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06.11.1998 00:00

Unireform? Vorpommern will nicht 100 Jahre hinterherhinken

Dr. Edmund von Pechmann Hochschulkommunikation
Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald

    Alle, die nicht bis zum Dezember warten wollen, können hier einige Zeilen aus dem JOURNAL zu Weihnachten lesen.

    Sieben Brillen
    Ein Moritz-organisiertes Podium zu einer Unireform

    In jeder Rhetorikschulung heißt es zu lernen, das zu sagen, was man mitzuteilen wünscht, und nicht auf das einzugehen, was gefragt war oder auf der Zunge lag. Als die (studentischen) Moritzmedien am 4. November knapp Hundert zu einem Podium in die Aula gelotst hatten, war das wenig anders. Und auch wieder gleich. Gleich einer gemeinsamen Senatssitzung in alter und neuer Besetzung am 2. September. Wenn der Rhythmus eingehalten wird, findet die nächste Runde am 0. Januar 1999 statt, und dann müßte alles anders werden.
    Wer jeweils kam, wußte, daß der Rektor im Mai viele Seiten voll Vorschläge zu einer veränderten Unistruktur gemacht hatte und mehrere (Gruppen) sich daran mehr oder weniger öffentlich gerieben hatten. Nicht jeder Andersvorschlag ist leichter zu verstehen als der des Rektors, weil sich jeweils an den Rektorgedanken aufgehangen wird, in medias res repliziert, satt aus der Mitte einer Diskussion, die nicht jeder in sich erleben muß.
    Der Rektor erlebt in sich die Frage, wie wir mit demnächst »grundstürzenden Dingen« umgehen werden, etwa der leistungorientierten Besoldung von Professoren oder den leistungerleichternden Bachelor- und Masterausbildungen. Er grämt sich vor einer Überreglemetierung im Land, nachdem der Bund per Hochschulrahmengesetz etwas Freiheit gewährt haben könnte. Nur ein »wir können's schon«, werde die Landesparlamentäre nicht überzeugen, sondern lachen machen. Also müsse man sich organisieren für Forschung, für Transfer, für eigene Geldverteilung. Viele haben ihm vorgehalten, er organisiere für sein Leben gern. So mag es sein, doch spricht er auch: »Durch Organigramme kommt nicht das Heil über die Welt.«
    Der Rektor will »eine gewisse Fremdberatung« (Hochschulrat), doch nicht gruppenbesetzt wie in Rundfunkräten; er will die Leitungebene verbreitern (die Dekane mehr einbinden), ggfs. die Fachbereiche vermehren durch Verkleinerung, damit Gruppeninteressen im Rektorat stärken.
    Vielfach kommt der Einwurf, der Rektor wolle eine Einmannschaft schaffen, alles selber bestimmen können. Das kann er jetzt schon. Er scheint gegen diese Einwürfe taub. Er will, daß »Verantwortung klar festmachbar« sei, bevorzugt das »funktionelle Denken« (wie also ein Studiengang von wem gelenkt, bewerkstelligt werden muß) statt das institutionelle.
    Exprorektor und Jetztdekan Prof. Klaus Fesser entgegnet stets, daß Naturwissenschaftler immer in Instituten arbeiten. Die Misere liege daran, daß »die steuerzahlende Gemeinschaft« nicht bereit sei, die Hochschulen entsprechend der politisch gewollten, gestiegenen Studentenzahlen auszustatten. Gremienentscheidungen seien möglich, doch seien die Möglichkeiten, die die Gremien heute bieten, nicht genug »ausgeschöpft« worden. Schön zu wissen: selbst über schwierige Fragen könne man mit seinen Fakultäten reden. Fremden Rat könne man sich holen, wenn er gebraucht werde. »So schlau wie« ein (ständiger) externer Berater »bin ich allemal.«
    Und so geht es hin und her. Sylvia Setzkorn fordert Förderung der Nachwuchswissenschaftler, Bindeglieder zwischen Studenten und Professoren, und der Frauen. Christiane Wilke will mehr Studenten beteiligen, weniger auf keinen Fall, worauf der Rektor sagt, die vier studentischen Senatoren seien heute schon weniger als ein Promille, also mache eine Verringerung auch nicht viel aus; und die Frauenfrage sei weniger eine Struktur-, denn eine Laufbahnfrage. Bald gebe es womöglich freiforschende Postgraduierte, also keine Habilitanden mehr; das möge helfen.
    Vor »der Ökonomie« graut es Manchen im Saal; die Philosophin Dr. Carola Häntsch schließt aus der Forderung nach Ökonomie auf den Zwang, per Drittmittel Menschen einzustellen, »also« den Untergang einiger Studiengänge herbeizuführen. Magnifizenz widerspricht und mißt Effizienz nicht nur wirtschaftliche Bedeutung bei.
    Zwei, drei oder vier Reden weichen ganz von den Institutabschaffung-Ökonomieschwert-Demo- oder Undemokratie-Ein- und Auswänden ab: der Anglist Prof. Jürgen Klein, Fellow am Wolfson College in Oxford, wagt, Magnifizenz zu fragen, ob wir nach dessen Meinung bereits (oder eben nicht) eine Forschungsuniversität seien; die Wissenschaftler müßten für ihre Fächer Verantwortung tragen und über demokratische Strukturen ihre Aufgaben verwirklichen; eine Verschiebung von unten nach oben nennt er »problematisch«. AStA-Senior Andreas Skrobanek murrt, daß zu allgemein und immer aneinander vorbei geredet werde: warum gebe es nicht die seit 1994 vorgeschriebene Lehr- und vor allem Forschungevaluation; warum führe Meckern über »die« Verwaltung nicht zu einem Antrag, einen Unternehmensberater zu beschäftigen; warum nenne der Rektor falsche Ursachen, obwohl er richtige Analysen abgebe? Wenn es jetzt (schon) zu wenig Transparenz gebe, dann sei die Verringerung auf noch wenigere Mitwissende unbesserlich. Verlagerung auf einzelne? »Es gibt auch unter den Professoren Unkluge, Uninformierte.« Auch dagegen gibt es Gegenreden; manch einer wünscht sich weniger An- und Mitsprechpartner.
    Was will die Uni eigentlich? Will sie dümpeln oder vorne mitspielen? Wenn sie, verständlicherweise, vorne mitmachen will, muß sie Exzellenzen anziehen, sagt die Exprorektorin und DFG-Senatorin Prof. Christine Schütt. Beipflichtung von Kanzler Carl Heinz Jacob, der weiß, daß nur, wer gut gemanaged werde, auch in der Ersten Liga spiele, und wer am besten gemanaged wird, spielt ganz oben.
    Ermüdung. Es mag vielleicht eine Arbeitgruppe um den Rektor geben - vielleicht wird sie die Rektor- und anderen Gedanken einmal in Relation zu dem Geschehen anderswo in Deutschlands Hochschulen setzen, herausfinden, woher die Gedanken kommen oder tatsächlich Greifswalder Ersinnungen sind. Es wird vielleicht einmal jemanden geben, der aufdröselt, was denn überhaupt die Punkte zu Kritik hier sind. Öffentlichkeitarbeit wurde oft genannt. Sich verantwortlich fühlen (müssen/sollen) »für diese« Uni wurde manchmal beschworen. Es gibt Hoffnung durch die weite und offenlassende Sicht von Prof. Jürgen Klein; es gibt Hoffnung durch das Bohren an den Magerbetonstellen von Andreas Skrobanek. Bei gutem Willen - die acht anwesenden Professoren im Auditorium gaben beredt davon Zeugnis - sollte sich viel tun und verbessern lassen, so denn Falsches da ist. »Wir haben das richtige Thema zum falschen Zeitpunkt angeboten«, erinnerte sich der exzellent moderierende Jurastudent Christian Pegel, als dank AStA vor zwei Jahren die Hochschulthemen der Zeit mit jeweils etwa einem Dutzend Interessierten diskutiert wurden. Jetzt scheint die Zeit reif, der Wille willig, möglichen Bedrohungen der Zukunft gemeinsam vorzubauen. Angst des Chefs: wegen der neuen Geldverteilmechanismen und befürchteter Entsolidarität drohe die Universität auseinanderzubrechen. An Klugheit, sie ganz zu bewahren - sieben Brillen auf dem Podium! - gebricht's der Uni hoffentlich nicht. EP


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Gesellschaft, Medien- und Kommunikationswissenschaften, Politik, Psychologie, Recht, fachunabhängig
    überregional
    Forschungsprojekte, Organisatorisches, Wissenschaftspolitik
    Deutsch


     

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