Als Professorin für romanische Kulturwissenschaft befasst sich Irmgard Scharold mit einem sehr weiten Gebiet: mit den Kulturen der französischen, italienischen, spanischen und portugiesischen Sprachräume. Einen Schwerpunkt ihrer Arbeit legt sie in diesem Jahr auf die filmische Darstellung des Algerienkriegs, der vor 50 Jahren zu Ende ging.
Von 1954 bis 1962 tobte in Algerien ein Krieg um die Unabhängigkeit des Landes von Frankreich. Die militärische Auseinandersetzung verlief sehr brutal; es kam unter anderem zu Zwangsumsiedlungen, Folterungen und Massakern. „Noch Jahrzehnte nach dem Krieg haben beide Seiten sehr viele Dinge verdrängt“, sagt Irmgard Scharold. Beispielsweise den Umgang mit den „harkis“ – so hießen die Algerier, die an der Seite der Franzosen kämpften. Diese Gruppe sei nicht nur in Algerien tabuisiert worden, sondern auch in Frankreich. Denn die Franzosen behandelten ihre ehemaligen Verbündeten nach dem Krieg mehr als schäbig.
Wie wird der Algerienkrieg in Filmen dargestellt? Welche Personengruppen tauchen auf, welches Bild wird von ihnen gezeichnet? Brechen die Filme mit Tabus? Solche Fragen will die Würzburger Romanistin im Jahr 50 nach Kriegsende bearbeiten. „Über die filmische Repräsentation des Algerienkriegs gibt es bislang nur vereinzelte Forschungsergebnisse“, sagt sie. Das Projekt, zu dem im vergangenen Wintersemester bereits ein Seminar stattgefunden hat, soll bei einem Studientag mit Fachkollegen intensiver diskutiert werden. Am Ende ist eine Buchpublikation geplant.
Lehre: Kulturtheorien vermitteln
Den Studierenden möchte die Professorin besonders die Kulturtheorien vermitteln: „Sie lernen bei mir, mit welchen Werkzeugen Literatur, Filme und andere Kulturprodukte analysiert werden können.“ So lässt sich zum Beispiel ein- und dasselbe Buch ganz unterschiedlich betrachten, etwa mit Fokus auf den Aspekten Geschlecht oder (Post-)Kolonialismus. Letzteres spielt gerade in der Romanistik häufig eine Rolle, weil alle romanischen Länder Kolonialmächte waren.
Zur Genderthematik in der italienischen Literatur des 20. Jahrhunderts hat Irmgard Scharold 2002 einen Sammelband publiziert. Ein Jahr später wurde er in Pescara mit dem internationalen Italianistik-Preis „Premio Flaiano“ ausgezeichnet.
Werdegang von Irmgard Scharold
Irmgard Scharold, Jahrgang 1960, hat die Professur für romanische Kulturwissenschaft an der Universität Würzburg seit Oktober 2011 inne. Sie stammt aus Forchheim und hat in Erlangen Romanistik und Germanistik studiert und ein Auslandsjahr in Lille verbracht. Nach dem Studium war sie einige Jahre bei Unternehmen in den Bereichen Lektorat und Marketing tätig, bevor sie von 1995 bis 2003 als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Bamberg lehren und forschen konnte.
Promoviert wurde Scharold 1999 in Erlangen mit einer komparatistischen Dissertation zur „Kodierung des ‚Anderen‘ bei Musil, Lispector und Le Clézio“. Sie lehrte auch an der Paris-Lodron-Universität Salzburg sowie an den Universitäten Erlangen-Nürnberg und Würzburg. Nach der Habilitation in Erlangen (2007) folgten Vertretungsprofessuren in Mannheim und Frankfurt am Main.
Phantasmen und andere Schwerpunkte
Zu Scharolds Arbeitsschwerpunkten gehören unter anderem Film- und Bildästhetiken sowie die literarische und filmische Gestaltung der Phänomene Traum, Wahnsinn und Melancholie. Mit dem Thema „Literatur und Migration“ befasst sie sich ebenso wie mit Phantasmen-Diskursen vom Mittelalter bis zur Postmoderne. „Mit Phantasmen sind die inneren Phantasiebilder des Menschen gemeint, deren ständige Kontrolle und Zensur bereits die Kirchenväter forderten und die dann in der so genannten klassischen Phantastik des 19. Jahrhunderts ihr volles Potenzial entfalteten“, erklärt die Professorin.
Sind solche Phantasie-Bilder erlaubt? Das wurde beim Übergang vom Mittelalter zur Renaissance in Theologie und Philosophie ebenso heftig diskutiert wie in Kunsttheorie und Poetologie. Die neue Qualität, welche die Phantasie an dieser historischen Schnittstelle erlangte, manifestierte sich auch in der bildenden Kunst und der Literatur dieser Epoche.
Nicht nur die Groteskenmalerei gefiel sich darin, immer phantastischere Bilder zu erzeugen. Auch ein literarisches Werk wie der seinerzeit äußerst populäre „Orlando furioso“ („Der rasende Roland“) suchte seine literarischen Vorläufer an phantastischen Einfällen zu überbieten. Doch im Zuge von Gegenreformation und Aristotelisierung wurden diese „phantastischen Freiheiten“ im Werk des großen Melancholikers Torquato Tasso dann wieder radikal zurückgenommen und zugleich qualitativ verändert. Das zeigt und diskutiert Scharold in ihrer Habilitationsschrift „Vom Wunderbaren zum PhantasMAtischen: Zur Archäologie vormoderner Phantastik-Konzeptionen bei Ariost und Tasso“, die Ende 2011 im Fink-Verlag (München) erschienen ist.
Kontakt
Prof. Dr. Irmgard Scharold, Neuphilologisches Institut – Moderne Fremdsprachen, Universität Würzburg, T (0931) 31-85688, irmgard.scharold@uni-wuerzburg.de
Irmgard Scharold ist Professorin für romanische Kulturwissenschaft an der Universität Würzburg.
Foto: privat
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Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, jedermann
Geschichte / Archäologie, Kulturwissenschaften, Sprache / Literatur
überregional
Forschungsprojekte, Personalia
Deutsch
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