(Hannover) Wenn Frauen mit einer Vorstufe von Brustkrebs, einem sogenannten Ductalen Carcinoma in situ (DCIS), brusterhaltend operiert werden, sollte unbedingt eine Strahlentherapie folgen. So lautet - aufgrund neuer Erkenntnisse - die neue Empfehlung der "Expertengruppe Mammakarzinom" der Deutschen Gesellschaft für Radioonkologie, die auf der Jahreskonferenz der Gesellschaft in Hannover vorgestellt und diskutiert wird. Ärzte rechnen damit, dass der Anteil dieser Tumoren aufgrund der Screening- Mammographie in der Zukunft bis zu 40 Prozent aller Brustkrebsfälle ausmachen könnte.
Bei bis zu 20 Prozent aller Patientinnen, die mit der Diagnose "Brustkrebs" konfrontiert werden, handelt es sich noch nicht um einen bösartigen Tumor, sondern um eine Krebsvorstufe, ein kurz DCIS genanntes Ductales Carcinoma in situ. Dieses Karzinom, es gibt davon verschiedene Formen, wächst auf die Milchgänge begrenzt und breitet sich in diesen diffus aus, ohne jedoch aggressiv in das Brustgewebe vorzudringen. Ein DCIS ist daher oft nicht tastbar, sondern wird zumeist bei einer Mammographie entdeckt. Ein solcher Tumor bildet auch keine Tochtergeschwülste (Metastasen). Keine Patientin muss an einem DCIS sterben: frühzeitig erkannt und richtig behandelt, ist es fast zu 100 Prozent heilbar.
Dennoch kann aus einem DCIS eine potentiell lebensbedrohliche Erkrankung werden, da es unbehandelt in ein invasives Karzinom, also einen bösartigen Brustkrebs, übergehen kann.
Paradoxerweise war es bis vor wenigen Jahren Standard, bei einem DCIS die Brust zu amputieren. Der Grund: Diese Tumoren sind schwer vom gesunden Brustgewebe abzugrenzen. Entsprechend werden durch eine Brustamputation 100 Prozent der Frauen mit einem DCIS geheilt.
Brusterhaltende Eingriffe möglich.
Doch inzwischen operieren die Ärzte diesen Tumor zumeist brusterhaltend. Folgt danach keine Bestrahlung, beträgt das Rückfallrisiko nach 25 Jahren 40 bis 50 Prozent. In diesem Fall können die Ärzte meistens nicht sicher bestimmen, ob es sich um einen Rückfall der DCIS-Erkrankung oder um einen neuen Krebs in derselben Brust handelt. Ebenso ist es bis heute nicht möglich, bei einer Patientin mit einem DCIS individuell vorherzusagen, ob bei ihr ein Erkrankungsrückfall auftreten wird oder nicht. Das Tückische am Rückfall ist, dass sich die ursprüngliche Krebsvorstufe bei knapp der Hälfte der Patientinnen dann jedoch in eine bösartige Geschwulst verwandelt hat.
Mehrere Studien belegen, dass eine Strahlentherapie nach brusterhaltender Operation das Rückfallrisiko deutlich senken kann. Dennoch gab es unter Ärzten verschiedener Fachrichtungen unterschiedliche Auffassungen darüber, ob und welchen Patientinnen sie eine Bestrahlung empfehlen sollen.
Die Deutsche Gesellschaft für Radioonkologie (DEGRO) veröffentlichte im Jahre 2006 Leitlinien zur Bestrahlung bei Brustkrebs. Bei der Sonderform DCIS empfahlen die Ärzte nach brusterhaltender Operation im Allgemeinen eine Strahlentherapie, eine mögliche Ausnahme sahen sie jedoch bei besonders günstigen Risikofaktoren, wie z.B. kleinen Tumoren (unter 2.5 cm), einem Alter über 50 Jahre und großzügiger Operation mit mehr als 1 cm Sicherheitsabstand.
Neue Empfehlungen der Expertengruppe.
Dies hat sich nun geändert: Die "Expertengruppe Brustkrebs" der DEGRO stellt in Hannover neue Empfehlungen vor, die allen Patientinnen mit DCIS eine Bestrahlung empfehlen, wenn die Brust erhalten wurde.
Erstmalig zeigt nämlich eine Studie an der Harvard Universität in Boston, an der 158 Patientinnen mit DCIS teilnahmen, dass auch bei Frauen mit vermeintlich günstigen Risi-kofaktoren ohne Strahlentherapie eine beträchtliche Anzahl an Rückfällen auftritt. Alle Frauen dieser Studie wurden mit einem großen Sicherheitsabstand von über einem Zentimeter operiert, erhielten dann aber keine Nachbestrahlung, sondern wurden engmaschig nachbeobachtet. Die Studie musste aus ethischen Gründen vorzeitig abgebrochen werden, da eine Rückfallquote von 12 Prozent (nach 5 Jahren) errechnet wurde. In 31 Prozent waren die Tumore auch in dieser ausgewählten Gruppe mit günstigen Prognosefaktoren bösartig.
PD Dr. Rainer Souchon (Hagen), der die Empfehlungen im Namen der Expertengruppe in Hannover vorstellt, weist ausdrücklich daraufhin, dass aufgrund dieser neuen Daten "alle Patientinnen mit DCIS nach brusterhaltender Operation bestrahlt werden sollten." Diese Empfehlung gelte, so der Experte weiter, "bis wir wissen, ob wir aufgrund neuer operativer Verfahren und zusätzlicher Untersuchungen Untergruppen von Patientinnen definieren können, die keine Bestrahlung benötigen. Bis dahin sollten wir keiner Frau mit DCIS nach brusterhaltender Operation die Bestrahlung als Sicherheitsmaßnahme vorenthalten."
Pressekontakt: Prof. Dr. med. Marie-Luise Sautter-Bihl
Pressesprecherin der DEGRO
Direktorin der Klinik für Strahlentherapie
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Merkmale dieser Pressemitteilung:
Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
überregional
Buntes aus der Wissenschaft, Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Tagungen
Deutsch
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