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25.11.2005 15:17

Der ganz normale Besatzer-Alltag...: Erziehungswissenschaftler schrieb Familien-Roman

Susanne Bossemeyer Stabsstelle 2 – Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit
FernUniversität in Hagen

    Die deutsche Besetzung Polens im Zweiten Weltkrieg kann man wissenschaftlich aufarbeiten. Univ.-Prof. Dr. Georg Hansen, Lehrgebiet Interkulturelle Erziehungswissenschaften an der FernUniversität in Hagen, hat mit seinem jüngst erschienenen dokumentarischen Roman "Als Kalisch deutsch war..." diese Zeit aus einer sehr persönlichen Sicht aber viel anschaulicher beleuchtet.

    Die deutsche Besetzung Polens im Zweiten Weltkrieg kann man wissenschaftlich aufarbeiten - viel anschaulicher ist es aber, diese Zeit aus einer sehr persönlichen Sicht zu beleuchten. Dr. Georg Hansen, Professor für Interkulturelle Erziehungswissenschaften an der FernUniversität in Hagen, hat sich für diesen Weg entschieden. Und mit seinem Roman "Als Kalisch deutsch war..." die Geschichte einer Familie während der Ausbreitung der nationalsozialistischen Herrschaft in Europa auf durchaus dokumentarische Weise nachgezeichnet. Es ist die Geschichte der (fiktiven) Familie Wagner, die einiges aus der Familie von Georg Hansen widerspiegelt. Hansen wurde 1944 in eben jenem polnischen Kalisz (Kalisch) geboren, das deutsch besetzt und dem Reich zugeschlagen war.

    Der 2005 erschienene Roman von Univ.-Prof. Dr. Georg Hansen bringt Licht in die Phase der deutschen Besatzungszeit in Polen, die noch immer weitgehend im Dunkeln liegt. Der Roman ist aber nur ein Ergebnis monatelanger wissenschaftlicher Recherchen in polnischen Archiven. Bereits 1994 war eine Quellenedition erschienen. Die Zeit dazwischen brauchte Hansen, um ein neues Verhältnis zu seiner eigenen Familie zu finden.

    Bereits 1986 wollte er, damals noch Professor in Münster, die Schulpolitik der deutschen Besatzungsmacht während des Zweiten Weltkriegs aufarbeiten. Als erste westdeutsche Wissenschaftler erhielten Hansen und seine Kollegin Prof. Dr. Marianne Krüger-Potratz für ihre wissenschaftlichen Recherchen Zugang zu den polnischen Staatsarchiven. 1994 gab Hansen als erstes die Edition "Schulpolitik als Volkstumspolitik. Quellen zur Schulpolitik der Besatzer in Polen 1939 - 1945" heraus.

    Es gab aber noch viel mehr Unterlagen: "Wir haben ja auch am Rand geschaut und Informationen zum Alltag der deutschen Besatzerfamilien gefunden, mit denen ich gar nicht gerechnet hatte. Das Feld wurde immer weiter und spannender."

    Hinzu kam "eine zweite Schiene", eine sehr persönliche. Georg Hansen war ja selbst Kind eines zivilen Mitarbeiters der deutschen Besatzer. Sein Vater, zuvor bei der Landesbauernschaft Hannover, war in gleicher Funktion nach Polen versetzt worden. Und dort, in Kalisz (deutsch: Kalisch), wurde Georg Hansen 1944 geboren. Im Zuge seiner Nachforschungen interessierte er sich immer mehr dafür, wie die Besatzung im Detail abgelaufen war. Das "nebenbei gesammelte Material" über den normalen Alltag, in dem "die Besatzer ein Land 'eingedeutscht' haben", musste doch irgendwie verwertbar sein...

    Und zwar so, dass es für eine breitere, interessierte Öffentlichkeit "konsumierbar" war. Hansens Idee: Ein Roman sollte es werden, der dokumentierend Daten und Ereignisse als Realität berücksichtigt und sie mit fiktiven Rahmenhandlungen und Personen verknüpft. Hansen: "Was stattfindet, was berichtet wird basiert auf unseren wissenschaftlich ausgewerteten Quellen." Dem widerspricht nicht, dass er für viele der fiktiven Personen "Anleihen bei der eigenen Familiegeschichte" machte, also bei der Realität: "Es ist aber nicht die Geschichte meiner Familie, um die ging es nicht." Mit dieser Collage aus Fiktion und Realität konnte Hansen vielmehr dramaturgisch arbeiten, denn "man kann sich manches gar nicht so schön ausdenken wie das, was tatsächlich stattgefunden hat, was wirklich war."

    1990 begann Hansen mit dem Schreiben: "Ich kam bald nicht weiter - erst musste ich mir ein Bild über meine eigene Familie machen!" Welche Rolle hatte vor allem sein früh verstorbener Vater gespielt? Durch die Arbeit lernte Hansen "einen ganz anderen Vater kennen als in den Erzählungen meiner Mutter." Die Arbeiten an dem Roman waren auch ein Klärungsprozess mit meiner Familie. Erst die wissenschaftliche und persönliche Beschäftigung mit der allgemeinen Vergangenheitsverdrängung nach 1945 machte es Hansen möglich, das Verhalten der Kriegsgeneration zu erklären und zu verstehen. Erst nach dieser sehr persönlichen Klärung konnte Hansen das Buch schreiben.

    Mit dem Roman will er einen kleinen Beitrag zur endgültigen Aussöhnung zwischen Deutschen und Polen leisten: "Ein gelassenes Verhältnis werden wir wohl nur bekommen, wenn wir einen gemeinsamen Prozess über unsere gemeinsame Vergangenheit in Gang setzen." Das werde sicher Jahrzehnte dauern, aber Hansen ist optimistisch: Die "Erbfeindschaft" mit Frankreich ist ja auch völlig aus den Köpfen verschwunden.

    Georg Hansen. Als Kalisch deutsch war... Eine Tochter auf den Spuren der Besatzer. Ein dokumentarischer Roman. Schardt Verlag Oldenburg. ISBN 3-89841-175-3


    Weitere Informationen:

    http://www.fernuni-hagen.de/presse/medieninformationen/2005/11/2005_11_22_kalisc... - zusätzliche Informationen


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Geschichte / Archäologie, Gesellschaft, Pädagogik / Bildung, Sprache / Literatur
    überregional
    Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

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