idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
22.12.2010 19:00

Weder Neandertaler noch moderner Mensch

Michael Seifert Hochschulkommunikation
Eberhard Karls Universität Tübingen

    Analyse eines 30.000 Jahre alten Fingerknochens aus Sibirien lie-fert neue Erkenntnisse über die Ursprünge des modernen Menschen – unter Beteiligung der Universität Tübingen

    Sperrfrist: 22. Dezember 2010, 19:00 Uhr

    Die Sequenzierung des Kerngenoms aus einem uralten in einer sibirischen Höhle gefundenen Fingerknochen ergibt, dass die Höhlenbewohner weder Neandertaler noch moderne Menschen waren. Zu dem internationalen Forscherteam unter der Leitung von Svante Pääbo vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig, das diese Arbeit jetzt in „Nature“ veröffentlichte, gehört auch Dr. Johannes Krause, Juniorprofessor an der Universität Tübingen. Das Team sequenzierte das Kerngenom aus dem wenigstens 30.000 Jahre alten Fingerknochen eines ausgestorbenen Urmenschen, der von Archäologen der Russischen Akademie der Wissenschaften im Jahr 2008 in der Denisova-Höhle im südlichen Sibirien ausgegraben wurde.

    Anfang dieses Jahres hatte das Forscherteam bereits herausgefunden, dass die mitochondriale DNA aus dem Fingerknochen eine ungewöhnliche Sequenz aufwies und möglicherweise von einem bisher nicht beschriebenen Urmenschen stammte. Mithilfe der am Neandertalergenom entwickelten Techniken sequenzierten die Forscher nun das Kerngenom aus dem Knochen, d.h. die gesamte Erbinformation aus dem Zellkern einer Zelle. Sie fanden heraus, dass das Individuum, dem der Fingerknochen gehörte, weiblich war und einer Gruppe von Urmenschen angehörte, die eine gemeinsame Herkunft mit dem Neandertaler teilte, danach aber einen anderen evolutionären Weg beschritt. Diese neue Urmenschenform nennen die Forscher Denisova-Mensch. Im Gegensatz zu den Neandertalern trugen die Denisova-Menschen keine Gene zu allen heute lebenden Nicht-Afrikanern bei. Sie teilten jedoch eine größere Anzahl von genetischen Varianten mit heute auf Papua Neuguinea lebenden Populationen, was nahe legt, dass es zwischen dem Denisova-Menschen und den Vorfahren der Melanesier zu einer Vermischung gekommen ist.

    David Reich, der an der Harvard Medical School forscht und die populationsgenetische Analyse leitete, sagt: “Die Tatsache, dass die Denisova-Menschen in Südsibirien entdeckt wurden, aber zum Erbmaterial heute lebender menschlicher Populationen in Neuguinea beigetragen haben, zeigt, dass die Denisova-Menschen während des Pleistozäns in Asien weit verbreitet gewesen sein müssen.“

    Svante Pääbo vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie merkt an: “Kombiniert mit der Genomsequenz des Neandertalers, zeigt uns das Denisova-Genom ein komplexes Bild genetischer Interaktionen zwischen unseren Vorfahren und anderen Urmenschengruppen.”

    Außerdem untersuchten die Forscher einen Denisova-Zahn, der in derselben Höhle in Sibirien ausgegraben wurde und dessen Morphologie und äußere Beschaffenheit sich von der eines Neandertalerzahnes und des Zahnes eines modernen Menschen unterscheidet, denen sehr viel älterer Urmenschenformen aber ähnelt. Johannes Krause, Professor für Paläogenetik an der Universität Tü-bingen: “Dieser Zahn weist fast die gleiche DNA wie der Fingerknochen auf. Er ermöglicht es uns, morphologische und genetische Informationen miteinander in Verbindung zu bringen.“ Johannes Krause wechselte im Sommer vom Max-Planck-Institut in Leipzig an die Universität Tübingen. Er setzt dort die Erforschung der Urmenschen-DNA fort und hat sich auf die Analyse von frühen mo-dernen Menschen spezialisiert, wie den Cro-Magnon Menschen, den ersten Europäern.

    Finanzielle Unterstützung erfuhr die Studie durch die Max-Planck-Gesellschaft, die Krekeler-Stiftung, die National Institutes of Health (USA) und die National Science Foundation (USA).

    Die Originalveröffentlichung:

    David Reich, Richard E. Green, Martin Kircher, Johannes Krause, Nick Patterson, Eric Y. Durand, Bence Viola, Adrian W. Briggs, Udo Stenzel, Philip L. F. Johnson, Tomislav Maricic, Jeffrey M. Good, Tomas Marques-Bonet, Can Alkan, Qiaomei Fu, Swapan Mallick, Heng Li, Matthias Meyer, Evan E. Eichler, Mark Stoneking, Michael Richards, Sahra Talamo, Michael V. Shunkov, Anatoli P. Derevianko, Jean-Jacques Hublin, Janet Kelso, Montgomery Slatkin, Svante Pääbo: Genetic histo-ry of an archaic hominin group from Denisova Cave in Siberia
    Nature, 23. Dezember 2010, doi:10.1038/nature09710

    Kontakt:

    Prof. Dr. Johannes Krause
    Universität Tübingen
    Institut für Naturwissenschaftliche Archäologie
    Telefon: +49 341 3550-517
    krause[at]eva.mpg.de


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Biologie, Geowissenschaften, Geschichte / Archäologie, Kulturwissenschaften
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).