Mein Vortrag adressiert geänderte Moraldiskurse mit Blick auf reproduktive Entscheidungen auf gesellschaftlicher und individueller Ebene. Die um die Jahrhundertwende aufkommende Frauenrechtsbewegung und das neue Abtreibungsgesetz von 1932 stellten die bestehenden Vorstellungen von weiblicher Sexualität und ungewollten Schwangerschaften in Frage. In den Medien, in der Literatur sowie in juristischen und medizinischen Expert*innenkreisen wurde die so genannte Moralreform mit ihren liberalen Konzepten von Mutterschaft und Partnerschaft lebhaft diskutiert. Nach 123 Jahren der staatlichen Nichtexistenz des Landes gewann jedoch die Idee der polnischen Kernfamilie als Garant für die Zukunft Polens geopolitische Bedeutung.
Nach einem Überblick über die gesellschaftlichen Debatten, stellt mein Beitrag die Realität der Angeklagten in den Mittelpunkt. Auf der Grundlage von Gerichtsakten zeige ich, wie Prekarität, gesellschaftlich konstruierte und verinnerlichte Geschlechterrollen und institutioneller Druck ineinandergriffen. Die Dokumente zeigen, dass Scham- und Schuldgefühle allgegenwärtig waren, aber sie offenbaren auch Strategien der Angeklagten (der ehemals schwangeren Frau, der Hebamme oder des Partners) zur Ausrichtung ihres Verhaltens an den gesellschaftlich von ihnen erwarteten Rollen.
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Elisa-Maria Hiemer ist Slavistin, die an der Schnittstelle zwischen Geschichts- und Kulturwissenschaft arbeitet. Sie promovierte mit einer Arbeit zur deutsch- bzw. polnisch-jüdischen Gegenwartsliteratur, für die sie 2019 mit dem Dissertationspreis der Uni Gießen ausgezeichnet wurde. Danach war sie dort wiss. Mitarbeiterin und Doktorandin am Institut für Slavistik. Seit 2019 arbeitet sie am Herder-Institut und war im BMBF geförderten Projekt „Familienplanung in Ostmitteleuropa“ als Postdoc tätig. Ihr Buch Sexuality and Abortion in Interwar Poland erscheint demnächst bei CEU Press. 2021-2024 war sie Projektleiterin im Projekt „Kartenwelten – Textwelten“. Seit Dezember 2024 ist sie Research Associate im ERC Projekt: „Democratizing of the Family? Gender equality, parental rights, and child welfare after 1945” an der FU Berlin.
Hinweise zur Teilnahme:
Der Vortrag findet in der Valentinská 91/1, 3. Stock statt und wird über Zoom übertragen. Bei Interesse an dem Link wird gebeten, sich an florian.ruttner@collegium-carolinum.de zu wenden.
Termin:
30.10.2025 17:00 - 18:30
Veranstaltungsort:
Valentinská 91/1
11000 Praha 1
Tschechische Republik
Zielgruppe:
jedermann
E-Mail-Adresse:
Relevanz:
international
Sachgebiete:
Geschichte / Archäologie, Religion
Arten:
Vortrag / Kolloquium / Vorlesung
Eintrag:
26.09.2025
Absender:
Virginie Michaels
Abteilung:
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Veranstaltung ist kostenlos:
ja
Textsprache:
Deutsch
URL dieser Veranstaltung: http://idw-online.de/de/event80140
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