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Veranstaltung


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04.12.2009 - 05.12.2009 | Berlin

Der Osten liegt in der Mitte. Literarische Ost-West-Passagen

Literaturtage des Zentrums für Literatur- und Kulturforschung, in Kooperation mit dem Literaturhaus Berlin http://www.literaturhaus-berlin.de

Die Zäsur des Mauerfalls hat die geopolitische und mentale Topographie Europas nachhaltig verändert: Grenzen haben sich verschoben, zementierte Identitäten erwiesen sich als brüchig. Zwanzig Jahre danach nun haben literarische Erkundungen von territorial-kulturellen Zugehörigkeiten, Genealogien und Raumentwürfen Hochkonjunktur. In den letzten Jahren haben zudem Autorinnen und Autoren die literarische Bühne betreten, die ein freieres literarisches Spiel mit verschiedenen Semantiken des Ostens betreiben und die Frage nach dem Zusammenhang von geographischem Raum, Poetik und Kultur ins Zentrum ihrer literarischen Reflexion stellen. Dabei werden gewohnte Perspektiven durchbrochen, imaginäre Topographien oder literarische Genealogien von Gegenden eines versunkenen Mitteleuropas entworfen.

Zu den bevorzugten literarischen Sujets zählen Ost-West-Passagen, in denen die Verschiebungen, Verwerfungen und Umkodierungen der (ost)europäischen Topographie der letzten zwei Jahrzehnte erkundet werden. Eine solche Auseinandersetzung mit - heiteren oder melancholischen - Wahrnehmungen 'fremder' Räume und Gepflogenheiten gewinnt in dem Maße an Tiefenschärfe, wie historische, autobiographische oder philosophische Aspekte das Erzählen bereichern. Dabei reicht das Spektrum der entworfenen Bewegungsmuster von Vertreibung und Zwangsdeportation bis hin zu neu erworbenen Möglichkeiten einer schier grenzenlosen Bewegungsfreiheit. So hat Herta Müller gemeinsam mit Oskar Pastior am Buchprojekt "Atemschaukel" (2009) gearbeitet, in dem die Zwangsdeportation von Rumäniendeutschen in die sowjetische Ukraine zwischen 1945 und 1950 rekonstruiert wird. Eine Gegenperspektive zu dieser Erfahrung von Gewalt entfaltet Emma Braslavsky in ihrem Debütroman "Aus dem Sinn" (2007), der die wunderliche Geschichte einer kleinen Gemeinde vertriebener Sudetendeutscher in der DDR zwischen Erinnerung und Zukunft erzählt. Mit der Migrationsrichtung von Ost nach West verbindet sich vielfach die zum Stereotyp geronnene Hoffnung auf ein Leben im 'gelobten Land'. Dieses gängige Erwartungsmuster ist zum Gegenstand unterschiedlichster literarischer Szenarien avanciert, so in Yadé Karas Romanen, wenn sie etwa in "Selam Berlin" (2003) 'deutsch-deutsche' Ost-West-Unterschiede aus einer 'deutsch-türkischen' Perspektive thematisiert. Sprachliche Ost-West-Passagen unternimmt die mehrfach ausgezeichnete Übersetzerin Esther Kinsky, die in ihrem Debütroman "Sommerfrische" (2009) das ungarisch-rumänische Grenzgebiet und dessen Umbrüche zeichnet.

Entdeckungen werden aber vielfach auch und gerade in scheinbar gewohnten Räumen gemacht. Literarische Semantiken des Ostens in der neueren Literatur entwerfen geopoetische Modelle zwischen bisweilen schmerzhaften Verlusterfahrungen - Bora Cosic nennt den Bericht seiner Reise durch das frühere Jugoslawien "Die Reise nach Alaska" (2007) - und einer spielerisch-leichten (Wieder-)Entdeckung pluraler Kulturräume. "In Europa liegt der Osten paradoxerweise dort, wo die Mitte des Kontinents liegt", formulierte der ukrainische Schriftsteller Juri Andruchowytsch pointiert, dessen Texte literarische Genealogien von Gegenden eines versunkenen Mitteleuropas sind. Diese "Mitte des Kontinents" beschäftigt auch den Filmemacher Stanislaw Mucha, der in seinem Dokumentarfilm "Die Mitte" (2004) eine Reihe von deutschen, österreichischen, polnischen oder ukrainischen Stätten besucht, die sich genau an jenem Mittelpunkt verorten. Dževad Karahasan erkundet in seinen fiktionalen und essayistischen Texten - etwa "Das Buch der Gärten" (2002) oder "Berichte aus der dunklen Welt" (2007) - den europäischen Osten als Übergangsraum vom Okzident in den Orient, als Grenzraum zwischen Christentum und Islam. Die 'Orientalische Frage' erkundet auch der Künstler und Schriftsteller Haralampi G. Oroschakoff in seinem historischen Panorama "Die Battenberg-Affäre" (2007).Peter Demetz (geb. 1922 in Prag) verknüpft in seinen Erkundungen Historisches und Persönliches. Im jüngst erschienenen Buch "Mein Prag" (2007) erinnert er an seine Jugendzeit und zeichnet zugleich das Portrait von Prag als Ort eines produktiven Miteinanders von tschechischer, jüdischer und deutscher Kultur.

Konzeption und Organisation: Franziska Thun-Hohenstein, Ulrike Vedder

Hinweise zur Teilnahme:

Termin:

04.12.2009 ab 14:30 - 05.12.2009 22:00

Veranstaltungsort:

Literaturhaus Berlin
Fasanenstr. 23
Berlin-Charlottenburg
10623 Berlin
Berlin
Deutschland

Zielgruppe:

Wissenschaftler, jedermann

Relevanz:

lokal

Sachgebiete:

Sprache / Literatur

Arten:

Eintrag:

02.11.2009

Absender:

Sabine Zimmermann

Abteilung:

Zentrum für Literatur- und Kulturforschung Berlin (ZFL)

Veranstaltung ist kostenlos:

ja

Textsprache:

Deutsch

URL dieser Veranstaltung: http://idw-online.de/de/event29313


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