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24.02.2005 11:29

Augsburger Wissenschaftspreis 2005 für Studie über "Roma in einer westdeutschen Großstadt"

Klaus P. Prem Stabsstelle Kommunikation und Marketing
Universität Augsburg

    Preisverleihung an Dr. Ute Koch (Osnabrück/Berlin) am 9. Mai an der Universität Augsburg / Bewerbungen um den Augsburger Wissenschaftspreis für Interkulturelle Studien 2006 sind bis zum 30. September 2005 möglich ---

    Die Jury des von Helmut und Marianne Hartmann gestifteten und vom Forum Interkulturelles Leben und Lernen (FILL) e. V., der Stadt und der Universität Augsburg gemeinsam getragenen Augsburger Wissenschaftspreises für Interkulturelle Studien hat die Preisträgerin des Jahres 2005 bekanntgegeben: Dr. Ute Koch (Berlin) erhält den mit 5000 Euro dotierten Preis für ihre an der Universität Osnabrück vorgelegte und angenommene Dissertation über "Die Herstellung und Reproduktion sozialer Grenzen: Roma in einer westdeutschen Großstadt", die der Vorsitzende der Jury, Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Wolfgang Frühwald, folgendermaßen würdigt:

    "Unter den Kriterien, welche nach Ansicht des Europäischen Rates jene Länder zu erfüllen haben, die der Europäischen Union beitreten wollen, findet sich auch die Forderung nach einer erfolgreichen Integration von Minderheiten. Die nunmehr größte Minderheit Europas sind die Roma. In regelmäßigen Berichten über die Fortschritte der Bewerberländer wird darauf verwiesen, daß die Lage der Roma in Europa weiterhin Anlaß zur Sorge gibt.

    METHODISCH UNGEMEIN AUFWENDIGE ARBEIT

    Die Frage, ob und wie die Roma, eine stark in Familien- und Gemeinschaftsstrukturen denkende und lebende Gruppe von Menschen, sich in die pluralistischen und individualisierten Gesellschaften Europas integrieren oder nicht integrieren lassen, ist die Grundfrage des Buches von Ute Koch. Im Laufe ihrer Arbeit, die sie als eine empirische Studie (mit Interviews von Betroffenen und der mit diesen befaßten Sozialarbeiter) angelegt hat, stieß Frau Koch auf Grenzen, die von innen ebenso verfestigt waren wie von außen, so daß ihr der Zugang zu den Roma auf einem der sozialwissenschaftlich üblichen Wege verwehrt war. Sie macht aus der Not eine Tugend und belegt in einer methodisch ungemein aufwendigen Arbeit, daß die Herstellung und die Erhaltung von Grenzen zwischen Roma und Nicht-Roma die Identität dieser Gruppe erhält. Innerhalb dieser kulturellen und sozialen Grenze hat Individualität nur dann Bestand, wenn sie sich dem hierarchisch gegliederten Kollektiv einfügt, der oder die Einzelne erhält Lebenssinn und Daseinsrecht (kurz: Identität) von der Familie und in Bezug auf die Familie. Grenzgänger kommen in die Lage, vom Familienverband nicht mehr getragen zu sein und mit den erlernten und eingeübten Fähigkeiten außerhalb dieses Verbandes nicht leben zu können.

    ZU WAHRHEITEN VERDICHTETE MYTHEN

    Bei der Herstellung der sozial und kulturell ungemein festen Grenzen aber stimmen die Interessen und die Absichten der Roma selbst, der mit diesen befaßten Sozialarbeiter und - eine zweihundertjährige Forschungstradition häufig so nahtlos überein, daß es scheint, als sei die Nicht-Integration Ziel der Integrationsbemühungen. Romantische Mythen aus dem 18. und dem 19. Jahrhundert werden durch ständige Wiederholung zu Wahrheiten verdichtet und finden sich schließlich als (scheinbare) Wirklichkeit in den erzählten Lebensläufen und Arbeitsberichten der Interviewpartner in einer westdeutschen Großstadt am Ende des 20. Jahrhunderts wieder.

    TESTFALL EINER OFFENEN GESELLSCHAFT

    Im Anschluß an die neueren sozialwissenschaftlichen und sozialhistorischen Studien von Leo Lucassen versucht Ute Koch das Dickicht aus Interessen, Mythen und Traditionen so zu lichten, daß alle, die mit der Frage der Integration von Minderheiten befaßt sind, deren Sozialstrukturen der vorherrschenden Sozialstruktur strikt widersprechen, überhaupt erst wissen, wovon sie reden, welchen Schwierigkeiten sie gegenüberstehen, welche Wege und Umwege gefunden werden müssen, um zumindest dem Ziel eines friedlichen Zusammenlebens nahezukommen. Dieses Buch macht auf ein Problem aufmerksam, das in den Ländern des östlichen Mitteleuropa zwar drängender ist als in den Ländern Westeuropas, das aber zum Modellfall gelingenden oder mißlingenden Zusammenlebens und damit auch zum Testfall einer offenen Gesellschaft geworden ist."

    ZUR PREISTRÄGERIN

    Ute Koch ist 1965 in Rheinbach geboren. Sie studierte in Köln und Bonn Ethnologie, Pädagogik, Psychologie und Altamerikanistik und schloss 1994 ihr Studium mit dem Magisterexamen ab. 1995 bis 1998 war sie Stipendiatin, dann 2000 bis 2002 wissenschaftliche Angestellte im Graduiertenkolleg "Migration im modernen Europa" am Institut für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien der Universität Osnabrück. An dieser Universität wurde sie im Juni 2004 mit der hier preisgekrönten Arbeit summa cum laude zum Dr. phil. promoviert.

    17 BEWERBUNGEN AUS 14 HOCHSCHULEN

    Um den Augsburger Wissenschaftspreis für Interkulturelle Studien 2004 haben sich in diesem Jahr 17 Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftler der Universitäten Augsburg, Bremen, Duisburg-Essen, Frankfurt/Oder, Hamburg, Koblenz-Landau, Köln, Mannheim (4), München und Osnabrück sowie der Universität des Saarlandes, der Evangelischen Fachhochschule Freiburg, der Handelshochschule Leipzig und der Fachhochschule München beworben. Neben einer Habilitationsschrift und sechs Dissertationen wurden acht Diplom- und zwei Magisterarbeiten eingereicht.

    DIE BISHERIGEN PREISTRÄGERINNEN UND PREISTRÄGER

    Dr. Ute Koch ist die achte Trägerin des Augsburger Wissenschaftspreises für Interkulturelle Studien. 1998 ging die Auszeichnung an den Bamberger Politikwissenschaftler Alfredo Märker für seine Diplomarbeit zum Thema "Zuwanderung in die Bundesrepublik: Universalistische und Partikularistische Gerechtigkeitsaspekte", 1999 an die Frankfurter Soziologin Dr. Encarnación Gutiérrez Rodriguez für ihre Dissertation mit dem Titel "Jongleurinnen und Seiltänzerinnen - Dekonstruktive Analyse von Ethnisierung und Vergeschlechtlichung" und 2000 an die Essener Erziehungswissenschaftlerin Dr. Yasemin Karakasoglu-Aydin für ihre Dissertation über "Religiöse Orientierungen und Erziehungsvorstellungen. Eine empirische Untersuchung an türkischen Lehramts- und Pädagogik-Studentinnen im Ruhrgebiet". 2001 hat die Göttinger Juristin Prof. Dr. Christine Langenfeld den Augsburger Wissenschaftspreis für ihre Habilitationsschrift "Integration und kulturelle Identität zugewanderter Minderheiten in der Bundesrepublik Deutschland - eine Untersuchung am Beispiel des allgemeinbildenden Schulwesens" erhalten, 2002 ging er an die Dissertation "Heiratsverhalten und Partnerwahl im Einwanderungskontext: Eheschließungen der zweiten Emigrantengeneration türkischer Herkunft" von Dr. Gaby Straßburger, die wie die Preisträgerin 2005 in Osnabrück promoviert hat, 2003 an die Dortmunder Dissertation "Das Gesundheitserleben von Frauen aus verschiedenen Kulturen. Frauen und Gesundheit: Eine empirische Untersuchung zum Gesundheitserleben ausländischer Frauen in Deutschland aus salutogenetischer Sicht" der Iranerin Dr. Azra Pourgholam-Ernst. Der Wissenschaftspreis 2004 ging an die Berliner (HUB) Dissertation "Leben in der Schattenwelt. Problemkomplex illegale Migration. Neue Erkenntnisse zur Lebenssituation Illegaler' aus München und anderen Orten Deutschlands" des Jesuitenpaters Dr. Jörg Alt.

    AUSSCHREIBUNG FÜR 2006: BEWERBUNGSFRIST ENDET AM 30. SEPTEMBER 2005

    Die Bewerbungsfrist für den Augsburger Wissenschaftspreis für Interkulturelle Studien 2006 läuft bis zum 30. September 2005. Eingereicht werden können wissenschaftliche Arbeiten, die sich im Rahmen des übergreifenden Themas "Interkulturelle Wirklichkeit in Deutschland: Fragen und Antworten auf dem Weg zur offenen Gesellschaft" bewegen. Der Preis richtet sich insbesondere an Magister-, Staatsexamens- und Diplomarbeiten sowie an Dissertationen und Habilitationsschriften, die nicht früher als zwei Jahre vor dem Bewerbungsschluss an einer deutschen Universität abgeschlossen und vorgelegt wurden. Bewerbungen sind mit zwei Exemplaren der Studie, einer ca. 10-seitigen Zusammenfassung der Studie, mindestens einem Gutachten eines Professors/einer Professorin und einem Lebenslauf über die jeweilige Universitätsleitung an das Rektoramt der Universität Augsburg, Universitätsstraße 2, 86159 Augsburg, zu richten.
    ______________________________________________________

    KONTAKT UND WEITERE INFORMATIONEN:
    Dr. Peter Kolb
    Rektoramt der Universität Augsburg
    86135 Augsburg
    Telefon 0821/598-5102, Telefax 0821/598-5116
    e-mail: peter.kolb@rektorat.uni-augsburg.de


    Bilder

    Als Trägerin des Augsburger Wissenschaftspreises für Interkulturelle Studien 2005 folgt Dr. Ute Koch ...
    Als Trägerin des Augsburger Wissenschaftspreises für Interkulturelle Studien 2005 folgt Dr. Ute Koch ...

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    ... auf P. Dr. Jörg Alt SJ (mitte), der die Auszeichnung am 10. Mai 2004 im Goldenen Saal des Augsburger Rathauses aus den Händen des Preisstifters Helmut Hartmann (rechts) und des Jury-Vorsitzenden Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Wolfgang Frühwald entgegennahm.
    ... auf P. Dr. Jörg Alt SJ (mitte), der die Auszeichnung am 10. Mai 2004 im Goldenen Saal des Augsbu ...
    Fotos: privat und K. Ruff
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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Gesellschaft, Pädagogik / Bildung, Politik, Psychologie, Recht
    überregional
    Forschungsergebnisse, Personalia
    Deutsch


     

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    ... auf P. Dr. Jörg Alt SJ (mitte), der die Auszeichnung am 10. Mai 2004 im Goldenen Saal des Augsburger Rathauses aus den Händen des Preisstifters Helmut Hartmann (rechts) und des Jury-Vorsitzenden Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Wolfgang Frühwald entgegennahm.


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