Aufschluss über die letzten Stunden eines Lebewesens können kriminaltechnisch-forensische Untersuchungen geben. Damit vergleichbar sind die paläontologischen Forschungen der Wissenschaftler Dr. Volker Wilde (Forschungsinstitut und Naturmuseum Senckenberg, FfM) und Dr. Meinolf Hellmund (Geiseltalmuseum, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, MLU). Sie erforschten die letzte Mahlzeit eines der Urpferde aus dem Geiseltal. Nach der Veröffentlichung in der „Hercynia“ (2009) erschien soeben beim Springer-Verlag in der Zeitschrift „Palaeobiodiversity and Palaeoenvironments“, Ausgabe 2/2010, ein Artikel, der nun die Details durch eindrucksvolle Mikroaufnahmen ergänzt.
Der glückliche Umstand einer in der Geiseltalsammlung nach 75 Jahren wieder aufgefundenen und bislang noch nicht untersuchten Probe aus den 1930er Jahren hat detaillierten Aufschluss über die Ernährungsbiologie und das Verhalten dieser frühen Vertreter der Pferdeartigen beim Nahrungserwerb gegeben.
„Die folivore Ernährung, das heißt das Fressen von Laubblättern, stand bei diesen Säugetieren demnach ganz im Vordergrund“, sagt Dr. Hellmund. Ein Schwerpunkt der letzten Mahlzeit bestand aus Blättern von tropischen Verwandten der heutigen Mistel- und Heidekrautgewächse. Entsprechende Pollen deuten darauf hin, dass offenbar auch die Blüten von Heidekrautgewächsen nicht verschmäht wurden. Die erwähnten Laubblätter konnten aufgrund der guten Erhaltung von Strukturen der Blatthaut, darunter insbesondere die charakteristischen, dem Gasaustausch dienenden Spaltöffnungen (Stomata) bestimmt werden.
Zum Nahrungsspektrum zählten aber auch kleine, ovale Samenkörner, die jedoch erhaltungsbedingt noch nicht näher spezifiziert werden können, so Dr. Wilde. Typisch für einen „Mageninhalt“ ist auch der „Beifang“, der z. B. durch Wühlen in heruntergefallenem Blattwerk des Urwaldes unabsichtlich mit aufgenommen wurde. Er besteht aus kleinen kantigen Quarzkörnchen, die ebenfalls zweifelsfrei erkennbar sind.
Damit zeigt sich – und das ändert die bisherige Auffassung von der „Speisekarte“ dieser Tiere – dass die „Urpferdchen“ beim Nahrungserwerb eher opportunistisch als gezielt vorgingen. Sie ernährten sich dabei ausschließlich vegetarisch und überwiegend von weicher Blattnahrung, wobei sie auch frisches zu Boden gefallenes Laub nutzten. Dies steht in klarer Beziehung zur Morphologie ihres Gebisses. Das heißt, die Kronen der „Seitenzähne“, insbesondere der Backenzähne (Molaren), bestehen bei den „Urpferdchen“ aus Höckern und sehr wirksamen Schneidekanten. Dies ist ein fundamentaler Unterschied zu den heutigen, modernen Pferden, bei denen die überwiegende Grasnahrung u. a. zu einer morphologisch veränderten und vergrößerten Kaufläche geführt hat.
Der Artikel von Dr. Volker Wilde und Dr. Meinolf Hellmund in der Zeitschrift „Palaeobiodiversity and Palaeoenvironments“ unter dem Titel „First record of gut contents from a middle Eocene equid from the Geiseltal near Halle (Saale), Sachsen-Anhalt, Central Germany“ (S. 153 bis 162) ist im Internet zu finden unter: http://www.springer.com/earth+sciences+and+geography/journal/12549.
Anhand dieser Forschungen lässt sich einmal mehr der wissenschaftliche Wert von traditionellen Sammlungen – wie im Geiseltalmuseum – belegen. Ohne den Weitblick der Wissenschaftler in den 1930er Jahren, die das betreffende Urpferdeskelett geborgen hatten und die einzigartige Probe des Magendarmtraktes hinterlegten, wäre diese Erweiterung der Kenntnisse nicht möglich gewesen.
Ansprechpartner zu dieser Pressemitteilung
Dr. Meinolf Hellmund
Institut für Geowissenschaften, Geiseltalmuseum
Telefon: 0345 55 26073
E-Mail: meinolf.hellmund@geo.uni-halle.de
Priv.-Doz. Dr. Volker Wilde
Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseum, Sektion Paläobotanik, Frankfurt am Main
Telefon: 069 97075 1160
E-Mail: vwilde@senckenberg.de
http://www.springer.com/earth+sciences+and+geography/journal/12549 Zeitschrift „Palaeobiodiversity and Palaeoenvironments“
http://pressemitteilungen.pr.uni-halle.de/index.php?modus=pmanzeige&pm_id=11... Abbildungen zum Thema (Bildergalerie am Seitenende)
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Geowissenschaften, Geschichte / Archäologie
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch
Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.
Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).
Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.
Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).
Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).