idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Grafik: idw-Logo

idw - Informationsdienst
Wissenschaft

Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instance:
Share on: 
05/28/2019 13:43

"Aus Gründen der Verständlichkeit"

Janos Krüger Presse und Kommunikation
Technische Universität Braunschweig

    Viele Texte beginnen mit Generalklauseln wie „Aus Gründen der Verständlichkeit werden im Text nur männliche Formen verwendet. Frauen sind selbstverständlich immer mitgemeint.“ Eine Studie des Instituts für Pädagogische Psychologie der Technischen Universität Braunschweig hat in einem Experiment geprüft, ob geschlechterbewusste Sprache die Textverständlichkeit tatsächlich beeinträchtigt. Die Ergebnisse der Studie wurden in der aktuellen Ausgabe des „Swiss Journal of Psychology“ veröffentlicht.

    Seit mehreren Jahrzehnten wird darüber gestritten, wie die Geschlechter in Texten repräsentiert werden sollten. Befürworterinnen und Befürworter des sogenannten „generischen Maskulinums“ argumentieren, dass es eine im Deutschen gut etablierte Regel sei, männliche Formen zu verwenden, wenn sowohl Männer als auch Frauen gemeint sind und dass die Texte dadurch einfacher und verständlicher würden. Die Befürworterinnen und Befürworter geschlechterbewusster Sprache argumentieren hingegen, dass die Verwendung männlicher Formen für beide Geschlechter die Rechte, Interessen und Leistungen von Frauen weniger sichtbar macht.

    Tatsächlich belegen zahlreiche Studien, dass die Verwendung männlicher Formen bei den Lesenden vor allem Vorstellungen von Männern hervorruft. Wenn im Text hingegen sowohl männliche als auch weibliche Formen oder neutrale Formen verwendet werden, ruft dies deutlich ausgewogenere Vorstellungen von Männern und Frauen hervor. Experimente zeigen zum Beispiel auch, dass die Wahrscheinlichkeit, dass eine Frau für eine Position im Management als passend und geeignet angesehen wird, signifikant höher ist, wenn in der Stellenausschreibung sowohl die männliche als auch die weibliche Form verwendet wird – verglichen mit einer identischen Stellenausschreibung, die nur männliche Formen verwendet.

    Dr. Marcus C. G. Friedrich und Prof. Dr. Elke Heise von der TU Braunschweig haben ein Experiment durchgeführt, in dem sie geprüft haben, ob eine geschlechterbewusste Sprache Texte – wie so oft behauptet – tatsächlich weniger verständlich macht. Untersucht wurde ein authentischer Stromliefervertrag eines deutschen Stromversorgers. Der Original-Text besteht aus 938 Wörtern und verwendet nur männliche Formen. An 39 Stellen steht „Kunde“, „Kontoinhaber“ oder „er“. Um den Text in eine geschlechterbewusste Sprache zu übersetzen, wurden diese Stellen einfach systematisch durch sogenannte Beidnennungen ersetzt, z. B. „Kunde oder Kundin“. Dieser Text besteht aus 1.013 Wörtern.

    Zwei Experten für Textverständlichkeit bewerteten den Original-Text allerdings als unnötig kompliziert. Sie erarbeiteten daher eine verständlichere Version des Original-Textes (1.364 Wörter). Auch von dieser optimierten Version des Stromliefervertrags wurde eine geschlechterbewusste Version erzeugt (1.519 Wörter).

    In einem Experiment wurde dann 355 Studierenden per Zufall eine der vier Versionen des Stromliefervertrags vorgelegt. Anschließend bewerteten die Versuchspersonen die Verständlichkeit des Textes, den sie vorher gelesen hatten. Die Ergebnisse zeigen, dass es keine Unterschiede zwischen den Versionen gab, die nur männliche Formen verwendeten, und den Versionen, die sowohl männliche als auch weibliche Formen verwendeten.

    Es zeigten sich allerdings große Unterschiede zwischen den zwei Versionen des Original-Textes und den beiden optimierten Versionen: Die optimierten Versionen wurden als deutlich verständlicher bewertet. Die Ergebnisse sollen in Zukunft mit anderen Personengruppen noch einmal geprüft werden, zum Beispiel an Schülerinnen und Schülern. Die Ergebnisse stehen im Einklang mit früheren Studien zum Einfluss geschlechterbewusster Sprache und Textverständlichkeit und sprechen dafür, dass eine geschlechtergerechte Sprache – durch Beidnennungen – Texte nicht unverständlicher macht.


    Contact for scientific information:

    Dr. Marcus Friedrich
    Technische Universität Braunschweig
    Institut für Pädagogische Psychologie
    Bienroder Weg 82
    38106 Braunschweig
    Tel.: 0531/391-94011
    E-Mail: m.friedrich@tu-braunschweig.de
    Web: https://www.tu-braunschweig.de/ipp/team/friedrich


    Original publication:

    Friedrich, M. C. G. & Heise, E. (2019). Does the use of gender-fair language influence the comprehensibility of texts? An experiment using an authentic contract manipulating single role nouns and pronouns. Swiss Journal of Psychology, 78, 51-60. https://doi.org/10.1024/1421-0185/a000223


    Images

    Symbolbild: Geschlechterbewusste Sprache.
    Symbolbild: Geschlechterbewusste Sprache.
    János Krüger/TU Braunschweig
    None


    Criteria of this press release:
    Journalists, all interested persons
    Language / literature, Psychology, Social studies
    transregional, national
    Miscellaneous scientific news/publications, Research results
    German


     

    Help

    Search / advanced search of the idw archives
    Combination of search terms

    You can combine search terms with and, or and/or not, e.g. Philo not logy.

    Brackets

    You can use brackets to separate combinations from each other, e.g. (Philo not logy) or (Psycho and logy).

    Phrases

    Coherent groups of words will be located as complete phrases if you put them into quotation marks, e.g. “Federal Republic of Germany”.

    Selection criteria

    You can also use the advanced search without entering search terms. It will then follow the criteria you have selected (e.g. country or subject area).

    If you have not selected any criteria in a given category, the entire category will be searched (e.g. all subject areas or all countries).