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13.03.2015 14:26

Stromleitungen und neurodegenerative Erkrankungen: Keine Hinweise auf Zusammenhang

Oliver Kreft Stabsstelle Kommunikation und Presse
Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz

    Niederfrequente magnetische Wechselfelder wie sie beispielsweise Überlandstromleitungen erzeugen, gelten als potentielles Gesundheitsrisiko, nachdem epidemiologische Studien Hinweise ergaben, dass sie unter anderem neurodegenerative Erkrankungen wie die Alzheimer-Krankheit oder die Amyotrophe Lateralsklerose befördern könnten. Eine aktuelle Studie von Wissenschaftlern des Instituts für Pathobiochemie der Universitätsmedizin Mainz erbrachte im Mausmodell jedoch keine Anhaltspunkte für eine Verstärkung oder Beschleunigung der Krankheitsentwicklung durch solche Felder – weder in Bezug auf das Lernverhalten noch hinsichtlich bekannter Krankheitsmechanismen auf zellulärer Ebene.

    Die Ergebnisse der Studie wurden kürzlich in der renommierten Fachzeitschrift „Scientific Reports“, die zur Nature Publishing Group gehört, veröffentlicht. Die Entstehung altersabhängiger neurodegenerativer Erkrankungen, wie der Alzheimer-Krankheit oder der Amyotrophen Lateralsklerose (ALS), ist weitgehend ungeklärt. Weniger als zehn Prozent der Patienten zeigen eine familiäre Vorgeschichte, was bedeutet, dass der weitaus größte Anteil der Patienten diese Krankheiten aus bisher unbekannten Gründen entwickelt. Altersbedingte Veränderungen des Stoffwechsels, eine genetische Prädisposition oder auch Umweltfaktoren werden als mögliche Risikofaktoren diskutiert. Tatsächlich haben einige epidemiologische Studien Hinweise geliefert, dass niederfrequente magnetische Felder – die beispielsweise durch den Wechselstrom (50 Herz) in Stromleitungen oder die Benützung von elektrischen Geräten erzeugt werden – die Entstehung der Erkrankungen möglicherweise befördern. Dagegen beschreiben andere, dass die Exposition mit magnetischen Feldern keinen Risikofaktor für die Alzheimer-Krankheit oder die ALS darstellt. Aufgrund der unklaren wissenschaftlichen Datenlage gibt die Weltgesundheitsorganisation (WHO) niederfrequente Magnetfelder als einen möglichen Risikofaktor für die Alzheimer-Demenz an.
    Sowohl die Alzheimer-Demenz als auch ALS gehen mit einer fortschreitenden Degeneration und somit einem Funktionsverlust unterschiedlicher Gruppen von Gehirnzellen einher. „Die Fachwelt diskutiert zurzeit intensiv darüber, wie niederfrequente magnetische Felder die Zellfunktion auf molekularer Ebene beeinflussen könnten“, erläutert Dr. Albrecht Clement, Leiter der Studie am Institut für Pathobiochemie. „Nach unserem Wissen gibt es bisher keine Untersuchung, die unter kontrollierten Bedingungen den Langzeiteinfluss dieser Felder auf das Einsetzen der Krankheitssymptome und das Fortschreiten beider Erkrankungen untersucht hat.“
    In dem aktuellen, vom Bundesamt für Strahlenschutz geförderten Projekt konnten die Forscher nun erstmals in einer Langzeitstudie zeigen, dass die kontrollierte Exposition mit niederfrequenten Magnetfeldern über einen Zeitraum von bis zu 18 Monaten im Tiermodell die Entstehung und den Krankheitsverlauf der Alzheimer-Demenz und der ALS nicht verändert. Eine detaillierte Analyse der für die jeweiligen Krankheiten charakteristischen Merkmale zeigte, dass sich diese unabhängig von der Exposition mit niederfrequenten Magnetfeldern entwickeln. Dazu zählt im Fall der Alzheimer-Demenz unter anderem das Auftreten von pathologischen Ablagerungen des Amyloid-Beta Proteins im Gehirn und bei der ALS-Erkrankung das Auftreten von Proteinen, die durch oxidativen Stress geschädigt wurden, im Rückenmark. Auch die im Krankheitsverlauf auftretende Entzündungsreaktion im Nervensystem zeigte unter Expositionsbedingungen keine Veränderung. Darüber hinaus waren weder das Lernverhalten als Zeichen für das Fortschreiten der Alzheimer-Demenz, noch das Auftreten und die Dauer der ALS-Erkrankung durch die magnetischen Felder beeinflusst. „Diese Ergebnisse zeigen, dass die Exposition mit niederfrequenten Magnetfeldern weder krankheitsrelevante molekulare Prozesse noch mögliche, bisher unbekannte Krankheitsmechanismen beeinflusst“, erläutert Dr. Clement. „Diese Daten stützen damit eher diejenigen epidemiologische Untersuchungen, die keine schädigenden Wirkungen niederfrequenter magnetischer Felder zeigen.“
    Gleichwohl sei eine Vielzahl unterschiedlicher Studien nötig, um eine Bewertung niederfrequenter magnetischer Felder hinsichtlich möglicher gesundheitsschädlicher Effekte auf den Menschen vornehmen zu können. Das öffentliche Interesse an dieser Fragestellung wird dadurch belegt, dass diese Studie durch das Bundesamt für Strahlenschutz finanziert wurde.

    Originalpublikation:
    Martina P. Liebl, Johannes Windschmitt, Anna S. Besemer, Anne-Kathrin Schäfer, Helmut Reber, Christian Behl & Albrecht M. Clement, Low-frequency magnetic fields do not aggravate disease in mouse models of Alzheimer's disease and amyotrophic lateral sclerosis
    Scientific Reports 5, Article number: 8585, doi:10.1038/srep08585
    http://www.nature.com/srep/2015/150226/srep08585/fig_tab/srep08585_F9.html

    Bildunterschrift:
    Im Fall der Alzheimer-Demenz entwickeln sich im Tiermodell altersabhängig Ablagerungen des Amyloid-Beta-Proteins im Gehirn. Diese können markiert und mit einem Fluoreszenzmikroskop sichtbar gemacht werden.

    Kontakt
    Dr. rer. nat. Albrecht Clement, Institut für Pathobiochemie
    Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz
    Duesbergweg 6, 55099 Mainz, Telefon 06131 39-25793, Fax 06131 39-25792
    E-Mail: clement@uni-mainz.de, http://www.unimedizin-mainz.de/pathobiochemie

    Univ.-Prof. Dr. rer. nat Christian Behl, Institut für Pathobiochemie
    Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz
    Duesbergweg 6, 55099 Mainz, Telefon 06131 39-25890, Fax 06131 39-25792
    E-Mail: cbehl@uni-mainz.de, http://www.unimedizin-mainz.de/pathobiochemie

    Pressekontakt
    Dr. Renée Dillinger-Reiter, Stabsstelle Kommunikation und Presse Universitätsmedizin Mainz,
    Telefon 06131 17-7424, Fax 06131 17-3496, E-Mail: pr@unimedizin-mainz.de
    Über die Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz
    Die Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz ist die einzige medizinische Einrichtung der Supramaximalversorgung in Rheinland-Pfalz und ein international anerkannter Wissenschaftsstandort. Sie umfasst mehr als 60 Kliniken, Institute und Abteilungen, die fächerübergreifend zusammenarbeiten. Hochspezialisierte Patientenversorgung, Forschung und Lehre bilden in der Universitätsmedizin Mainz eine untrennbare Einheit. Rund 3.300 Studierende der Medizin und Zahnmedizin werden in Mainz ausgebildet. Mit rund 7.500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ist die Universitätsmedizin zudem einer der größten Arbeitgeber der Region und ein wichtiger Wachstums- und Innovationsmotor. Weitere Informationen im Internet unter www.unimedizin-mainz.de


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    Im Fall der Alzheimer-Demenz entwickeln sich im Tiermodell altersabhängig Ablagerungen des Amyloid-B ...
    Dr. Albrecht Clement
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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wissenschaftler
    Medizin
    überregional
    Forschungsergebnisse, Forschungsprojekte
    Deutsch


     

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