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15.02.2005 18:55

"Parallelnarkose" zulässig? - Fachgesellschaften warnen: Schutz des Patienten gefährdet!

Medizin - Kommunikation Pressearbeit
Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften

    Nürnberg, Februar 2005 - Patienten, die sich einem operativen Eingriff unterziehen, haben Anspruch auf eine anästhesiologische Versorgung nach Facharztstandard. Kostendruck in Krankenhäusern kann kein Grund dafür sein, anästhesierte Patienten geplant durch nicht-ärztliches Personal überwachen zu lassen. In einer aktuellen Erklärung haben der Berufsverband Deutscher Anästhesisten (BDA) und die Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin (DGAI) zu Inhalt und Grenzen einer solchen Delegation Stellung genommen.

    Narkosezwischenfälle sind zwar sehr selten, doch wenn sie auftreten, dann handelt es sich häufig um lebensbedrohliche und gefährliche Krisen. In solchen Situationen ist der Anästhesist mit seiner ärztlichen Kompetenz, seinem "Know-how" und seinen ärztlichen Fähigkeiten gefordert, um die Gefahr rechtzeitig zu erkennen und sie abzuwenden. Weder wirtschaftliche Erwägungen noch personelle Engpässe erlauben es dem Anästhesisten, "seinen Patienten im Stich zu lassen". Der Anästhesist ist nicht nur während der Ein- und Ausleitung der Narkose, sondern während des gesamten Operationsverlaufes für die Überwachung der Anästhesie und die Sicherung der lebenswichtigen Organfunktionen seines Patienten verantwortlich. Es ist Aufgabe des Krankenhauses, die fachärztliche anästhesiologische Versorgung der Patienten auch während des Eingriffs zu gewährleisten. Dies hat die höchstrichterliche Judikatur in mehreren Urteilen eindeutig klargestellt und Ausnahmen von diesem Grundsatz zum Schutz des Patienten nur unter engen Kautelen zugelassen. "Es ist ein eherner Grundsatz der Rechtsprechung, den sie immer aufrechterhalten hat und erhalten wird: Absolute Priorität vor allen anderen Aspekten haben Schutz und Sicherheit des Patienten," so der Medizinrechtler Rechtsanwalt Prof. Klaus Ulsenheimer aus München.

    Private Krankenhausbetreiber bilden nun "Medizinische Assistenten für Anästhesiologie" (MAFA) fort mit dem Ziel, dass diese "einfache Narkosen" bei "absehbar risikolosen Patienten" selbst leiten können, um Anästhesisten für weitere, parallel durchzuführende Narkosen freizustellen. BDA und DGAI können vor einer solchen Praxis nur warnen und zwar beide Seiten: die für die Anordnung Verantwortlichen wegen des ihnen drohenden Organisationsverschuldens, aber auch die "MAFA" wegen eines drohenden Übernahmeverschuldens bei Eintritt von Komplikationen. Der Bundesgerichtshof hat ausdrücklich betont, dass so genannte "Parallelnarkosen" nur ausnahmsweise und unter Wahrung strenger Sicherheitsbedingungen, nicht aber regelhaft, geschweige denn routinemäßig zulässig sind. Die gegenwärtigen Bestrebungen privater Krankenhausbetreiber stehen daher im Widerspruch zur geltenden Rechtslage und bedeuten eine Risikoerhöhung für den Patienten. Was würden Patienten sagen, wenn man sie darüber aufklären würde, dass bei Ihnen eine Pflegekraft den Arzt ersetzt?

    Nach der Rechtsprechung haben ökonomische Erwägungen hinter der Patientensicherheit zurückzustehen. Außerdem haben Erfahrungen aus Schweden gezeigt, dass die Delegation anästhesiologischer Leistungen auf Pflegekräfte keinen wirtschaftlichen Vorteil bietet. BDA und DGAI betonen zudem, dass nur die fachlich gebotene Leistung im Krankenhaus letztlich auch die ökonomisch sinnvollste ist. Erst das partnerschaftliche Zusammenwirken von Anästhesist und Operateur während des Eingriffs schafft die Grundlage für eine kompetente, komplikations- und zwischenfallsarme Versorgung des Patienten. Schadenersatzprozesse nach einem Zwischenfall können teuer werden, vom Schaden für den Patienten und dem Imageverlust für das Krankenhauses ganz zu schweigen.

    Es gibt von der Rechtsprechung konzedierte Ausnahmefälle, in denen einzelne anästhesiologische Leistungen delegiert werden können. BDA und DGAI weisen in ihrer Stellungnahme auf diese Ausnahmen hin. Die Überwachung eines Patienten kann - immer aber abhängig von der Art des Anästhesieverfahrens und dem Zustand des Patienten - während einer unproblematisch verlaufenden Anästhesie vom zuständigen Anästhesisten kurzfristig dem Pflegepersonal übertragen werden. Dies kann aber nur im Einzelfall anhand der konkreten Situation und auch nur von dem für den Patienten verantwortlichen Anästhesisten persönlich entschieden werden. Das Pflegepersonal muss aber entsprechend qualifiziert sein und es muss Ruf- oder Sichtkontakt zwischen Anästhesist und Pflegekraft bestehen. Eine generelle, dienstplanmäßig festgelegte Delegation anästhesiologischer Leistungen ist mit Blick auf eine größtmögliche Sicherheit des Patienten unvereinbar.

    "Wir dürfen und wir wollen unsere Patienten nicht im Stich lassen", so die anästhesiologischen Fachverbände.

    Antwortformular

    ___Bitte informieren Sie mich kontinuierlich über Themen der DGAI per ___Post/___per E-Mail.

    ___Bitte mailen sie mir die "Münsteraner Erklärung" - Gemeinsame Stellungnahme des BDA und der DGAI zur Parallelnarkose im PDF-Format.

    NAME:
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    ADRESSE:

    TEL/FAX:

    Kontakt für Rückfragen:

    DGAI Pressestelle
    Silke Jakobi
    Postfach 30 11 20
    D-70451 Stuttgart
    Telefon: 0711 89 31 - 163
    Fax: 0711 89 31 - 566
    E-Mail: info@medizinkommunikation.org
    Internet: >www.dgai.de< >www.dac2005.de<


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
    überregional
    Studium und Lehre, Wissenschaftspolitik
    Deutsch


     

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