Deutscher Schmerzkongress Berlin, 9. Oktober 2008
Förderpreis für Schmerzforschung an Münchner Forscher verliehen
Eine über 40 Jahre alte Theorie zur Funktion von Schmerzrezeptoren (Nozizeptoren) haben Münchner Forscher widerlegt und damit möglicherweise einen Angriffspunkt für neue Schmerzmedikamente ausgemacht. Sie fanden heraus, dass Schmerznervenzellen ihre natürliche Hemmung zur Verhinderung chronischer Schmerzen einer Inaktivierung von Natriumkanälen verdanken - nicht wie bisher angenommen einer gesteigerten Aktivität der Natrium-Kalium-Ionenpumpe, einem Enzym in der Zellmembran.
Für ihre Studie wurden die Wissenschaftler um Dr. Richard Carr und Dr. Roberto De Col beim Deutschen Schmerzkongress in Berlin mit dem mit 1.750 Euro dotierten zweiten Preis der Kategorie Grundlagenforschung des Förderpreises für Schmerzforschung 2008 ausgezeichnet. Der Preis wird jährlich vergeben von der Deutschen Gesellschaft zum Studium des Schmerzes e.V. Stifterin ist die Grünenthal GmbH (Aachen).
40 Jahre falscher Annahmen
Nervenzellen, die Schmerzreize vermitteln, sind bei gesunden Menschen anpassungsfähig: Werden sie aktiviert, tritt eine natürlich Hemmung in Kraft, die verhindert, dass weitere Signale ausgesandt werden können und die Weiterleitung von Signalen verlangsamt. Seit über 40 Jahren nahm man an, dass diese Hemmung, die das Entstehen chronischer Schmerzen verhindert, auf einer gesteigerten Aktivität der Natrium-Kalium-Ionenpumpe (Na, K-ATPase) beruht. Sie befördert Natrium-Ionen aus der Zelle heraus und Kalium-Ionen hinein und hilft so ein elektrisches Potential aufzubauen, das zur Signalerzeugung gebraucht wird. Jetzt zeigte sich aber, dass stattdessen Natriumkanäle inaktiviert werden, so dass der Einstrom von Natrium-Ionen in die Zelle blockiert wird. Diese Kanäle - drei verschiedene Subtypen werden überwiegend in Schmerznervenzellen gebildet - rücken somit in den Fokus der Forschung.
Neue Möglichkeiten für Diagnostik und Therapie
Zum einen lässt sich ihre Aktivität leicht messen. Das eröffnet die Möglichkeit neuer diagnostischer Verfahren, die bei Schmerzpatienten die Ursachen der Schmerzkrankheit entlarven könnten. Von einigen seltenen Schmerzkrankheiten ist bekannt, dass Mutationen in dem Gen vorliegen, das den Bauplan für die Natriumkanäle enthält. Andererseits bieten sich die Natriumkanäle als Zielscheibe für Schmerzmedikamente an. Unspezifische Natriumkanalblocker wie das Lokalanästhetikum Lidocain werden im klinischen Alltag schon erfolgreich eingesetzt. Spezifische Natriumkanalblocker könnten sich gezielt gegen die drei in Schmerznervenzellen gebildeten Kanäle richten. "Da Natriumkanäle in alle erregbaren Zelltypen produziert werden, ist die Verabreichung von unspezifischen Natriumkanalblockern mit Nebenwirkungen verbunden", erklärt Dr. Richard Carr. "So kann zum Beispiel Lidocain in zu hoher Konzentration zu lebensbedrohlichen Herzrhythmusstörungen führen." Ein Natriumkanalblocker, der ausschließlich auf Natriumkanalsubtypen in Nozizeptoren wirkt, könnte diese Nebenwirkungen umgehen und somit in ausreichender Dosierung sehr wirkungsvoll den Schmerz hemmen.
Titelaufnahme
Roberto De Col, Karl Messlinger and Richard W. Carr: Conduction velocity is regulated by sodium channel inactivation in unmyelinated axons innervating the rat cranial meninges. In: The Journal of Physiology, Volume 586 Issue 4, Pages 1089-1103, DOI: 10.1113/jphysiol.2007.145383
Ansprechpartner
Dr. Richard Carr, Institut für Physiologische Genomik, Ludwig-Maximilians-Universität, Pettenkoferstraße 12, 80336 München, Tel. 089/218075-221/241, E-Mail: Richard.Carr@med.uni-muenchen.de
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Medizin
überregional
Forschungsergebnisse, Personalia
Deutsch
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