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Veranstaltung



20.02.2006 - 22.02.2006 | Augsburg

Hellenismus. Eine Kulturgeschichte

Eine Tagung des Augsburger Lehrstuhls für Alte Geschichte in Zusammenarbeit mit dem Institut für Europäische Kulturgeschichte und mit Unterstützung durch die Fritz Thyssen Stiftung, den Klett-Cotta-Verlag, die Gesellschaft der Freunde der Universität Augsburg und die Kurt Bösch-Stiftung

Der Hellenismus als die Zeit vom Aufstieg Alexanders des Großen (336 v.Chr.) bis zum Tod von Kleopatra VII. (30 v.Chr.) weist als besonderes Charakteristikum die geographische Ausweitung der griechischen Welt in bis dahin unbekannte Kulturräume sogar jenseits des Vorderen Orients auf. Sie ging einher mit einer Vielzahl von in Intention und Ergebnis unterschiedlichen Versuchen, der jeweils fremden Kultur zu begegnen, was von Formen der Akkulturation bis zu strikter Ablehnung bzw. getrennten Welten reichen kann.

Die wissenschaftliche Erforschung gerade dieser Epoche hat in den vergangenen Jahren kontinuierlich zugenommen, und zwar in allen fachlichen Teilbereichen - Alte Geschichte, Klassische Archäologie, Klassische Philologie und Orientalistik. Ihren Niederschlag fand diese Beschäftigung nicht nur in der materiellen Erweiterung des Wissensbestandes durch Editionen von Inschriften und Papyri, sondern vor allem in einer Reihe von methodisch innovativen Studien. Betrachtet man die derzeit behandelten Forschungsgegenstände in den einzelnen Teilbereichen, lassen sich starke Ansätze für ein kulturgeschichtliches Profil erkennen, das es auszubauen und mit einem interdisziplinären Ansatz zu schärfen gilt.

Kennzeichnend für das in den letzten Jahren etablierte Paradigma der Kulturgeschichte ist seine Orientierung an Wahrnehmungen und Deutungen von Welt, die sich der sektorialen Zuordnung an einen bestimmten als 'Kultur' bezeichneten Bereich gesellschaftlicher Sinnproduktion entziehen, sondern es umgekehrt erlauben, die unterschiedlichsten Teilbereiche gesellschaftlichen Handelns aus einer kulturwissenschaftlichen Perspektive in den Blick zu nehmen. Nach einer jüngeren Definition umfasst Kulturgeschichte damit "die möglichst vollständige Rekonstruktion der Bedingungen, Anlässe, Formen, Ergebnisse und Folgen sinnhaften Handels konkreter Menschen ... in der Vergangenheit", die Erforschung der "Formen der Wahrnehmung von Wirklichkeit, ihrer Deutung und Gestaltung durch Wissen; ... der Denkformen und Handlungsspielräume der Menschen unter den jeweiligen konkreten geschichtlichen Bedingungen, der psychisch und kulturell konstituierten Formen und verhaltenssteuernden Wirkungen der Empfindungen, der emotionalen Sensibilitäten, des Glaubens, des Bewusstseins der Menschen" (R. Vierhaus).

Dementsprechend hat nicht die Rekonstruktion der Ereignisgeschichte im Vordergrund zu stehen, sondern es sind spezifische Themen in den Blick zu nehmen, bei denen die Wahrnehmungs-, Denk- und Handlungsmuster sowie die zugrunde liegende 'Mentalität' der Protagonisten für die Zeit des Hellenismus besonders hervortreten. Es geht also um exemplarische Erarbeitungen verschiedener Deutungsmuster von Wirklichkeit. Dabei sind die Altertumswissenschaften grundsätzlich in keiner komfortablen Situation, da der Quellenbestand überaus begrenzt ist, keine seriellen Quellen zu bieten hat und oftmals Regel nur die Perspektive der gebildeten Elite vorliegt. Gerade für die hellenistische Zeit stellt sich die Situation jedoch anders dar, weil durch einen hohen Bestand an Inschriften und vor allem Papyrustexten die Möglichkeit besteht, ein größeres Spektrum an Bevölkerungsgruppen und deren Wahrnehmungen vergleichend in den Blick zu nehmen.

Mit dem nachfolgend aufgeführten Fragenkatalog verbindet sich die Zielsetzung, das methodische Potential eines kulturgeschichtlichen Forschungsansatzes anhand ausgewählter Themenkomplexe, die aus unterschiedlichen Perspektiven in den Blick genommen werden, auszuloten bzw. zu entfalten:
* In welcher Weise bestimmten die neuen Monarchien das Handeln der Menschen? Inwiefern war 'politisches' Agieren auf lokaler Ebene (noch) möglich?
* Mit welchen Handlungsstrategien und in welchen Bereichen war persönliches und gesellschaftliches Prestige zu erreichen? Wie funktionierte soziale Mobilität?
* Wie legitimierten sich - alte und neue - Eliten? Welche Formen von Repräsentation, Kommunikation, Interaktion sowie im Gebrauch von Medien lassen sich ausmachen?
* In welcher Weise wurden ethnisch fremde Gruppen von den Griechen und die Griechen von der indigenen Bevölkerung wahrgenommen? Wie wurden Minderheiten ausgegrenzt?
* Welche Rolle spielte die Zugehörigkeit zu einem festen Personenverband angesichts massiver Migrationserfahrungen? Wie definieren sich diesbezüglich Identitäten und Alteritäten?
* Lässt sich eine Art von 'Alltagsgeschichte' - vor allem mit Blick auf kleinere soziale Einheiten in unterschiedlichen Regionen - erstellen?
* Welche Handlungsspielräume hatten Männer und Frauen? Wie wurden sie, ebenso auch als Kinder und alte Menschen, wahrgenommen und dargestellt?
* In welcher Weise wurde mit der eigenen Vergangenheit und mit der bewusst reflektierten Tradition umgegangen? Wie hat man kulturelles und soziales Wissen gespeichert?
* In welchem Umfang wohnt künstlerischen Ausdrucksformen ein Innovations- und Experimentierpotential inne?
* Worin bestanden die historischen und sozialen Voraussetzungen für die zahlreichen (intellektuellen) Entdeckungen?
* Wie artikulierten sich Vorstellungen vom Tod, von göttlichen Mächten und vom Jenseits? Wie konstruierten die Menschen für ihr Leben Sinn?

Auf der Tagung wird auch zu diskutieren sein, welche Fragestellungen und methodischen Zugriffsweisen sich für eine künftige hellenistische Kulturgeschichte als sinnvoll erweisen und bei welchen Themen sich die interdisziplinäre Zusammenarbeit noch verstärken lässt. Die Ergebnisse der Tagung werden als Sachbuch publiziert, das sich - so die bereits mit dem Verlag Klett-Cotta (Stuttgart) getroffene Vereinbarung - bewusst auch an ein breiteres Publikum richtet.
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Programm

Montag, 20.2.2006 (Leitung: Hilmar Klinkott)

14.00 - 14.15: Begrüßung durch den Dekan der Philologisch-Historischen Fakultät, Hubert Zapf, den Direktor des Instituts für Europäische Kulturgeschichte, Wolfgang E.J. Weber, und den Lektor für Geschichte im Verlag Klett-Cotta, Christoph Selzer
14.15 - 14.30: Gregor Weber, Augsburg: Einführung
14.30 - 15.15: Hans-Joachim Gehrke, Freiburg: Alexander der Große und der Beginn eines neuen Zeitalters
15.15 - 16.00: Jürgen Malitz, Eichstätt: Im Schatten Alexanders. Diadochen und Epigonen
16.00 - 16.30: Kaffeepause
16.30 - 17.15: Gregor Weber, Augsburg: Alexander und die Folgen. Hauptstädte und Höfe in Entwicklung und Vergleich
17.15 - 18.00: Peter Funke, Münster: Zwischen Selbstbehauptung und Anpassung. Die Neuformierung der griechischen Staatenwelt

Dienstag, 21.2.2006 (Leitung: Boris Dreyer & Steffen Diefenbach)

09.00 - 09.45: Christof Schuler, München: Die hellenistische Polis und ihr Umland. Siedlungsstrukturen, Bauern und Großgrundbesitzer
09.45 - 10.30: Linda-Marie Günther, Bochum: Oikos und Familie - was hat sich in hellenistischer Zeit geändert?
10.30 - 11.00: Kaffeepause
11.00 - 11.45: Angelos Chaniotis, Heidelberg: Was ist hellenistisch in Mythos und Religion in der hellenistischen Welt?
11.45 - 12.30: Klaus Bringmann, Frankfurt am Main: Judentum und Hellenismus. Zur Geschichte einer spannungsreichen Beziehung
12.30 - 14.30: Mittagspause
14.30 - 15.15: Bernd Effe, Bochum: Die Literatur als Spiegel epochalen Wandels
15.15 - 16.00: Peter Scholz, Frankfurt am Main: Institutionen, Ideen und Innovationen. Philosophieren und wissenschaftliches Forschen in hellenistischer Zeit
16.00 - 16.30: Kaffeepause
16.30 - 17.15: Burkhard Meißner, Hamburg: Kriegführung und Kriegserfahrung in hellenistischer Zeit
17.15 - 18.00: Sitta von Reden, Augsburg/München: Indigene Strukturen und griechische Innovation in der Wirtschaft des Hellenismus

Mittwoch, 22.2.2006 (Leitung: Peter Scholz)

09.00 - 09.45: Hilmar Klinkott, Tübingen: Griechen in der Fremde - Fremde und die Griechen
09.45 - 10.30: Hans-Ulrich Cain, Leipzig: Hellenisierung und Romanisierung aus archäologischer Sicht
10.30 - 11.00: Kaffeepause
11.00 - 11.45: Gerhard Zimmer, Eichstätt: Die Nähe der Macht. Neue Aufgaben für die Kunst
11.45 - 12.30: Boris Dreyer, Göttingen: Neue Quellen zum Hellenismus: Bestand, Kontexte, Intentionen
12.30 - 13.00: Abschlussdiskussion: Hellenismus und Kulturgeschichte - Perspektiven

Hinweise zur Teilnahme:
Die Tagung ist öffentlich.

Termin:

20.02.2006 ab 14:00 - 22.02.2006 13:00

Veranstaltungsort:

Universität Augsburg
Gebäude der Philosophischen Fakultäten (Raum 4056=
Universitätsstraße 10
86159 Augsburg
Bayern
Deutschland

Zielgruppe:

Wissenschaftler, jedermann

Relevanz:

überregional

Sachgebiete:

Geschichte / Archäologie

Arten:

Eintrag:

20.01.2006

Absender:

Klaus P. Prem

Abteilung:

Stabsstelle Kommunikation und Marketing

Veranstaltung ist kostenlos:

ja

Textsprache:

Deutsch

URL dieser Veranstaltung: http://idw-online.de/de/event16024


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