„Das Enthymem. Zur fragmentarischen Ordnung der Jurisprudenz“ ist der Titel einer zweitägigen Veranstaltung am Freitag und Samstag, 29. und 30. April, in Hagen. Einlader sind Prof. Dr, Katharina Gräfin von Schlieffen, FernUniversität in Hagen, und Prof. Dr. Rolf Gröschner, Lehrstuhl für Öffentliches Recht und Rechtsphilosophie, Friedrich-Schiller-Universität Jena. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer befassen sich mit „Herkunft und Ort des Enthymems“, der „Alten und neuen Denkart der Jurisprudenz“ und der „Art und Weise juristischen Überzeugens“. Am Samstagnachmittag findet eine Podiumsdiskussion statt. Veranstaltungsort ist das „Arcadeon“ in Hagen, Lennestraße 91, 58093 Hagen.
Juristen glauben, dass sie logisch argumentieren. Ihre Entscheidungen werden, so lernen sie es seit einigen Jahrhunderten, mithilfe des sog. „Justizsyllogismus“ begründet. Schaut man jedoch in Rechtstexte, entdeckt man, dass solche Syllogismen nirgendwo verwendet werden. Die Forschung ist einem anderen, älteren Argumentationsmodell auf der Spur: dem Enthymem. Demnach ist das juristische Argument kein logischer Schluss, sondern eine rhetorische Art und Weise zu überzeugen.
Das Enthymem - Erläuterungen
Juristen glauben, dass sie logisch argumentieren. Ihre Entscheidungen werden, so lernen sie es seit einigen Jahrhunderten, mithilfe des sog. Justizsyllogismus begründet: „Mörder sind zu bestrafen. A ist ein Mörder. A ist zu bestrafen.“ Schaut man in Rechtstexte, entdeckt man, dass solche Syllogismen nirgendwo verwendet werden. Juristen schreiben stattdessen etwas wie: „Der Angeklagte wurde wegen Mordes zu einer Jugendstrafe von acht Jahren verurteilt“. Wer will, kann hier Justizsyllogismen herein lesen. Die genauen Prämissen – z.B. „Mord ist zu bestrafen“, “Der Angeklagte ist ein Mörder“ – muss man freilich unterstellen. Mit Unterstellungen verlässt man aber den Boden exakten Denkens. Nicht alle konstruieren ja dieselben Prämissen. Von einer juristischen Begründung wird jedoch erwartet, dass sie nachvollziehbar ist.
Die Forschung ist deshalb einem anderen, älteren Argumentationsmodell auf der Spur: dem Enthymem. Demnach ist das juristische Argument kein logischer Schluss, sondern eine rhetorische Art und Weise zu überzeugen. Ein Enthymem besteht wenigstens aus einer Behauptung und einer Begründung, z.B.: „Da die Anlage mit dem Grund und Boden fest verbunden war, handelte es sich um einen wesentlichen Bestandteil des Grundstücks“. Enthymematische Begründungen sind aus logischer Sicht lückenhaft. Aus rhetorischer Perspektive kombinieren sie Gesagtes und nur Angedeutetes. So schätzen es Juristen, bestimmte Regeln zu implizieren. Diese Regeln sind aber keine Sätze, aus denen das Ergebnis logisch folgen könnte (dann müssten die Terme identisch sein), sondern Lehrsätze, Prinzipien oder Gesichtspunkte, die sie kennen und anerkennen und die geeignet sind, die Behauptung plausibel zu stützen, z.B.: „Wenn eine Sache mit dem Grund und Boden fest verbunden ist, ist sie wesentlicher Bestandteil des Grundstücks“. Ein anderer, sehr häufiger Enthymemtyp ist das Autoritätsargument: „Vgl. OLG Hamm NJW 2001, 1142 ff.“ und vor allem: „Gemäß §§ 280 Abs. 1, 281 Abs. 1 Satz 1 BGB“. Derartige Verweise erfolgen nicht inhaltsunabhängig, meinen aber zunächst einmal: Diese Instanz sagte etwas, was meine Behauptung stützt. Wichtig für Juristen ist auch die Technik, die ganze Angelegenheit durch die Begründung eines Teils, des „Wesentlichen“, zu belegen. Dies erkennt man oft an dem „insbesondere…“, mit dem pars pro toto argumentiert wird. So gestattet das Enthymem ein, wenn auch nur fragmentarisches, so doch situationsgerecht vertieftes Begründen.
Die ältere Lehre hielt das Enthymem lediglich für einen verkürzten Syllogismus. In der Philosophie sieht man inzwischen die Eigenständigkeit des rhetorischen Modus‘, eine Perspektive, die der Rechtswissenschaft auf dieser Tagung vorgestellt wird. Anschließend überlegen Philosophie, Methodenlehre, Rechtstheorie und Rechtsdogmatik, welche Bedeutung dem Enthymem in der Jurisprudenz zukommt. Dieser Austausch sollte nicht nur die Forschung anregen, sondern auch die weitere Entwicklung einer praxisgerechten Methodenlehre begünstigen.
Inhaltliche Rückfragen:
Christian Nierhauve, Tel. 02331 - 987 4877, E-Mail: Christian.Nierhauve@FernUni-Hagen.de
Hinweise zur Teilnahme:
Termin:
29.04.2011 ab 14:30 - 30.04.2011
Veranstaltungsort:
Arcadeon
Lennestraße 91
58093 Hagen
Nordrhein-Westfalen
Deutschland
Zielgruppe:
Studierende, Wissenschaftler
Relevanz:
überregional
Sachgebiete:
Philosophie / Ethik, Recht
Arten:
Konferenz / Symposion / (Jahres-)Tagung
Eintrag:
08.02.2011
Absender:
Susanne Bossemeyer
Abteilung:
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Veranstaltung ist kostenlos:
ja
Textsprache:
Deutsch
URL dieser Veranstaltung: http://idw-online.de/de/event34161
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