Ausgangsbeobachtung ist die zunehmende Manipulierbarkeit des Grenzverlaufs zwischen Leben und Tod. Immer effektivere, hochtechnologisierte intensivmedizinische Eingriffsformen produzieren immer mehr Zustände, die sich zwischen Leben und Tod ansiedeln. Solche 'Zonen' führen - auch angesichts des soziokulturellen und demographischen Wandels - zu einer deutlichen Politisierung des Sterbens und des Todes und werfen das Problem auf, wie mit ihnen umzugehen ist: nicht nur epistemologisch, sondern auch in medizinischen oder juristischen Entscheidungen. Die Grenze zwischen Leben und Tod ist also einerseits verschiebbar und definitorisch unscharf, andererseits aber absolut, opak und von großer Wucht. Diese Doppelbestimmung tritt heute besonders deutlich hervor; allerdings ist die Grenze zwischen Leben und Tod immer prekär gewesen. Zwar ist sie von der europäischen Moderne mit ihrer Todesamnesie und ihrer Entwertung der Toten als absolute Grenze gefasst und naturalisiert worden, doch im Blick auf die Gegenwart und auf die Vormoderne sowie auf andere Lebensbegriffe, Todeskonzepte und deren Modernisierungen stellt sie sich anders dar.
Die Tagung fragt aus religions-, wissenschafts- und kulturgeschichtlicher Perspektive - danach, was es heißt, das Leben vom Tode her zu denken und zu praktizieren. Dazu soll den unterschiedlichen Genealogien jener Praktiken und definitorischen Anstrengungen sowie jener Symbolsysteme, Kulturtechniken und Narrative nachgegangen werden, die die prekäre Grenze zwischen Leben und Tod hervorgebracht hat. In welchen Formationen ist das Leben vom Tode her gedacht worden - als 'immer schon' auf ein Jenseits gerichtetes weltliches Leben; als kreatürlich-sterbliche, dem Tod entgegengesetzte Vitalität; als philosophische Herausforderung eines Sterbenlernens? Wie haben sich in der Moderne im Prozess einer fortschreitenden Säkularisierung die Zuständigkeiten solcher Grenzziehungsaktivitäten verändert? Wie haben sich parallel dazu die Praktiken rund um die Grenze zwischen Leben und Tod gewandelt und damit nicht zuletzt ihr konkreter Verlauf selbst? Wie also wurden und werden in verschiedenen Kulturen die Grenzen zwischen Leben und Tod gezogen und gestaltet? Wie sind gegenwärtig die Ungleichzeitigkeiten zwischen medizinisch-technischer Entwicklung, gesetzgeberischen Maßnahmen, Kulturtechniken, philosophisch-bioethischen Konzeptionen und moralischen Übereinkünften rund um den Tod zu fassen - und wie das Verhältnis zwischen den Lebenden und den Toten?
Hinweise zur Teilnahme:
Termin:
05.11.2009 ab 15:00 - 07.11.2009 21:00
Veranstaltungsort:
Zentrum für Literatur- und Kulturforschung
Schützenstr. 18
10117 Berlin
(3. Etage, Tagungsraum)
10117 Berlin
Berlin
Deutschland
Zielgruppe:
Studierende, Wissenschaftler
E-Mail-Adresse:
Relevanz:
lokal
Sachgebiete:
Gesellschaft, Kulturwissenschaften, Medien- und Kommunikationswissenschaften, Religion, Sprache / Literatur
Arten:
Eintrag:
02.11.2009
Absender:
Sabine Zimmermann
Abteilung:
Zentrum für Literatur- und Kulturforschung Berlin (ZFL)
Veranstaltung ist kostenlos:
ja
Textsprache:
Deutsch
URL dieser Veranstaltung: http://idw-online.de/de/event29310
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