Forscherinnen aus Mainz, Berlin und München werden gefördert
Das Schmerzgedächtnis löschen, Schmerz nach traumatischen Ereignissen lindern, die Entstehung von chronischen Schmerzen verstehen: Bei der Bearbeitung dieser Fragen in ihren Dissertationen werden Lena Bürck (Mainz), Alexandra Liedl (Berlin) und Laura Tiemann (München) mit je 4.000 Euro unterstützt. Sie sind die ersten Stipendiatinnen der Deutschen Gesellschaft zum Studium des Schmerzes, die 2009 erstmals ein Doktorandenstipendienprogramm aufgelegt hat.
"Mit den Stipendien verstärken wir unser Engagement in der Nachwuchsförderung, denn sie ist der Schlüssel zu einer besseren Schmerztherapie der Zukunft", sagte Prof. Dr. Rolf-Detlef Treede, Präsident der DGSS. "Wir schließen damit die Lücke zwischen der DGSS-Juniorakademie für angehende Doktoranden und dem Förderpreis für Schmerzforschung für erfolgreiche Publikationen"
Fotos der drei Stipendiatinnen finden Sie zum Herunterladen im Internet unter: http://www.dgss.org/index.php?id=95
Lena Bürck: Das Schmerzgedächtnis löschen
Lena Bürck untersucht experimentell die Modulierbarkeit grundlegender Prozesse des menschlichen Schmerzgedächtnisses. Wie bei anderen Formen des Gedächtnisses, wie z.B. dem Erlernen von Fertigkeiten, ist die Grundlage dieses impliziten Lernprozesses eine langdauernde Steigerung der Effizienz synaptischer Verbindungen (Langzeitpotenzierung; engl. long-term potentiation, LTP). Es wird vermutet, dass solche Lernprozesse an der Chronifizierung von Schmerz beteiligt sind. Gegenstand der Arbeit ist die kontrollierte Auslösung von Langzeitpotenzierung der Schmerzwahrnehmung, die Charakterisierung ihrer Eigenschaften und die Untersuchung von Mechanismen der kontrollierten Löschung dieses Schmerzgedächtnisses. Dazu wurde das Schmerzempfinden an den Innenseiten der Unterarme mit Stromreizen über Elektroden, sowie mit mechanischen Reizen (Nadelstiche und Berührungsreize) untersucht. Nach Registrierung der Ausgangsschmerzempfindlichkeit wurde Langzeitpotenzierung der Schmerzwahrnehmung durch wiederholte hochfrequente elektrische Reizung ausgelöst. Die Langzeitpotenzierung spiegelt sich in einer langandauernden Steigerung der Schmerzwahrnehmung am gereizten Ort und seiner unmittelbaren Umgebung. "Die Modulierbarkeit der Langzeitpotenzierung haben wir auf zwei unterschiedliche Weisen untersucht", so Lena Bürck: "Einerseits stimulationsbasiert durch nachfolgende niederfrequente elektrische Reizung, andererseits pharmakologisch." Durch wiederholte niederfrequente Reizung konnte das Schmerzgedächtnis vollständig gelöscht werden. Für die pharmakologische Modulation der Auslösung von LTP wurde das Amphetamin Methylphenidat bzw. der Tranquilizer Lorazepam eingesetzt.
Lena Bürck, 1983 geboren, studiert seit 2004 Medizin und von 2006 bis 2009 zusätzlich Chorgesang in Mainz. Nach verschiedenen Auslandsaufenthalten in Chile, Uruguay und Bologna hat sie jetzt in Mainz ihre Dissertation begonnen.
Alexandra Liedl: Folgen eines Traumas lindern
Nach traumatischen Ereignissen haben die Betroffenen neben psychischen Folgen häufig chronische Schmerzen. Als Ursache werden neben Verletzungen auch Wechselwirkungen mit psychischen Traumafolgestörungen, insbesondere der posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) angenommen. Unklar ist jedoch, ob sich die beiden Störungen in ihrer Entstehung beeinflussen, sich aufrechterhalten oder ob es möglicherweise einen dritten Faktor gibt, der ihr gleichzeitiges Auftreten erklärt. Alexandra Liedl entwickelte in ihrer Dissertation das sog. Perpetual Avoidance Model, das die Entstehung und Aufrechterhaltung von PTBS und chronischen Schmerzen nach traumatischen Ereignissen erklärt. In Zusammenarbeit mit dem Australian Center for Posttraumatic Mental Health untersuchte sie dann erstmals den Zusammenhang der einzelnen PTBS-Symptomgruppen (Wiedererleben, Vermeidung und Übererregung) und der subjektiv empfundenen Schmerzintensität, um ihr Modell empirisch zu überprüfen. "Die Ergebnisse zeigen Zusammenhangsmuster, die die Theorie einer gegenseitigen Aufrechterhaltung und damit das Perpetual Avoidance Model unterstützen", erklärt sie. Basierend auf diesen Erkenntnissen entwickelte ihre Arbeitsgruppe am Behandlungszentrum für Folteropfer Berlin in Kooperation mit den Universitäten Zürich, Southampton und der TU Dresden sowie der Schmerzambulanz der Charité einen biofeedbackgestützten Therapieansatz. Hauptziel ist, dass Patienten wieder Selbstkontrolle über körperliche Vorgänge erlangen. Sie lernen, ihre Schmerzimpulse einzuordnen und durch Atmung und Muskelentspannung selbst zu kontrollieren und zu mildern. Darüber hinaus wird die Biofeedbackbehandlung bei einer Gruppe von Patienten durch körperliche Übungen unterstützt. Der Therapieansatz wird im Rahmen der Dissertation evaluiert und auf seine Wirkfaktoren überprüft.
Alexandra Liedl, geboren 1979, studierte bis 2006 Psychologie in Jena. Seit 2007 ist sie wissenschaftliche Mitarbeiterin am Behandlungszentrum für Folteropfer, Berlin. 2008/2009 verbrachte sie einen Forschungsaufenthalt in Melbourne (Australien).
Laura Tiemann: Aufmerksamkeit und Schmerz
Laura Tiemann beschäftigt sich mit der Verarbeitung von Schmerz im menschlichen Gehirn. Da Schmerz uns Gefahr und drohende Gewebsschädigung signalisiert, nimmt er eine Sonderstellung unter den sensorischen Eindrücken ein - er zieht unwillkürlich Aufmerksamkeit auf sich und beeinträchtigt gleichzeitig ablaufendes Verhalten. Derzeit wird diskutiert, ob eine übermäßige Aufmerksamkeitszuwendung auf Schmerzreize auch an der Chronifizierung von Schmerz beteiligt sein könnte. Daher interessiert sich Laura Tiemann dafür, was bei Schmerzen im Gehirn passiert und untersucht dies mit elektrophysiologischen Verfahren. In einer Studie mit gesunden Probanden konnte sie zunächst bestätigen, dass Schmerz Aufmerksamkeit auf sich zieht und dabei das Verhalten in anderen Sinnesmodalitäten stört. Weiterhin zeigte sich, dass diese unwillkürliche Aufmerksamkeitszuwendung auf Schmerz mit einer Umverteilung der sog. Gamma-Oszillationen im Hirn einhergeht - zu Gunsten der Schmerzverarbeitung und auf Kosten der Verarbeitung anderer sensorischer Eindrücke. "In Übereinstimmung mit der Hypothese einer übermäßigen Aufmerksamkeit auf Schmerz bei chronischen Schmerzerkrankungen vermuten wir, dass die schmerzassoziierte Umverteilung der Gamma-Oszillationen bei chronischen Schmerzpatienten deutlich stärker und möglicherweise auch kausal an der Entstehung chronischen Schmerzes beteiligt ist", sagt Laura Tiemann. "Wir hoffen, dass unser Projekt dazu beiträgt, die physiologischen Zusammenhänge von Aufmerksamkeit und Schmerz und deren Bedeutung für die Entwicklung chronischen Schmerzes aufzuklären."
Laura Tiemann, Jahrgang 1983, studierte bis 2008 Psychologie an der Ruhr-Universität Bochum. Seit 2008 arbeitet sie an der TU München an ihrer Dissertation.
Ansprechpartner/innen
cand. med. Lena Bürck, Medizinstudentin, Universität Mainz, lena@buerck.net
Dipl. Psych. Alexandra Liedl, Psychologiedoktorandin, Berlin/TU Dresden, alex.liedl@gmx.de
Dipl. Psych. Laura Tiemann, Psychologiedoktorandin, TU München, tiemann.laura@googlemail.com
Zum Stipendienprogramm der DGSS: Dr. Walter Magerl, Ad-hoc Kommission Nachwuchsförderung der DGSS, walter.magerl@medma.uni-heidelberg.de
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Medizin, Psychologie
überregional
Forschungsprojekte, Personalia
Deutsch
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