Führende deutsche Herzchirurgen kritisieren den aktuellen Trend bei der Neuorganisation von Krankenhäusern, aus Kostengründen auf spezialisierte herzchirurgische Intensivstationen zu verzichten. Die Versorgung von Patienten nach Herzoperationen dürfe durch solche Maßnahmen nicht gefährdet werden, warnen die Experten. Im Patienteninteresse müsse die Verantwortung für die Betreuung in der Hand des Herzchirurgen bleiben. Bei vielen gefährlichen Komplikationen nach dem Eingriff sei herzchirurgisches Know-how gefordert.
Hamburg, Freitag 11. Februar 2005 - Vor einer Gefährdung der optimalen Versorgung von Patienten nach Herzoperationen warnten hochrangige Experten anlässlich der 34. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie (DGTHG) in Hamburg. "Es gibt einen unheilvollen Trend, fachspezifische Intensivstationen aufzugeben bzw. die gesamte Intensivmedizin, also auch die Betreuung von Patienten nach Operationen, unter die Leitung von Anästhesiologen zu stellen", kritisierte DGTHG-Präsident Prof. Dr. Hans H. Scheld aus Münster. Die vielerorts in Deutschland beabsichtigte Neustrukturierung der verschiedenen intensivmedizinischen Disziplinen unter Leitung der Anästhesiologie werde mit Kostenersparnis und angeblich effektiveren Nutzungsmöglichkeiten der vorhandenen Intensivbetten begründet.
Sparen hat gefährliche Konsequenzen
Dieser - laut Prof. Scheld mit keinen fundierten Zahlen belegte - Trend zum Sparen hat möglicherweise gefährlichen Konsequenzen: Denn die intensivmedizinische Sicherheit für die chirurgischen Patienten, besonders in Fächern wie Herz-, Neuro- und Unfallchirurgie, sei dadurch ernsthaft in Frage gestellt. "Es ist gefährlich, neue Organisationsstrukturen einzuführen, deren Auswirkungen auf die Qualität der Patientenversorgung unsicher und möglicherweise riskant, und deren administrative und finanzielle Vorteile nicht belegt sind", warnte Prof. Scheld. Außerdem würden die Patienten verunsichert, weil sie nicht mehr wüssten, wer für sie zuständig ist.
Die Entscheidungsbefugnis über die Bettenkapazität und -nutzung, so Prof. Scheld, sei in der Herzthoraxchirurgie gleichbedeutend mit der Entscheidung über die OP-Kapazität: Ökonomische Verantwortung könne nur übernehmen, wer auch entscheiden könne. Prof. Scheld betonte auch die juristischen Aspekte des Themas: Der Herzchirurg bliebe haftungsrechtlich bis zum Abschluss der gesamten Behandlung verantwortlich, obwohl ihm die Entscheidungskompetenz für die Betreuung auf der Intensivstation genommen würde.
Die Verantwortung muss in der Hand des Herzchirurgen liegen
"Die Antwort auf die Frage, wer nach der Operation am Bett der Patienten das Sagen haben soll, kann nur lauten: Die Verantwortung liegt unzweifelhaft in der Hand des Herzchirurgen", stellt Prof. Dr. Ernst-Rainer de Vivie, Direktor des Herzzentrums der Klinik und Poliklinik für Herz- und Thoraxchirurgie, Köln, klar. Denn nicht nur aus juristischer Sicht trage der Operateur die Verantwortung auch für den postoperativen Verlauf mit all seinen möglichen und unvorhersehbaren gefährlichen Komplikationen. Prof. de Vivie: "Akute Blutungen, Herzstillstand und operativ bedingte Herzrhythmusstörungen erfordern fachspezifische und nicht selten sofort am Bett durchzuführende chirurgische Maßnahmen, die während der Ausbildung zum Facharzt für Herzchirurgie trainiert und gefordert werden. Anästhesiologen sind dafür nicht ausgebildet."
Auch weitreichende intensivmedizinische Maßnahmen bei der Anwendung von mechanischen Kreislaufassistenzsystemen bis hin zum Kunstherz zeigten, wie wichtig die fachspezifische intensivmedizinische Therapie durch den Herzchirurgen sei. "Nicht zuletzt trifft das auch für komplizierte Eingriffe zu, zum Beispiel bei Operationen von angeborenen Herzfehlern im Säuglings- und Kleinkindesalter, bei denen die operierten Patienten mit offenem Brustkorb und/oder mit instabilen Kreislaufverhältnissen auf die Intensivstation verlegt werden", so Prof. de Vivie.
Suche nach patientenfreundlichen Lösungen
Zwischen Anästhesiologen und Herzchirurgen wird derzeit versucht, eine gemeinsame Basis für neue Lösungen zu erarbeiten. "Eine Einrichtung organbezogener Zentren unter einem Dach könnten eine Konzentration von Fachkompetenzen auch und gerade in der Intensivmedizin sicher stellen", gab DGTHG-Präsident Prof. Scheld die künftige Richtung vor. "So könnten patientenfreundliche Lösungen gefunden werden."
Kontakt:
Prof. Dr. Eckart Fleck, Berlin (Pressesprecher der DGK)
Christiane Limberg, Düsseldorf (Pressereferentin der DGK), D-40237 Düsseldorf, Achenbachstr. 43, Tel.: 0211 / 600 692 - 61; Fax: 0211 / 600 692 - 67 ; Mail: limberg@dgk.org
Roland Bettschart, Bettschart & Kofler Medien- und Kommunikationsberatung GmbH; Mobil: 0043-676-6356775; bettschart@bkkommunikation.at
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
überregional
Buntes aus der Wissenschaft, Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Tagungen
Deutsch
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