Stellenkorridor für die Hochschulen des Landes
PM 27/2005
Der Senat der Universität Greifswald fordert den Minister für Bildung, Wissenschaft und Kultur nachdrücklich auf, bei der weiteren Planung der Hochschulentwicklung zu dem im Landeshochschulgesetz, hier insbesondere §§ 15 und 16 LHG, vorgesehenen Verfahren zurückzukehren. Die jetzige Vorgehensweise widerspricht sowohl dem Wortlaut wie dem Geist des Landeshochschulgesetzes. Die Hochschulautonomie wird in beispielloser Weise mißachtet. Trotz der Mißbilligung des jetzigen Vorgehens wird sich die Ernst-Moritz-Arndt-Universität konstruktiv an der Diskussion über die Landeshochschulentwicklung beteiligen. Die jetzigen Vorgaben sind dafür aber keine vernünftige Ausgangsbasis. Die Stellenstruktur basiert auf Grundlagen, die nicht nachvollziehbar und nicht sachgerecht sind. Sie sind nach Auffassung des Senats für die langfristige Entwicklung des Landes schädlich. Zudem zeichnen sie sich durch ein Höchstmaß an willkürlichen Festlegungen aus.
a) Der Minister hat sein Schreiben zum Personalkonzept an den Vorsitzenden der Landesrektorenkonferenz gerichtet und nur nachrichtlich den betroffenen Hochschulen zur Kenntnis gegeben. Bereits dies allein zeigt, daß die Hochschulautonomie mißachtet werden soll. Er verlangt zudem, daß die "Landesrektorenkonferenz Ihre Vorstellungen am 23. Februar 2005 in Hasenwinkel vorstellt", und erbittet "Vorabinformationen ... bis spätestens 18. Februar 2005". Der Senat erinnert den Minister daran, daß die Landesrektorenkonferenz (§ 8 LHG) keine gesetzlichen Kompetenzen hinsichtlich der Hochschulentwicklungsplanung hat. Sowohl das Verlangen an ein nicht legitimiertes Gremium, "Vorstellungen" dazu zu entwickeln, als auch die enge zeitliche Vorgabe für "Vorabinformationen" von gerade drei Wochen belegen, daß die Hochschulautonomie im weiteren Verfahren keine Geltung haben soll.
b) Das vorgegebene Personalkonzept des Ministers erstreckt sich über einen Zeitraum von 15 Jahren. Dies verlangt Vertrauen in die Glaubwürdigkeit und Verläßlichkeit der Politik. Die Hochschulen haben freilich mit dem vor einem Jahr stattgefundenen Versuch, den Korridor der Hochschulfinanzierung bis 2006 auszuhebeln, und mit dem jetzigen Versuch, die gerade erst seit drei Jahren im Landeshochschulgesetz verankerte Hochschulautonomie auf kaltem Wege außer Kraft zu setzen, genau das Gegenteil dessen erfahren, nämlich daß die Politik des Landes gegenüber den Hochschulen nicht langfristig orientiert und vor allem nicht verläßlich ist.
c) Das Landeshochschulgesetz schreibt im § 15 vor, daß auf der Grundlage der Hochschulentwicklungspläne der einzelnen Hochschulen das Ministerium "in Abstimmung mit den Hochschulen" die "Eckwerte der Hochschulentwicklung" erarbeitet. § 16 LHG beinhaltet den Grundsatz, daß sich die staatliche Hochschulfinanzierung an den "Aufgaben" auf diese Vorschriften des Gesetzes nicht einmal verbal Bezug genommen.
d) Die Vorgaben aus dem Personalkonzept weisen nicht den geringsten Bezug zu den Entwicklungsplänen der Hochschulen auf, sondern haben nach dem Erlaß ihre Basis in einem "einwohnerbezogenen Vergleich zum Land Schleswig-Holstein", woraus sich ein "?Stellenüberhang? von ca. 1.260 Stellen" ergäbe. In den Beratungen hätte das Ministerium durchsetzen können, die "Reduktionsrate auf 600 Stellen" zu begrenzen. Der Senat sieht darin keinen "Verhandlungserfolg" des Ministers und insbesondere keinen Anlaß zum Lob, sondern nur die Bestätigung für willkürliches und nicht gesetzeskonformes Vorgehen. Im sog. Benchmark-Report von Prof. Dr. Seitz (vgl. http://www.lrh-mv.de/) werden die Hochschulen sinnigerweise gleich neben die "Spaßbäder" (s. S. 8) gestellt, und es wird zudem noch die seit mehr als vierzig Jahren nachweislich falsche These wiederholt, daß der Hochschulbereich "besonders ?demographiesensitiv?" (S. 89) sei. Aussagen zu einem Personalüberhang bei den Hochschulen finden sich dort nicht.
e) Statt sich ? wie nach dem Landeshochschulgesetz vorgeschrieben ? auf "Eckwerte der Hochschulentwicklung" zu beschränken, verfällt das ministerielle Personalkonzept in eine überbordende Regelungswut bis hin zu so banalen Aussagen wie die: "Die Verwaltung der HMT sollte im Sinne modernen Hochschulmanagements auf unabdingbare v. a. höher qualifizierte Funktionen konzentriert werden."
f) Geradezu erschreckend ist, auf welch dürftiger Grundlage das ministerielle Konzept langfristige Strukturentscheidungen herleitet. Dies muß man wörtlich zitieren, um die Irrationalität des Verfahrens in seiner ganzen Breite erfassen zu können: "Dabei wurde zunächst das arithmetische Mittel der Studiennachfrage der letzten drei Jahre für die verschiedenen Fächergruppen errechnet. Dieses Mittel wurde grob mit dem bundesweiten Trend verglichen. Fallweise wurden Justierungen aufgrund landesspezifischer Entwicklungsschwerpunkte im Sinne eines Bonus oder Malus vorgenommen." Auf diese Weise wurde das sog. "Soll MV" als "längerfristig erwartbare und erwünschte Studiennachfrage" hergeleitet! Dieses "Soll MV" sieht im übrigen eine Konzentration auf die relativ teuren Studiengänge zu Lasten der relativ preiswerten vor. Das Vorgehen mißachtet nicht bloß die Entwicklungsplanung der Hochschulen, sondern ist zugleich primitivste Staatswirtschaftsplanung, insbesondere wenn das Ministerium meint, daß "vor allem die Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften eher etwas zurücktreten können". Zumindest das Personalkonzept belegt, daß Kenntnisse gerade auf diesen Gebieten noch nicht sehr weit ins Ministerium vorgedrungen sein können.
g) Das Personalkonzept verkennt die Bedeutung der Hochschulen als der einzigen nennenswerten strategischen Ressource des Landes. Entgegen vieler verbaler Beteuerungen läßt die praktische Politik im Lande nicht erkennen, daß sie gewillt ist, die Möglichkeiten für das Land, die in einer Stärkung von Forschung und Bildung liegen, tatsächlich zu nutzen. Die Hochschulen werden prozentual in gleichem Maße gekürzt wie die Ministerien und Staatskanzlei. Eine Schwerpunktsetzung zugunsten von Bildung und Forschung erfolgt tatsächlich nicht. Scheinrationale Argumente im politischen Raum, wonach das Land nur entsprechend der aus dem Land stammenden "bildungsrelevanten Nachfrage" Hochschulen unterhalten solle, führen das Land nicht aus der Krise, sondern immer tiefer hinein.
h) Die Hochschulen bringen dem Land über ihre Studierenden sowie über ihre Drittmittel zusätzliche Einnahmen in ganz erheblichem Maße. Es ist nicht zutreffend, daß dem Land Anstrengungen, die eigenen Einnahmen zu erhöhen, nichts bringen, so daß die Ausgaben zu kürzen seien, wie dies Herr Staatssekretär Dr. Mediger auf der SPD-Konferenz in Rostock Warnemünde am 14. Januar 2005 ausgeführt hat. Ganz abgesehen davon, daß diese verkürzte Sicht nur den Landeshaushalt erfaßt, ist sie für die Zukunft aufgrund geänderter Mechanismen im Länderfinanzausgleich auch falsch. Die Studierenden sind mit ihrer Kaufkraft einer der wenigen kräftigen Wachstumsmotoren dieses Landes. Die Kaufkraftbedeutung der Studierenden ist von ca. 380 Mio EUR im Studienjahr 2000/01 auf 524 Mio EUR im laufenden Studienjahr und damit durchschnittlich jährlich um ca. 6,6 Prozent gewachsen. Die von außerhalb stammenden und hier sich anmeldenden Studenten tragen dazu bei, daß die negative Wanderungsbilanz des Landes nicht noch schlechter ausfällt, und bringen so dem Land zusätzliche Mittel aus dem Länderfinanzausgleich ein. Diese volkswirtschaftlichen Hinweise unterstützen freilich nicht die vulgärökonomische Betrachtung, die Lehre und Forschung auf kurzfristige "Nützlichkeit" reduziert.
Information:
PD Dr. Heidrun Peters, Stellv. Vorsitzende des Senats der Universität Greifswald,
Telefon 03834-863475, peters@uni-greifswald.de
Merkmale dieser Pressemitteilung:
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überregional
Organisatorisches, Wissenschaftspolitik
Deutsch
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