Die Moderne gilt gemeinhin als Inbegriff der westlichen Zivilisation und wird häufig mit der Emanzipation von starren, religiösen Traditionen verbunden. Begriffe wie „Säkularisierung“ und „Rationalisierung“ sind kennzeichnend für ein derartiges Verhältnis von Religion und Moderne. Zudem prägen das Subjektivitätsprinzip und der darauf basierende Individualismus das Verständnis der modernen Kultur und ihrer normativen Ordnung, für die die Menschen- und Bürgerrechte von grundlegender Bedeutung sind.
Viele zeitgenössische Muslime assoziieren mit der Moderne jedoch nichts Gutes. Sie fassen die Moderne vielmehr als ein militärisch-kulturelles Welteroberungsprojekt des Westens auf, denn sie erlebten die Europäer im Zuge der Kolonisation als technisch und militärisch überlegene Invasoren, die darauf abzielten, ihre Ressourcen auszubeuten und die islamische Identität zu zerstören. Das seit dem Anfang des 20. Jahrhunderts in manchen muslimischen Milieus anzutreffende religiöse Wiedererwachen lässt sich u.a. als eine Reaktion auf diese Erfahrung der westlichen Moderne verstehen. Die islamische Religion wird in diesem Kontext zunehmend politisiert – verbunden mit der Wiederbelebung religiöser Traditionen und Institutionen, die eine gewisse Authentizität hervorbringen und den normativen Universalitätsanspruch der westlichen Moderne zurückweisen. Träger des religiösen Wiedererwachens sind islamistische Akteure, die auf Grundlage von Koran und Sunna die muslimische Identität politisieren und dadurch Menschen gegen die Moderne mobilisieren. Obwohl Islamisten und Salafisten die vom Westen getragene säkulare Moderne vehement ablehnen, nutzen sie ihre technischen und wissenschaftlichen Errungenschaften, um u.a. den Westen zu bekämpfen. So sind Islamisten keineswegs, wie oftmals behauptet wird, rückständige und mittelalterliche religiöse Fanatiker, sondern mit moderner Technik durchaus vertraut. Das, was sie ablehnen, sind die mit diesen Errungenschaften verbundenen Werte und Normen.
Andererseits sind seit Beginn des 20. Jahrhunderts verstärkt modernistische Bestrebungen im Diskurs muslimischer Intellektueller zu verzeichnen. Sie zielen darauf ab, sowohl dem traditionalistischen als auch dem islamistischen Gedankengut entgegenzutreten und ein zeitgemäßes Islamverständnis zu entwickeln. Dabei gilt als Prämisse, dass der Islam nicht in Widerspruch zur modernen Welt stehe, sondern mit Demokratie und Säkularismus sowie mit den als modern definierten Werthaltungen, Verhaltensweisen und Institutionen vereinbar sei. Durch die Migration von Muslimen nach Europa werden Muslime zunehmend mit Fragen nach der Kompatibilität von Islam und Moderne konfrontiert. So sind auch in Deutschland muslimische Intellektuelle bestrebt, neue Konzepte und Kompromisse im Verhältnis zwischen „religiös“ und „weltlich“ zu wagen und humanistisch geprägte, theologische Zugänge zu schaffen, die eine Versöhnung zwischen Islam und Moderne ermöglichen. Bislang waren die modernistischen Bestrebungen sowohl in islamisch geprägten Gesellschaften als auch in der europäischen Diaspora jedoch von begrenztem Erfolg. Warum ist dies so?
Mit dieser und anderen Fragen des muslimischen Lebens in Deutschland beschäftigt sich dieses gemeinsame Symposion des Kulturwissenschaftlichen Instituts Essen, der Evangelischen Akademie im Rheinland und des Muslimischen Forums Deutschland.
Programm:
Moderation:
Aladdin Sarhan, Muslimisches Forum Deutschland
16:30 - 17:30
Begrüßung und Eröffnung:
Friedrich Jaeger, Kulturwissenschaftliches Institut Essen
Jörgen Klußmann, Evangelische Akademie im Rheinland
Mouhanad Khorchide, Muslimisches Forum Deutschland
16:45 - 17:30
Das Friedenspotenzial monotheistischer Religionen zwischen Anspruch und Wirklichkeit
Jörgen Klußmann (EAiR)
17:30 - 18:15
Islam in Deutschland: Innerreligiöse Vielfalt und Organisationsdruck
Marwan Abou Taam (MFD)
18:15 - 18:45
Kaffeepause
18:45 - 19:30
Gott ist Friede. Islamische Theologie zwischen Tradition und Moderne
Mouhanad Khorchide (MFD)
19:30 - 20:15
Gesamtdiskussion
20.15 -21.00
Abendvortrag:
Religion im säkulären Kontext der Moderne - Konfliktpotentiale und Humanisierungschancen
Jörn Rüsen, Kulturwissenschaftliches Institut Essen
Programm als pdf:
http://www.kulturwissenschaften.de/images/event_material-476.img
Pressekontakt:
Helena Rose
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Telefon: 0201 - 72 04-152
Fax: 0201 - 72 04-159
E-Mail: helena.rose[at]kwi-nrw.de
Hinweise zur Teilnahme:
Teilnahme nach Anmeldung bis zum 11.05.2018 unter: maria.klauwer@kwi-nrw.de
Termin:
17.05.2018 16:30 - 21:00
Anmeldeschluss:
11.05.2018
Veranstaltungsort:
Kulturwissenschaftliches Institut Essen (KWI)
Gartensaal
Goethestr.31
45128 Essen
Nordrhein-Westfalen
Deutschland
Zielgruppe:
Wissenschaftler, jedermann
E-Mail-Adresse:
Relevanz:
überregional
Sachgebiete:
Gesellschaft, Kulturwissenschaften, Politik, Religion
Arten:
Konferenz / Symposion / (Jahres-)Tagung
Eintrag:
18.04.2018
Absender:
Miriam Wienhold
Abteilung:
Pressestelle
Veranstaltung ist kostenlos:
nein
Textsprache:
Deutsch
URL dieser Veranstaltung: http://idw-online.de/de/event60307
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