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20.04.2017 15:12

Lagerbestände am Bilanzstichtag: Alles muss raus, nichts darf rein

Kristina Brümmer Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Kühne Logistics University - Wissenschaftliche Hochschule für Logistik und Unternehmensführung

    Unternehmen senken ihre Lagerbestände zum Bilanzstichtag künstlich um durchschnittlich bis zu 6 Prozent ab. Das ist das Ergebnis einer wissenschaftlichen Studie von Prof. Dr. Kai Hoberg (Kühne Logistics University), Florian Badorf (Kühne Logistics University und Leuphana Universität) und Lars Lapp (Boston Consulting Group). Anhand umfangreicher Finanzdaten von 4.877 US-börsennotierten Unternehmen haben sie den Einfluss des Bilanzjahres auf die Lagerbestände untersucht.

    Aktuelle wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass effizientes Lagerbestandsmanagement den finanziellen Erfolg von Unternehmen deutlich steigern kann. Vor diesem Hintergrund haben die Forscher untersucht, in wie weit die Lagerbestände produzierender Unternehmen durch den Bilanzstichtag beeinflusst werden. Die Ergebnisse zeigen, dass Unternehmen je nach Industrie ihre Bestände zum Bilanzstichtag durchschnittlich zwischen 3,3 Prozent und 8,6 Prozent absenken. Andere mögliche Erklärungen wie Umsatzschwankungen, Unternehmensgröße oder Margen wurden in der Untersuchung kontrolliert. Die Senkung der Lagerbestände zeigt sich sowohl bei Unternehmen, deren Bilanzstichtag auf den Jahreswechsel fällt als auch bei solchen, deren Bilanzstichtag vom Kalenderjahr abweicht. Besonders stark senken Unternehmen ihre Bestände, wenn sie ein Cashflow-Ziel erreichen müssen. Hier weitet sich die Bestandssenkung auf durchschnittlich 17,5 Prozent aus.

    Bestände von Halbfertigprodukten sinken besonders stark

    Die Forscher bezeichnen die Reduktion der Bestände zum Bilanzstichtag als „Inverse Hockey Stick Effect“, da diese im Gegensatz zur bekannten Steigerung der Umsätze zum Ende eines Budgetzeitraums durch Rabatte steht. Allerdings lässt sich die Bestandsreduktion auch auf andere Mechanismen als die Umsatzsteigerung zurückführen. Lagerbestände lassen sich grundsätzlich in drei Arten unterteilen: (i) Rohmaterialien, die bisher noch nicht weiterverarbeitet wurden, (ii) Halbfertigprodukte, die im Unternehmen bereits verarbeitet wurden aber noch nicht verkaufsfähig sind und (iii) Endprodukte, die so verkauft werden können. Das Forscherteam zeigt, dass die Bestände von Endprodukten, die direkt vom Verkauf betroffen sind, um durchschnittlich 3,9 Prozent sinken. Dabei sinken die Bestände von Rohmaterialien ebenfalls um 3,9 Prozent und die der Halbfertigprodukte sogar um 6,0 Prozent. Dies zeigt, dass Unternehmen zum Bilanzstichtag sowohl die Einkäufe bei den Lieferanten als auch die eigene Produktion deutlich zurückfahren.

    Niedrige Bestände als positives Signal für Analysten

    Es gibt durchaus viele rationale Gründe, die Bestände zum Ende des Geschäftsjahres abzusenken, erklärt der auf Supply Chain Analytics spezialisierte Doktorand Florian Badorf: „Niedrige Bestände signalisieren Finanzanalysten, die sich immer mehr für operative Kennzahlen interessieren, ein effizientes Bestandsmanagement. Für Unternehmen, die im ersten Quartal des neuen Geschäftsjahres geringere Umsätze erzielen als im übrigen Jahr, sind diese niedrigen Bestände zur Produktion ausreichend. Und natürlich versuchen Unternehmen durch die Senkungen der Einkäufe und der Produktion auch, ihren Cashflow zu verbessern und so ihre Ausgaben im ablaufenden Geschäftsjahr zu senken.“

    Allerdings kritisiert Professor Hoberg auch die Überreaktion von Unternehmen: „Lagerbestände sollten das Ergebnis sorgfältiger Planungen von Belieferung, Produktion und Verkäufen sein – nicht von kurzfristigen Bilanzzielen. Auch wenn niedrige Bestände die Inventur vereinfachen: Das künstliche Herunterfahren der Einkäufe und der Produktion kann zu abstrusen Konsequenzen führen. Unternehmen nehmen Sendungen von Lieferanten nicht mehr an und schicken Ihre Mitarbeiter vorm Bilanzstichtag in Werksferien. Im neuen Geschäftsjahr werden dann Überstunden gefahren um die Produktionsausfälle aufzuholen – und dies nur, damit das Management sein Bestandsziel am Bilanzstichtag erreicht und den vollen Bonus dafür erhält“.

    Der Artikel "The inverse hockey stick effect: an empirical investigation of the fiscal calendar’s impact on firm inventories" ist im Pre-Print Bereich der renommierten Fachzeitschrift International Journal of Production Research einsehbar.


    Weitere Informationen:

    http://dx.doi.org/10.1080/00207543.2016.1269969


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Wirtschaft
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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