzfristig bei einem EU-Beitritt der Türkei auf die Kassen der Europäischen Union zukämen.

    Die Türkei hat seit Anfang der neunziger Jahre drei geopolitische Optionen: die Zugehörigkeit zu Europa, die Annäherung an die arabisch-islamische Welt sowie eine Dominanzstellung gegenüber den Turkvölkern im zentralasiatischen Raum. Es steht außer Frage, dass Europa für die Türkei die attraktivste Option darstellt, und dementsprechend haben die wirtschaftlichen und politischen Eliten der Türkei auf die europäische Karte gesetzt. Wenn diese Karte nicht sticht, weil die Europäer den Beitritt hinauszögern oder verweigern, werden, so Herfried Münkler, die beiden alternativen Optionen schnell an politischem Zulauf gewinnen. Die beiden anderen Optionen, die islamische wie die großtürkische, hätten verheerende Folgen für die Stabilität der europäischen Südostflanke. Auch wenn unwahrscheinlich ist, dass die Türkei eine Dominanz über die zentralasiatischen Turkvölker tatsächlich herstellen könnte, so dürfte allein der Versuch dazu einen Krisenherd schaffen, der in Verbindung mit den Problemen der Kaukasusregion sehr schnell gefährliche Ausmaße annehmen würde. Gerade die Europäer haben ein vitales Interesse daran, dass die Probleme des Nahen Ostens, eingeschlossen den Irak, und die des südlichen Rands der ehemaligen Sowjetunion nicht zusammenfließen. Neben einem stabilen Iran ist vor allem die Türkei ein Sperrriegel zwischen beiden Krisenregionen. Würde die Türkei nach einem verweigerten EU-Beitritt die großtürkische Karte spielen, so würde dieser Riegel geöffnet. Die Europäer hätten darauf keinen entscheidenden Einfluss, sondern müssten zusehen, ob die USA, nicht nur der stärkste Machtfaktor in der Region, sondern dann auch wieder wichtigster Partner der Türkei, das Öffnen oder Geschlossenhalten dieses Riegels für attraktiver halten.
    Aber auch die andere Option, die Annäherung der Türkei an die islamische Welt, dürfte für die Europäer unerfreuliche Konsequenzen haben. Der Nahe und Mittlere Osten ist seit einigen Jahrzehnten die Wetterecke der Weltpolitik, in der die größten Spannungen anzutreffen sind und die meisten Kriege geführt werden. Mit dem EU-Beitritt der Türkei, so ist zu hören, bekomme man eine direkte Grenze zu diesem Raum. Auch deswegen sei vom EU-Beitritt der Türkei abzuraten. Die entgegengesetzte Schlussfolgerung, so Münkler, ist die zwingendere, denn mit der dann zu erwartenden Annäherung der Türkei an diesen Raum würde diese Krisenregion näher ans europäische Zentrum heranrücken. Dass eine aus Europa herausgehaltene Türkei auf Dauer ein Puffer zwischen Europa und der arabisch-islamischen Welt sein werde, wie viele Beitrittsgegner meinen, ist politisch naiv: Es wird auf längere Sicht keinen Puffer zwischen Europa und der islamischen Welt geben, sondern eine direkte Grenze. Die Frage ist allein, wo sie verläuft und welche Chancen die Europäer infolgedessen haben, auf die politische und wirtschaftliche Entwicklung des arabisch-islamischen Raumes Einfluss zu nehmen. Die EU-Zugehörigkeit der Türkei erhöht die Möglichkeiten einer pro-aktiven Politik der Europäer in der arabischen Welt. Das ist nicht ohne Risiko. Aber die Risiken im Falle einer Abweisung der Türkei durch die EU wären um ein Vielfaches größer.

    Informationen Dirk Katzschmann, UNIVERSITAS
    Telefon, Fax 0711 - 2582 240
    e-mail universitas@hirzel.de
    Internet www.hirzel.de/universitas


    More information:

    http://www.hirzel.de/universitas


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    Criteria of this press release:
    Law, Politics, Social studies
    transregional, national
    Scientific Publications
    German


     

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