Unter Federführung des Forschungszentrums Karlsruhe verbessert das EU-Projekt EURANOS den Notfallschutz nach unfallbedingten Freisetzungen von radioaktivem Material
Nach dem Tschernobyl-Unfall traten europaweit erhebliche Defizite im Katastrophen-Management kerntechnischer Unfälle zutage. Unter Federführung des Forschungszentrums Karlsruhe wurde deshalb das Entscheidungshilfesystem RODOS entwickelt. RODOS führt alle relevanten Daten zusammen, erstellt Diagnosen und Prognosen und vergleicht die Effizienz verschiedener Maßnahmen. Außer in Deutschland wird das System mittlerweile in mehr als zehn europäischen Staaten betrieben. Im Rahmen des vom Forschungszentrum Karlsruhe koordinierten EU-Projektes EURANOS sollen die Notfallschutzmaßnahmen nun in insgesamt 17 europäischen Ländern auf eine gemeinsame Basis gestellt werden.
Nach dem Reaktorunfall von Tschernobyl am 26. April 1986 zeigte sich, wie schlecht die europäischen Staaten auf eine solche Katastrophe vorbereitet waren: Die Beurteilung der radiologischen Lage und die Prozesse der Entscheidungsfindung zum Schutz der Bevölkerung waren mangels einheitlicher, belastbarer Informationen oft von Aktionismus geprägt und nicht situationsgerecht. Darüber hinaus gab es keine grenzübergreifende Koordination von Schutzmaßnahmen.
In Zukunft will man besser auf Unfälle in kerntechnischen Anlagen und sonstige Freisetzungen von radioaktivem Material vorbereitet sein. Mit Förderung der EU und der Bundesregierung wurde deshalb - unter Federführung des Forschungszentrums Karlsruhe in Zusammenarbeit mit einer Vielzahl europäischer Forschungseinrichtungen - das Entscheidungshilfesystem RODOS entwickelt.
"RODOS ermöglicht es Entscheidungsträgern, unter Zeitdruck und hoher psychischer Belastung einen schnellen Überblick über die bestehende Lage und die Auswirkungen denkbarer Gegenmaßnahmen zu gewinnen", erklärt Dr. Joachim Ehrhardt, Wissenschaftler im Institut für Kern- und Energietechnik des Forschungszentrums Karlsruhe und Koordinator von RODOS. "So können auf einer fundierten Wissensbasis begründbare, rationale Entscheidungen getroffen werden."
RODOS (Real-time Online DecisiOn Support System) ist seit 2003 am Standort Neuherberg des Bundesamtes für Strahlenschutz in Betrieb. Neben Bundeseinrichtungen sind die für den Katastrophenschutz zuständigen Länderbehörden in nahezu allen Bundesländern an RODOS angeschlossen.
RODOS ist modular aufgebaut und vermittelt Informationen in vier miteinander verzahnten Bereichen:
o Übertragung, Auswertung und Speicherung von radiologischen und meteorologischen Messdaten sowie Wetterprognosen;
o Ermittlung der derzeitigen und künftigen atmosphärischen Ausbreitungsvorgänge und daraus abgeleiteter Aktivitätskonzentrationen in der Umwelt;
o Simulation von Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung und der damit verbundenen radiologischen und materiellen Konsequenzen;
o Erstellung einer Rangfolge alternativer Maßnahmenstrategien durch gegenseitige Bewertung ihrer Vor- und Nachteile und der technischen Durchführbarkeit.
Denkbare Maßnahmen reichen von der Empfehlung des Aufenthalts in Gebäuden, der Verteilung von Jodtabletten und der Evakuierung bis zur Umsiedlung und der Dekontamination landwirtschaftlicher Gebiete und Produkte.
Folgende Auswirkungen von Maßnahmen werden durch das RODOS-System ermittelt: zu erwartende Strahlendosen für die Bevölkerung und für Einzelpersonen, strahleninduzierte Gesundheitseffekte, von den Maßnahmen betroffene Gebiete, Personen und landwirtschaftliche Produkte, Gesundheitseffekte durch die Maßnahmen sowie die mit den Maßnahmen verbundenen Kosten.
Aufgrund der von RODOS bereitgestellten Analysen können die Entscheidungsträger die Vor- und Nachteile von Notfallschutzmaßnahmen beurteilen und unter Berücksichtigung anderer Einflussgrößen und eigener Bewertungskriterien zu den bestmöglichen Maßnahmenempfehlungen kommen.
Im Rahmen des vom Forschungszentrum Karlsruhe koordinierten EU-Projektes EURANOS erarbeiten 17 nationale Notfallschutz-Organisationen in Zusammenarbeit mit 33 Forschungseinrichtungen eine verbesserte gemeinsame Basis für ein europäisches Katastrophen-Management. Dabei steht der operationelle Einsatz neuer Methoden und Systeme im Vordergrund. In Demonstrationsprojekten wird ihr praktischer Einsatz getestet. Die Rückmeldungen der Benutzer werden in den Arbeitsprogrammen berücksichtigt. Auf diese Weise wird auch das RODOS-System praxisorientiert weiterentwickelt.
Das Forschungszentrum Karlsruhe ist Mitglied der Helmholtz-Gemeinschaft, die mit ihren 15 Forschungszentren und einem Jahresbudget von rund 2,1 Milliarden Euro die größte Wissenschaftsorganisation Deutschlands ist. Die insgesamt 24000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Helmholtz-Gemeinschaft forschen in den Bereichen Struktur der Materie, Erde und Umwelt, Verkehr und Weltraum, Gesundheit, Energie sowie Schlüsseltechnologien.
Joachim Hoffmann 3. März 2005
Diese Presseinformation ist auch im Internet unter der Adresse des Forschungszentrums Karlsruhe abrufbar: http://www.fzk.de
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Elektrotechnik, Energie, Gesellschaft, Informationstechnik, Politik, Recht
überregional
Forschungsergebnisse, Forschungsprojekte
Deutsch
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