idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
26.01.2012 09:32

Die Spinnen kommen mit dem Bus - Neue Spinnenarten in Deutschland

Judith Jördens Senckenberg Pressestelle
Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseen

    Frankfurt, den 26.01.2012. Zwei neue Spinnenarten wurden in Deutschland von Wissenschaftlern des Senckenberg Forschungsinstitutes verstärkt nachgewiesen. Die Frankfurter Arachnologen untersuchen die Einwanderung und Lebensweise dieser Neozoen.

    In Deutschland sind rund 1.000 Spinnenarten bekannt und das Land gilt unter Arachnologen als eines der am besten untersuchten Gebiete weltweit. Eine gute Voraussetzung, um eine Veränderung der heimischen Fauna festzustellen. Wissenschaftler stoßen immer wieder auf neue, eingewanderte oder eingeschleppte Arten - so genannte Neozoen. So ging es auch Dr. Peter Jäger, Arachnologe am Senckenberg Forschungsinstitut in Frankfurt, als er 1995 erstmals die Zitterspinnenart Holocnemus pluchei in einem Kölner Parkhaus unter einem Euro-Busbahnhof entdeckte.
    „Hier kommen Busse direkt aus Mittelmeerländern an, Gepäck wird ausgeladen, eventuelle blinde Passagiere finden in dem frostfreien Habitat „Parkhaus“ eine erste Bleibe“, erklärt Dr. Jäger seinen Fund und ergänzt „Die Population wurde von uns stichprobenhaft in den folgenden Jahren bis 1999 unter anderem in Mannheim und Mainz nachgewiesen“.

    Anfang dieses Jahres dokumentierte Dr. Jäger im Parkhaus am Mainzer Theater eine weitere Population der Zitterspinnen, die vor allem an den Leuchtstoffröhren ihre Netze spannte. Die Lichtquelle lockt potentielle Beutetiere für die Spinnen an und ermöglicht ihnen das Leben in diesem kargen Lebensraum.
    Angst braucht man vor der eingewanderten Art nicht zu haben: Die Spinne ist ungefährlich und vertilgt hauptsächlich Insekten, unter anderem auch Lästlinge wie Schaben oder Stechmücken. Auch im ökologischen Sinne wird die Zitterspinne wahrscheinlich keinen Schaden anrichten. Im schlimmsten Fall wird eine eingewanderte Art durch eine neue ersetzt, denn auch die fast ausschließlich in Gebäuden vorkommende „heimische“ Zitterspinne Pholcus phalangioides ist mit großer Wahrscheinlichkeit ein Einwanderer.
    Die neue Art Holocnemus pluchei unterscheidet sich von ihr durch ein dunkles Längsband an der Bauchseite und einer lebhaften Rückenzeichnung .Sie scheint außerdem unempfindlicher gegen Licht und Trockenheit zu sein, so dass sich die Spinnenarten wahrscheinlich - ökologisch gesehen - aus dem Weg gehen werden.

    Darüber hinaus konnte eine weitere eingeschleppte Art in Gebäuden in Frankfurt am Main, Mainz, Mannheim, Heidelberg, Heilbronn, Metzingen, Freiburg sowie Bonn, Köln, Düsseldorf und Bremen nachgewiesen werden. Die Spinne Zoropsis spinimana (Kräuseljagdspinne) hat eine Körperlänge - diese wird ohne die Beine gemessen - von bis zu 2 Zentimetern und erinnert an die heimischen Wolfsspinnen. Die gedrungenen Tiere jagen nachts frei in Gebäuden und werden daher sensiblen Wohnungsinhabern eher auffallen, als die schlanke, langbeinige Zitterspinne, die häufig mit Weberknechten verwechselt wird.

    Doch auch hier geht keine Gefahr von den Tieren aus. Dr. Ambros Hänggi und Dr. Angelo Bolzern vom Naturhistorischen Museum Basel wiesen die Art 2006 zum ersten Mal für Deutschland nach und führten Selbstversuche zur Giftigkeit durch. Danach wurde ein Biss als „nicht nennenswert“ bezeichnet.
    „Ich habe es noch nicht mal geschafft, die großen Weibchen der Art so zu reizen, dass sie mich überhaupt beißen“ beruhigt Dr. Jäger.

    Andere, kleinere Spinnenarten, wie die nur 1,5 bis 2 Millimeter messende Mermessus trilobatus aus der Familie der Baldachinspinnen, sind ebenfalls als Zuwanderer in Deutschland bekannt. Sie sind jedoch so klein und unscheinbar, dass sie von der Öffentlichkeit nicht wahrgenommen werden. In Nachbarländern sind schon zahlreichere fremde Arten angekommen und stehen sozusagen vor der deutschen Haustür: In Belgien verzeichnet man beispielsweise vier neue Spinnenarten, darunter die in allen tropischen Gebieten vorkommende Zitterspinne Crossopriza lyoni, die an ihrem dreieckigem Hinterleibs-Umriss zu erkennen ist.

    Sind die aktuellen Funde noch überwiegend von Interesse für Biologen und Ökologen, könnte das Auftauchen von Giftspinnen die Aufmerksamkeit der breiten Öffentlichkeit nach sich ziehen. Funde der giftigen Schwarzen Witwen - meist Latrodectus mactans - werden aus Belgien, vereinzelt auch aus Deutschland gemeldet. Bisher sind hier allerdings keine Populationen, die sich fortpflanzen, bekannt. Die Arachnologen im Senckenberg Forschungsinstitut verfolgen die weitere Entwicklung aufmerksam!

    Kontakt

    Dr. Peter Jäger
    Senckenberg Forschungsinstitut
    Sektion Arachnologie
    Tel. 069 7542 1340, peter.jaeger@senckenberg.de

    Pressestelle
    Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung
    Judith Jördens
    Tel. 069- 7542 1434
    Fax 069- 7542 1517
    judith.joerdens@senckenberg.de

    Die Erforschung von Lebensformen in ihrer Vielfalt und ihren Ökosystemen, Klimaforschung und Geologie, die Suche nach vergangenem Leben und letztlich das Verständnis des gesamten Systems Erde-Leben – dafür arbeitet die SENCKENBERG Gesellschaft für Naturforschung. Ausstellungen und Museen sind die Schaufenster der Naturforschung, durch die Senckenberg aktuelle wissenschaftliche Ergebnisse mit den Menschen teilt und Einblick in vergangene Zeitalter sowie die Vielfalt der Natur vermittelt. Mehr Informationen unter www.senckenberg.de.


    Bilder

    Männchen der Zitterspinnenart Holocnemus pluchei aus Bulgarien
    Männchen der Zitterspinnenart Holocnemus pluchei aus Bulgarien
    © Senckenberg
    None

    Kräuseljagdspinne Zoropsis spinimana, Schweiz
    Kräuseljagdspinne Zoropsis spinimana, Schweiz
    © Dr. Ambros Hänggi, (Naturhistorisches Museum Basel)
    None


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wissenschaftler
    Biologie, Meer / Klima, Umwelt / Ökologie
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

    Männchen der Zitterspinnenart Holocnemus pluchei aus Bulgarien


    Zum Download

    x

    Kräuseljagdspinne Zoropsis spinimana, Schweiz


    Zum Download

    x

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).