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21.05.2015 09:30

Phagen übertragen Antibiotikaresistenzen auf Bakterien – Nachweis auf Geflügelfleisch

Dr. Susanna Kautschitsch Public Relations
Veterinärmedizinische Universität Wien

    Bakterien entwickeln immer häufiger Resistenzen gegenüber Antibiotika. Es gibt unterschiedliche Erklärungen dafür, wie diese Resistenzen in die Bakterien gelangen. Forschende der Vetmeduni Vienna fanden sogenannte Phagen auf Geflügelfleisch, die Antibiotikaresistenzen auf Bakterien übertragen können. Phagen sind Viren, die ausschließlich Bakterien infizieren können. Für Menschen sind sie unschädlich. Phagen könnten laut Studie jedoch zur Verbreitung von Antibiotikaresistenzen beitragen. Die Erkenntnisse sind nicht nur für die Lebensmittelproduktion sondern auch für die Medizin von Bedeutung. Die Studie wurde in der Fachzeitschrift Applied and Environmental Microbiology veröffentlicht.

    Antibiotikaresistente Bakterien stellen weltweit ein bedeutendes Gesundheitsrisiko dar. Gängige Antibiotika sind bei der Behandlung von Infektionskrankheiten häufig unwirksam, weil sich die Krankheitskeime sogenannte Resistenzgene aneignen konnten. Die Übertragung dieser Antibiotika-Resistenzgene kann auf unterschiedliche Weise stattfinden.

    „Am häufigsten ist die Übertragung durch mobile genetische Elemente wie Plasmide, das sind ringförmige DNA-Elemente, die Bakterien untereinander austauschen können, oder über Transposons, sogenannte springende Gene“, erklärt die Autorin Friederike Hilbert vom Institut für Fleischhygiene an der Vetmeduni Vienna. „Der Resistenzübertragung durch Phagen wurde bisher wenig Bedeutung zugeschrieben.“

    Hilbert und ihre KollegInnen isolierten Phagen aus 50 Hühnerfleischproben, die im österreichischen Handel gekauft wurden. In 49 Proben wurden Phagen nachgewiesen. Phagen kommen überall dort vor, wo es Bakterien gibt. Deshalb war der Fund an sich nicht unerwartet. „Grundsätzlich stellen Phagen kein Problem für uns Menschen dar, weil sie nur Bakterien infizieren können, jedoch keine anderen Zellen oder Lebewesen.“

    Die Analyse der Phagen zeigte, dass ein Viertel der untersuchten Phagen in der Lage war Antibiotikaresistenzen unter Laborbedingungen auf E. coli Bakterien zu übertragen. Dabei wurden Resistenzen gegenüber Kanamycin, Tetrazyklin, Ampicillin, und Chloramphenicol übertragen. Kein Phage war in der Lage, eine Extended-Spectrum-Betalaktam Resistenz (ESBL) zu übertragen.

    „Dieser Mechanismus könnte auch für die Humanmedizin in Krankenhäusern eine wichtige Rolle spielen, da sich dort häufig multi-resistente Keime befinden. Wir gehen davon aus, dass Phagen die Resistenzgene von bereits resistenten Bakterien in sich aufnehmen und dann wiederum auf andere Bakterien übertragen“, so Hilbert. „Unsere Ergebnisse könnten in einigen Fällen erklären, wie sich Resistenzen auch in einer natürlichen Umgebung zwischen Bakterien übertragen.“

    Phagen als Treiber der Evolution

    Dass Phagen Gene übertragen können, war bisher zwar bekannt, galt allerdings für Resistenzgene als eher selten. Neuere DNA-Analysen verschiedener Bakterien-DNAs zeigen allerdings, dass Phagen ihre Spuren im Genom der Bakterien hinterlassen und dass dieser Übertragungsweg wohl häufiger ist. Daher spielen Phagen eine wichtige Rolle in der Evolution der Bakterien.

    Phagen sind widerstandsfähiger als Bakterien

    Im Vergleich zu Bakterien sind Phagen wesentlich robuster gegenüber Desinfektionsmitteln. Vor allem Alkohol wirkt gegen Phagen kaum. „Gängige Desinfektionsmethoden sind gegen Phagen oft ungeeignet“, betont Hilbert. Bei Hygienemaßnahmen in Lebensmittelbetrieben, aber auch in Krankenhäusern werden Desinfektionsmittel gewählt, die gegen Bakterien aktiv sind, aber möglichweise nicht gegen Phagen wirken.

    Phagen-Therapie als Alternative gegen resistente Bakterien

    Seit einigen Jahren gilt die Behandlung von bakteriellen Infektionen mit Phagen als vielversprechende neue Alternative im Kampf gegen antibiotikaresistente Keime. Hierbei werden Phagen dazu verwendet, Bakterien zu bekämpfen. Das hilft vor allem dann, wenn Antibiotika nicht mehr wirksam sind. Hilbert empfiehlt hier: „Phagen, die für die Therapie verwendet werden sollen, müssten auf jeden Fall auf ihre Fähigkeit, Resistenzgene zu übertragen, geprüft werden. Ansonsten könnte die Kombination von Phagen und multiresistenten Keimen einen gefährlichen Cocktail ergeben.“

    Service:

    Der Artikel „Bacteriophages isolated from chicken meat and the horizontal transfer of antimicrobial resistance genes” von Amira Shousha, Nattakarn Awaiwanont, Dmitrij Sofka, Frans J.M. Smulders, Peter Paulsen, Michael P. Szostak, Tom Humphrey und Friederike Hilbert wurde in Applied and Environmental Microbiology veröffentlicht. doi: 10.1128/AEM.00872-15
    http://aem.asm.org/content/early/2015/04/27/AEM.00872-15.long

    Über die Veterinärmedizinische Universität Wien
    Die Veterinärmedizinische Universität Wien (Vetmeduni Vienna) ist eine der führenden veterinärmedizinischen, akademischen Bildungs- und Forschungsstätten Europas. Ihr Hauptaugenmerk gilt den Forschungsbereichen Tiergesundheit, Lebensmittelsicherheit, Tierhaltung und Tierschutz sowie den biomedizinischen Grundlagen. Die Vetmeduni Vienna beschäftigt 1.300 MitarbeiterInnen und bildet zurzeit 2.300 Studierende aus. Der Campus in Wien Floridsdorf verfügt über fünf Universitätskliniken und zahlreiche Forschungseinrichtungen. Zwei Forschungsinstitute am Wiener Wilhelminenberg sowie ein Lehr- und Forschungsgut in Niederösterreich gehören ebenfalls zur Vetmeduni Vienna. Im Jahr 2015 feiert die Vetmeduni Vienna ihr 250-jähriges Bestehen. http://www.vetmeduni.ac.at

    Wissenschaftlicher Kontakt:
    Ao.Univ.-Prof. Friederike Hilbert
    Institut für Fleischhygiene
    Veterinärmedizinische Universität Wien (Vetmeduni Vienna)
    T +43 1 20577-3316
    friederike.hilbert@vetmeduni.ac.at

    Aussenderin:
    Dr. Susanna Kautschitsch
    Wissenschaftskommunikation / Public Relations
    Veterinärmedizinische Universität Wien (Vetmeduni Vienna)
    T +43 1 25077-1153
    susanna.kautschitsch@vetmeduni.ac.at


    Weitere Informationen:

    http://www.vetmeduni.ac.at/de/infoservice/presseinformationen/presseinfo2015/pha...


    Bilder

    Elektronenmikroskopische Aufnahme eines Bakteriophagen.
    Elektronenmikroskopische Aufnahme eines Bakteriophagen.
    Foto: Szostak/Dinhopl/Vetmeduni Vienna
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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, jedermann
    Biologie, Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin, Tier / Land / Forst, Umwelt / Ökologie
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

    Elektronenmikroskopische Aufnahme eines Bakteriophagen.


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