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24.04.2012 10:47

Neue Professorin: Die ganze Vielfalt der US-Kultur

Gunnar Bartsch Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Julius-Maximilians-Universität Würzburg

    Catrin Gersdorf ist seit diesem Semester neu am Lehrstuhl für Amerikanistik der Universität Würzburg. Sie erforscht unter anderem, wie Demokratie, Kultur und Ökologie in der Ideen- und Kulturgeschichte zusammenhängen. Dabei interessieren sie vor allem die Beiträge amerikanischer Schriftsteller, Künstler, Filmemacher und Intellektueller.

    Diese Frage hat Catrin Gersdorf nach dem Fall der Mauer oft gehört: „Wie kommt jemand in der DDR dazu, eine wissenschaftliche Karriere ausgerechnet im Bereich der Amerikanistik zu starten?“. Die Antwort hat mit Comics zu tun und mit Indianerfilmen. Doch dazu später mehr.

    Catrin Gersdorf hat seit März dieses Jahres den Lehrstuhl für Amerikanistik der Universität Würzburg inne. Dem Modus einer vorgezogenen Berufung entsprechend, teilt sie sich die Lehrstuhlleitung momentan noch mit Jochen Achilles, bis der in einem Jahr in den Ruhestand geht. Die Amerikanistin ist von Berlin nach Würzburg gewechselt; dort war sie zuletzt als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Exzellenzcluster „Languages of Emotion“ der Freien Universität und als Privatdozentin am John-F.-Kennedy-Institut für Nordamerikastudien tätig.

    Amerikanistik: Große Bandbreite an Themen

    Womit sich Amerikanisten beschäftigen? „Was Amerika bedeutet, wer ‚die Amerikaner‘ sind, was sie denken und glauben, wie sie leben und fühlen, wie sie sich politisch organisieren, sozial engagieren und kulturell darstellen, und wie all dies sich im Laufe der Geschichte verändert – genau damit beschäftigt sich die Amerikanistik“, erklärt Catrin Gersdorf. Für welches Thema sich ein Amerikanist entscheide, hänge letztendlich von vielen Faktoren ab: „Von persönlichen Vorlieben und Interessen genauso wie von den historischen und politischen Kontexten, die unsere Beschäftigung mit der Kultur eines Landes oder einer Region prägen“, so die Professorin.

    Die Palette der Themen ist groß. Sie reicht von der wissenschaftlichen Beschäftigung mit den Beziehungen der USA zu den unmittelbaren Nachbarn Kanada und Mexiko, aber auch zu Europa, Afrika und dem Nahen Osten. Es geht um Literatur, Kunst und Film als Medien individueller wie nationaler Selbstverständigung, aber auch um soziale und politische Bewegungen, die den nationalen Selbstanspruch der USA als Hort der Freiheit und Demokratie immer wieder auf den Prüfstand stellen.

    US-Kultur: Facettenreich und vielschichtig

    Catrin Gersdorf kommt es besonders darauf an, die Vielfalt und Komplexität künstlerischer, literarischer und intellektueller Äußerungsformen aufzuzeigen, die es in Amerika zu entdecken gibt. Genauso wichtig sind ihr aber auch die „Widersprüchlichkeiten und Absurditäten“ in der Geschichte der amerikanischen Gesellschaft. „Hinter Amerika verbirgt sich mehr als die Vereinigten Staaten; und das Staatsgebilde mit diesem Namen ist mehr als eine global agierende Wirtschafts- und Militärmacht. Die US-amerikanische Kulturgeschichte ist vielschichtiger als es der oberflächliche Blick vermuten lässt“, sagt sie. Auch das Englische sei nicht nur „Computerspeak“ und die lingua franca der globalisierten Wirtschaft, sondern auch eine facetten- und bildreiche, äußerst dynamische Literatursprache. Dies den Studierenden näher zu bringen, sei ihr „ein wichtiges Anliegen.“

    Ecocriticism: Kultur und Ökologie

    Ecocriticism: Unter dieser Überschrift läuft der derzeit wichtigste Forschungsschwerpunkt von Catrin Gersdorf. Und natürlich passt T.C. Boyles neuestes Buch „Wenn das Schlachten vorbei ist“ exakt dort hinein. Immerhin liefern sich darin zwei Fraktionen von Umweltschützern einen erbitterten Kampf um die Frage, ob man an einem Küstenabschnitt Kaliforniens das gestörte Gleichgewicht des Ökosystems mit viel Steuergeld wiederherstellen soll – was zwangsläufig die Ausrottung mancher Tierarten bedeutet. Oder ob man um jeden Preis das Töten verhindern muss.

    Man würde dem Thema allerdings nicht gerecht, wenn man es nur als die Verbreitung einer grünen Ideologie betrachten würde. „Ecocriticism ist ein Diskursbereich, der ökologische und umwelthistorische mit literatur- und kulturwissenschaftlichen, aber auch mit philosophischen und politikwissenschaftlichen Fragestellungen verbindet“, sagt Catrin Gersdorf.
    Nation und Natur: Der amerikanische Gründungsmythos

    Für die amerikanistische Forschung und Lehre sei dieser Zusammenhang besonders relevant: „Im amerikanischen Gründungsmythos, der bis heute nachwirkt, werden die Konzepte Demokratie, Natur und Nation begrifflich, metaphorisch und ikonographisch eng miteinander verzahnt“, so die Amerikanistin. In der Vorstellung von der Nature’s Nation stecke die Idee, dass sich die Werte der Nation aus der Naturrechtsphilosophie der Aufklärung und der Konfrontation mit einer reichhaltigen Natur entwickelt habe.

    Wenn also Henry David Thoreau in seinen Texten Technik und Modernisierung kritisiert, wenn die Grundmetapher in F. Scott Fitzgeralds Roman Der große Gatsby auf die Verwandlung Amerikas von einem Garten Eden in ein Aschetal verweist, wenn T.C. Boyle der Frage nachgeht, wann Umweltbewusstsein zur Ideologie wird: Dann sind das alles Beispiele dafür, wie der literarische Diskurs politische Debatten über Natur und Umwelt beeinflusst – und damit Paradebeispiele für den Ecocriticism in der Amerikanistik.

    Catrin Gersdorf: Zur Person

    Catrin Gersdorf ist auf Rügen und in Dresden aufgewachsen; an der Karl-Marx-Universität Leipzig hat sie Amerikanistik, Anglistik, Germanistik und Pädagogik studiert. Amerikanistik in der DDR – wie war das denn möglich? „Im Prinzip nicht anders als im Westen: Ich habe Englisch und Deutsch für das Lehramt studiert und im Laufe des Studiums gemerkt, dass ich lieber wissenschaftlich arbeiten als in den Schuldienst gehen will“, sagt sie. Über die Suche nach einer Promotionsstelle sei sie in der Amerikanistik gelandet.

    Die Wurzeln ihrer Leidenschaft für Amerika reichen tief: „Es gab in der DDR eine Comic-Reihe, Mosaik. Da sind die drei Protagonisten Dig, Dag und Digedag durch die Weltgeschichte gereist und haben jede Menge Abenteuer erlebt. Mich haben als Kind besonders die Hefte fasziniert, in denen sie das Amerika zur Zeit des Bürgerkriegs bereisten“, erzählt Gersdorf. Die Comics und dazu Indianerfilme der DEFA: fertig war die Begeisterung für den fernen Westen.
    Begrenzt: Das Amerikanistikstudium in der DDR

    Natürlich unterscheidet sich ein Amerikanistikstudium in der DDR stark von dem heutigen. Primärliteratur gab es häufig nur auf Deutsch, Sekundärliteratur, Zeitungen und Zeitschriften nur sehr begrenzt. „Wir haben uns deshalb immer auf der Leipziger Buchmesse bei englischsprachigen Verlagen bedient. Die wussten um unsere Not und haben netterweise ein Auge zugedrückt“, sagt die Professorin.

    Mal eben ins Ausland reisen, war natürlich auch nicht drin. „Ich habe gleich, nachdem ich meine erste Stelle angetreten hatte, den Antrag gestellt, zu Studienzwecken reisen zu dürfen“, sagt Gersdorf. Zwei Jahre später, nach einer intensiven Überprüfung, kam der positive Bescheid, dass sie den Reisekaderstatus bekommen werde. Da war es Sommer 1989 und die Reise war geplant für den Herbst 1990 nach Kent/Ohio.

    Mittlerweile hat Catrin Gersdorf England und den USA viele Besuche abgestattet. Wie ist das, wenn man auf einmal dem einstigen Klassenfeind leibhaftig begegnet? „Das war doch nur die offizielle Version“, sagt sie. Inoffiziell sei Amerika eher mit dem Mythos der Freiheit assoziiert worden.

    Kontakt

    Prof. Dr. Catrin Gersdorf, T: (0931) 31-89170, E-Mail: catrin.gersdorf@uni-wuerzburg.de


    Bilder

    Catrin Gersdorf hat in der DDR Amerikanistik studiert. Ganz ohne Schwierigkeiten ging das natürlich nicht.
    Catrin Gersdorf hat in der DDR Amerikanistik studiert. Ganz ohne Schwierigkeiten ging das natürlich ...
    Foto: Gunnar Bartsch
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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wissenschaftler
    Kulturwissenschaften, Sprache / Literatur
    überregional
    Personalia
    Deutsch


     

    Catrin Gersdorf hat in der DDR Amerikanistik studiert. Ganz ohne Schwierigkeiten ging das natürlich nicht.


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