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27.09.2013 09:47

Chronobiologie: Nicht alles dreht sich um die Sonne

Veronika Schallhart Öffentlichkeitsarbeit
Universität Wien

    Forschungsplattform "Marine Rhythms of Life" beleuchtet das Zusammenspiel innerer Uhren: Lange Zeit widmete sich die molekulare Chronobiologie hauptsächlich den circadianen – 24 Stunden dauernden – Rhythmen, die den Tag-Nacht-Rhythmus beschreiben und deren "Zeitgeber" die Sonne ist. Der Zeitgeber ist ein äußerer Einfluss, der auf die "innere Uhr" eines Lebewesens wirkt und veranlasst, dass die inneren Rhythmen mit der Umwelt synchronisiert werden. Im Meer stellen Tiere ihre innere Uhr jedoch auch nach dem Mond. Dazu publizieren Kristin Tessmar-Raible und ihr Team an den Max F. Perutz Laboratories (MFPL) der Universität Wien und der Medizinischen Universität Wien im Journal "Cell Reports".

    Richtiges Timing garantiert Nachkommen

    Zwar wurde schon in der Antike beobachtet, dass sich Meerestiere für die Fortpflanzung nach den Mondphasen richten, auf molekularer Ebene sind diese sogenannten circalunaren Rhythmen und der zugrunde liegende endogene Mechanismus – die "Monduhr" – bisher allerdings fast gänzlich unerforscht. Völlig unbekannt war insbesondere, wie diese mit der 24-Stunden (circadianen) Uhr zusammenspielen. Am Beispiel des marinen Wurms Platynereis dumerilii beschreiben Kristin Tessmar-Raible, Leiterin der Forschungsplattform "Marine Rhythms of Life" der Universität Wien, und ihr Team nun erstmals sowohl seine 24-Stunden-Uhr als auch seine Monduhr, und wie diese beiden Uhren miteinander interagieren.

    Die etwa drei Zentimeter großen Würmer, die am Meeresboden leben, reifen und schwimmen in Abhängigkeit vom Mond- und Sonnenzyklus an die Wasseroberfläche. Dort vollführen sie einen Paarungstanz und geben zeitgleich ihre Spermien und Eier in das Wasser ab. Dieses Phänomen der synchronisierten Fortpflanzung findet man bei vielen Meereslebewesen mit äußerer Befruchtung, etwa bei den Korallen des Great Barrier Reefs oder den Krabben der Weihnachtsinsel.

    Mehr als nur eine Uhr

    Eine bisher ungeklärte Schlüsselfrage war, ob ein Organismus von einer oder von mehreren inneren Uhren gesteuert wird. Das Team um Kristin Tessmar-Raible konnte nun erstmals nachweisen, dass mindestens zwei Uhren, die circadiane und die circalunare Uhr, daran beteiligt sind. Diese Uhren beeinflussen sich sowohl auf Genregulationsebene als auch bei der Verhaltenssteuerung. Letzteres konnte auch mithilfe des technischen Setups von Andrew Straw vom Institut für Molekulare Pathologie (IMP) geklärt werden.

    Wie Monduhr und 24-Stunden-Uhr interagieren

    Die Ergebnisse weisen einerseits darauf hin, dass die Monduhr unabhängig von der 24-Stunden-Uhr ist, genauer gesagt vom Oszillieren der Clock-Gene. Andererseits scheint die 24-Stunden-Uhr sehr wohl von der Monduhr beeinflusst zu sein: Der Wurm ist eigentlich nachtaktiv, aber er "tagwandelt" während jener Phase des Monats, in der Vollmond wäre.

    "Die richtig spannende Frage ist jetzt, ob solche mehrfachen Uhren auch in anderen Tieren und dem Menschen vorhanden sind. Erste Hinweise, dass der Mondzyklus zumindest den menschlichen Schlafzyklus beeinflusst, gibt es bereits", erklärt Juliane Zantke, Erstautorin der Studie und Doktorandin bei Kristin Tessmar-Raible, und bezieht sich auf folgende Publikation: Curr Biol. 2013 Aug 5;23(15):1485-8. DOI: 10.1016/j.cub.2013.06.029.

    Auf diesen Erkenntnissen basierend können nun weitere Fragestellungen beantwortet werden, etwa welche einzelnen Gene und Zelltypen bei der Monduhr involviert sind und worum es sich eigentlich bei dem Mondlichtrezeptor handelt. Daran forschen Kristin Tessmar-Raible und ihr Team bereits parallel.

    Publikation in Cell Reports:
    Circadian and Circalunar Clock Interactions in a Marine Annelid. Juliane Zantke, Tomoko Ishikawa-Fujiwara, Enrique Arboleda, Claudia Lohs, Katharina Schipany, Natalia Hallay, Andrew D. Straw, Takeshi Todo, and Kristin Tessmar-Raible. September 26, 2013.
    DOI: http://dx.doi.org/10.1016/j.celrep.2013.08.031

    Wissenschaftlicher Kontakt:
    Dr. Kristin Tessmar-Raible
    Max F. Perutz Laboratories (MFPL) und
    Forschungsplattform Marine Rhythms of Life
    Universität Wien
    T +43-1-4277-746 35
    kristin.tessmar@mfpl.ac.at

    Rückfragehinweis
    Dr. Lilly Sommer
    Max F. Perutz Laboratories
    Communications
    T +43-1-4277-24014
    lilly.sommer@mfpl.ac.at


    Bilder

    Der marine Wurm "Platynereis dumerilii" (oben: reifes Weibchen, unten: Männchen), dessen 24-Stunden-Uhr und Monduhr nun erstmals beschrieben wurden.
    Der marine Wurm "Platynereis dumerilii" (oben: reifes Weibchen, unten: Männchen), dessen 24-Stunden- ...
    Quelle: (Copyright: Juliane Zantke)

    Kristin Tessmar-Raible (re) und Juliane Zantke (li) erforschen an den Max F. Perutz Laboratories den marinen Wurm "Platynereis dumerilii", der seine innere Uhr auch nach dem Mond stellt.
    Kristin Tessmar-Raible (re) und Juliane Zantke (li) erforschen an den Max F. Perutz Laboratories den ...
    Quelle: (Copyright: Kristin Tessmar-Raible)


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Biologie, Medizin, Umwelt / Ökologie
    überregional
    Forschungsergebnisse, Forschungsprojekte
    Deutsch


     

    Der marine Wurm "Platynereis dumerilii" (oben: reifes Weibchen, unten: Männchen), dessen 24-Stunden-Uhr und Monduhr nun erstmals beschrieben wurden.


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    Kristin Tessmar-Raible (re) und Juliane Zantke (li) erforschen an den Max F. Perutz Laboratories den marinen Wurm "Platynereis dumerilii", der seine innere Uhr auch nach dem Mond stellt.


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