idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
03.03.2005 09:00

Kalte Herzen - Wie das Fernsehen den Charakter formt

Claudia Ehrlich Pressestelle der Universität des Saarlandes
Universität des Saarlandes

    "Fernsehen ist eine soziale Emission. Wir müssen als Gesellschaft die Grenzwerte definieren!", fordert Professor Dr. Peter Winterhoff-Spurk. Der Saarbrücker Medien- und Organisationspsychologe erforscht seit zwanzig Jahren die emotionalen Auswirkungen der Medien auf den Zuschauer, unter anderem auch die Wirkungen von Gewalt. Mit seinem neuen Buch "Kalte Herzen - Wie das Fernsehen den Charakter formt" gibt er Einblick in neueste Erkenntnisse auf diesem Gebiet und kommt zu alarmierenden Ergebnissen.
    Jeden Tag schaut der normale Bundesbürger im Durchschnitt etwa dreieinhalb Stunden fern. Winterhoff-Spurks These: Das Fernsehen habe sich in Zeiten der totalen Flexibilität und Mobilität, in denen Bindungen in allen Bereichen zunehmend unsicher werden, zum geheimen Erzieher entwickelt und einen neuen Sozialcharakter hervorgebracht. Die Gefühlskultur sei dabei, sich zu wandeln: hin zum Oberflächlichen, Theatralischen, Sexualisierten, zur Selbstinszenierung mit ständigem Drang nach Aufregung. Gefühle würden lediglich dargestellt, aber nicht wirklich empfunden; der Trend gehe hin zum "kalten Herz" - der Begriff ist aus dem gleichnamigen Märchen von Wilhelm Hauff entlehnt. "Emotionen brauchen Zeit - und die nimmt man sich nicht mehr angesichts der Flut von Informationen und emotionalen Eindrücken, der man schon bei einer Nachrichtensendung ausgesetzt ist", erklärt Winterhoff-Spurk.
    Die Folgen beträfen die Gesellschaft als Ganzes. "Der Kitt, der unsere Gesellschaft zusammenhält, ist brüchig geworden", so der Psychologieprofessor. Das Fernsehen sei ein Verstärker für individuelle und gesellschaftliche Fehlentwicklungen. "Die Diesseitigkeitsreligion Fernsehen bietet Halt. Wenn also beispielsweise die Eltern, Verwandten oder Lehrer nicht mehr als Vorbilder taugen, bieten sich die Medienfiguren als parasozialer Ersatz an." So käme es, dass Kinder und Jugendliche ihre Vorbilder nicht wie früher im Nahbereich suchen, sondern in den Medien. Die Stars seien auswechselbar, es fände keine Auseinandersetzung statt, die "Beziehung" habe keine Reibungspunkte.
    "Ein politisch desinteressierter, gesellschaftlich nicht engagierter, an seinen Arbeitgeber emotional nicht gebundener, psychisch labiler, egoistischer, vor allem mit seiner Inszenierung beschäftigter und an Events interessierter Single als Bürger der Zukunft. Weder die Familie, noch die Firma noch die Nation als soziale Verbände interessieren ihn sonderlich. Das kann einer Gesellschaft nicht gut tun, ihre Wir-Ich-Balance geht aus den Fugen".

    Um entgegenzusteuern, müsse vor allem auch bei den Ursachen, bei den individuellen und gesellschaftlichen Fehlentwicklungen angesetzt werden: Mehr Bindungssicherheit in allen Bereichen vom familiären, nachbarschaftlichen, beruflichen bis hin zum politischen Bereich.

    Peter Winterhoff-Spurk:
    "Kalte Herzen
    Wie das Fernsehen unseren Charakter formt"
    Verlag Klett-Cotta, Stuttgart 2005
    2005, gebunden mit Schutzumschlag
    271 Seiten
    ISBN: 3-608-94102-9

    http://www.uni-saarland.de/fak5/orga/

    Sie haben Fragen? Dann setzen Sie sich bitte in Verbindung mit Peter Winterhoff-Spurk: Tel. 0681/302-3638, Email: p.winterhoff@mx.uni-saarland.de


    Weitere Informationen:

    http://www.uni-saarland.de/fak5/orga/ - Homepage der Arbeitseinheit Medien- und Organisationspsychologie


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Gesellschaft, Medien- und Kommunikationswissenschaften, Pädagogik / Bildung, Psychologie
    überregional
    Forschungs- / Wissenstransfer, Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).