Auf 200 Jahre Frauenheilkunde an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg kann in diesem Jahr zurückgeblickt werden. Eine Festveranstaltung am 19. November 2008 bietet einen Rückblick auf die wechselvolle Geschichte. Die Geschichte der universitären Frauenklinik begann im Jahre 1808, als durch Jerome Napoleon, König von Westfalen, die hallesche Hochschule nach temporärer Schließung wiedereröffnet wurde. Zum Direktor bestellte man den in Halle lebenden praktischen Arzt und Geburtshelfer Carl Friedrich Senff (1776-1816) und ernannte ihn zum außerordentlichen Professor der Medizin.
Zum 200. Mal jährt sich in diesem Jahr die Gründung des Lehrstuhls Frauenheilkunde an der halleschen Universität. Mit einer Festveranstaltung feiern die Universitätsklinik und Poliklinik für Gynäkologie beziehungsweise Geburtshilfe und die Medizinische Fakultät am Mittwoch, 19. November 2008, dieses Jubiläum. Die Veranstaltung findet zwischen 16 und 18 Uhr im Zoologischen Institut der Martin-Luther-Universität, Domplatz 4, statt. Dort befand sich im 19. Jahrhundert das hallesche Universitätsklinikum.
Neben dem Festvortrag von Professor Dr. Christoph Thomssen, Direktor der Universitätsklinik und Poliklinik für Gynäkologie, stehen verschiedene Referate auf dem Programm. Professor Dr. Friedrich Röpke (ehemaliger Direktor der Universitätsklinik und Poliklinik für Geburtshilfe) spricht über 200 Jahre Geschichte der Geburtshilfe. Einen Rückblick auf diese Zeitphase aus Sicht der Frauenheilkunde gibt Professor Dr. Kurt Rothe (ehemaliger Direktor der Universitätsfrauenklinik). Über die Entwicklung vom "Anatom zum Geburtshilfe" spricht Professor Dr. Joachim Neumann (Direktor des Instituts für Geschichte und Ethik der Medizin). Neben diesen historischen Rückblicken blickt Professor Dr. Walter Jonat (Universität Kiel) auf die Zukunft von Gynäkologie und Geburtshilfe.
Zur Geschichte:
Erste Anfänge einer akademischen Geburtshilfe und Frauenheilkunde in Halle gehen auf die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts zurück. Doch lehrten die damaligen Fachvertreter vorwiegend Anatomie und Chirurgie. Die Geburtshilfe galt lediglich als Anhängsel der Chirurgie. Die eigentliche Geschichte der universitären Frauenklinik begann im Jahre 1808, als durch Jerome Napoleon, König von Westfalen, die hallesche Hochschule nach temporärer Schließung wiedereröffnet wurde. Zum Direktor bestellte man den in Halle lebenden praktischen Arzt und Geburtshelfer Carl Friedrich Senff (1776-1816) und ernannte ihn zum außerordentlichen Professor der Medizin.
Die Klinik wurde in einem Flügel der "Neuen Residenz" untergebracht. Das Universitätsklinikum befand sich im Gebäude des heutigen Zoologischen Instituts am Domplatz. Das Gebäude in der Residenz aus der Zeit Kardinal Albrechts befand sich allerdings in desolatem Zustand. Die Renovierung zog sich wegen chronischen Geldmangels bis zum Jahre 1811 hin. Räume und Ausstattung waren eher bescheiden. Senff verfügte nur über zwölf Betten und sah pro Jahr 50 bis 100 Entbindungen. Auch die folgenden Jahrzehnte änderten nichts an den von preußischer Sparsamkeit geprägten dürftigen Umständen, unter denen Ordinarien, Assistenten und Pflegerinnen ihren Pflichten nachkamen.
Erst als im Gefolge des "Geldsegens" nach dem deutsch-französischen Krieg ab 1878 ein "königliches Universitäts-Klinikum" auf einer Anhöhe über der Stadt - heute Bereich Magdeburger Straße - errichtet wurde, änderte sich die Situation. Nach beispiellos kurzer Bauzeit konnte der damalige Direktor, Robert Michaelis von Olshausen, 1879 mit drei Assistenten in eine sehr geräumige und moderne Klinik, zu der auch eine Hebammenschule gehörte, einziehen. Um ständige Präsenz des Direktors in der Geburtshilfe zu garantieren, erhielt v. Olshausen im Garten der Klinik eine Dienstvilla mit zehn Zimmern.
1917 erfolgte an der südwestlichen Ecke der Klinik ein Anbau für "septische Fälle". Der geräumige Operationssaal (zwei Tische) befand sich im Obergeschoss und war mit dem Fahrstuhl erreichbar. Bei einem amerikanischen Bombenangriff Ende März 1945 wurde die Klinik schwer getroffen. Auch die Chefvilla brannte aus, so dass der damalige Direktor Ludwig Nürnberger neben seiner Habe auch eine große wissenschaftliche Bibliothek verlor. Da sich die Patientinnen in einem riesigen Bunker unter der Klinik aufhielten, waren keine Opfer zu beklagen.
Mit dem Wiederaufbau unter dem Direktorat von Helmut Kraatz ab 1949 wurde die Klinik um ein zusätzliches Stockwerk erweitert. Außerdem entstanden im Dachgeschoss Wohnräume für Ärzte und Schwestern; in der Nachkriegszeit von unschätzbarem Wert, wenn es galt, Mitarbeiter an die Klinik zu binden.
Nach abgeschlossener Rekonstruktion verfügte das Haus nunmehr über 140 Betten, verteilt auf zwei operative Stationen, zwei geburtshilfliche Stationen sowie eine konservative Station, eine Bestrahlungsstation und eine septische Station. Angeschlossen war auch eine große Poliklinik, unter anderem mit Spezialsprechstunden für Schwangere und Tumorpatientinnen.
Nach Fertigstellung des Klinikums Kröllwitz 1974 etablierte sich dort eine vorwiegend geburtshilfliche Dependance, zunächst noch unter einheitlichem Direktorat. Für ein neues Universitätsklinikum im Gelände "Weinberge" wurden erste Pläne schon in den 50er Jahren des vorigen Jahrhunderts im Zusammenhang mit Neubauten der Universität entwickelt. Die rasche Zunahme der Bevölkerung im damaligen industriellen Ballungsgebiet Mitteldeutschlands und der Aufbau von Halle-Neustadt als selbständiger Stadt mit etwa 90.000 Einwohnern führte in Halle zu erheblichen Engpässen im Krankenhausbereich, besonders auch im geburtshilflichen und gynäkologischen Sektor. Der Bau eines Klinikums bekam oberste gesundheitspolitische Priorität.
1974 konnte das "Bettenhaus 1" zur provisorischen Nutzung für eine klinische Versorgung übergeben werden. Für die Frauenklinik in dieser neuen Einrichtung standen 144 Betten für Schwangere, Wöchnerinnen und gynäkologische Patientinnen sowie 68 Bettchen für Neugeborene zur Verfügung. Schon 1975 wurden hier über 1500 Geburten betreut. Als 1979 auch das Komplementgebäude mit den planmäßigen Entbindungsräumen und anderen Funktionsabteilungen fertig gestellt war, stieg die Geburtenziffer im Klinikum Kröllwitz auf jährlich über 2000.
Darüber hinaus ermöglichte die Struktur der Stationen die Umsetzung neuer Ideen in der geburtshilflich-perinatalmedizinischen Betreuung. Die Entwicklung der Mutter-Kind-Beziehungen wurde durch das "Rooming-in System" gefördert. Ganz neue Wege wurden beschritten, als tägliche Besuchszeiten für die Väter der Neugeborenen eingeführt wurden und ihnen auch die Möglichkeit für eine aktive Teilnahme an der Neugeborenenpflege angeboten wurde. Ein weiterer Schritt in der praktizierten "familienorientierten Geburtshilfe" war ab 1976 die Anwesenheit des Ehemanns bzw. Partners bei der Geburt und seine Einbeziehung in die Betreuung der Gebärenden, was seinerzeit ein Novum und nur in einzelnen Kliniken möglich war.
1979 wurde das Klinikum Kröllwitz in die Universität Halle übernommen. Damit erfolgte schrittweise eine Profilierung der universitären geburtshilflich-gynäkologischen Einrichtungen unter den damaligen Direktoren der Universitäts-Frauenklinik, zunächst Prof. Dr. Walter Helbing und später Prof. Dr. Kurt Rothe, an den zwei Standorten sowohl im Universitätsklinikum Kröllwitz (UKK) als auch im Universitätsklinikum Magdeburger Straße (UKM). Da die Universitäts-Kinderklinik ganz in das UKK verlagert wurde, konzentrierte sich die Perinatalmedizin und Geburtshilfe mehr und mehr an diesem Standort, während Spezialgebiete der Gynäkologie weiter im UKM ausgebaut wurden. 1985, also etwa zehn Jahre nach der Eröffnung, wurde am Standort Kröllwitz das 20.000. Baby geboren. Am 3.Oktober 1990, dem Tag der deutschen Einheit, erblickte das "erste Einheitsbaby Deutschlands" um 0.04 Uhr nach normaler Geburt das Licht der Welt.
Auf Empfehlung der Hochschulstrukturkommission des Landes Sachsen-Anhalt wurden in der Hochschulmedizin Halle 1992 eine eigenständige Universitätsklinik für Gynäkologie und eine Universitätsklinik für Geburtshilfe und Reproduktionsmedizin geschaffen.
Mit der Berufung von Prof. Dr. med. Christoph Thomssen im Jahre 2004 zum Ordinarius für Gynäkologie und Geburtshilfe und dem Umzug der Klinik für Gynäkologie nach Kröllwitz befinden sich die beiden Kliniken wieder an einem Standort.
Der historische Text basiert auf der Arbeit von Professor Hans-Dierrich Methfessel, Professor Friedrich Röpke und Dr. Volker Thäle.
Gynäkologische Operation
Universitätsfrauenklinik Halle
None
Alte Frauenklinik
Universitätsfrauenklinik Halle
None
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Medizin
überregional
Buntes aus der Wissenschaft, Forschungs- / Wissenstransfer
Deutsch
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