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08.03.2005 09:47

Psychotherapeuten analysieren sich selbst

Ingrid Godenrath Stabsstelle Zentrale Kommunikation
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

    Psychotherapeuten denken "von Berufs wegen" viel über andere Menschen und deren Lebenslagen nach. Doch über die eigene Situation gibt es relativ wenig Literatur. In einem neuen Buch haben nun 64 Psychotherapeuten ihr eigenes Berufsfeld widergespiegelt. Den Beitrag über Vorurteile schrieb Frau Professor Erdmuthe Fikentscher, Direktorin der Universitätsklinik und Poliklinik für Psychotherapie und Psychosomatik an der Medizinischen Fakultät der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg.

    Ein neues Buch reflektiert die Situation der Psychotherapeuten und beleuchtet unter anderem das Verhältnis östlich und westlich sozialisierter Psychotherapeuten

    632 Seiten haben die Autoren zusammengebracht: "WIR: Psychotherapeuten über sich und ihren "unmöglichen" Beruf" ist ein umfangreiches und inhaltsreiches Werk (Herausgeber: Kernberg/Dulz/Eckert). Dabei ist das Buch nicht nur kritisch und informativ, sondern auch unterhaltsam und humorvoll geschrieben. In theoretischen, praktischen und zum Teil sehr persönlichen Beiträgen beleuchten sie verschiedene Aspekte ihres Berufes und sparen auch Kontroversen nicht aus.

    Frau Professor Erdmuthe Fikentscher widmet sich dem Thema "Vorurteile". Dabei geht es zunächst um Vorurteile gegenüber der Berufsgruppe der Psychotherapeuten an sich, aber auch um das Verhältnis östlich und westlich sozialisierter Psychotherapeuten in Deutschland. "Die gesellschaftlichen Veränderungen in Deutschland haben in unserer Berufsgruppe ganz ähnliche Verhaltensmuster erzeugt wie in anderen", erläutert Professor Fikentscher, die selbst seit über 30 Jahren Psychotherapie an Universitäten im Osten Deutschlands betreibt. "Nach dem Wegfall ideologischer Schranken wurde besonders das größere Fortbildungsangebot begrüßt und ein aufgeschlossener Austausch mit Westtherapeuten gepflegt. Dann kam die Ernüchterung und meine Kollegen und ich erlebten oftmals eine deutliche Kränkung, denn unsere spezifischen Lebenserfahrungen und -leistungen wurden oft darauf reduziert, die Prozesse aufzuarbeiten, die mit totalitären Systemen zusammenhängen."

    Die "fachpsychotherapeutischen" Vorurteile berühren laut Professor Fikentscher aber auch die Bevölkerung. Zunächst war man davon ausgegangen, dass das Aufwachsen in totalitären Strukturen, die Wende und ihre Auswirkungen auf Selbstbild und Identität der ehemaligen DDR-Bürger vermehrt zu psychischen Störungen geführt hätten. Die Klagen der Ostdeutschen über den überfordernden westlichen Individualismus, den Druck zur Selbstverwirklichung und Leistungszwang und - damit einhergehend - die Vernichtung des Gruppengefühls stützten diese Behauptung zusätzlich. Mehrere empirische Untersuchungen zeigen jedoch, dass in den östlichen Bundesländern keine höhere psychische Pathogenität vorliegt bzw. diese sogar geringer ist.

    "Zurzeit ist bei einem Teil der ostdeutschen Psychotherapeuten eine besondere Rückbesinnung auf eigene Entwicklungen und Traditionen zu erkennen," konstatiert Professor Fikentscher. "Das fördert sowohl die Identitätsbestimmung als auch die Abgrenzung. Die historischen ostdeutschen Ressourcen lassen sich gemeinsam sicher noch besser nutzen, indem die kreativen Momente aufgegriffen und nicht im konflikthaften Machtkampf vorurteilshaft abgewertet werden."

    KERNBERG / DULZ / ECKERT (Hrsg.)
    WIR: Psychotherapeuten über sich und ihren "unmöglichen" Beruf
    2005. 632 Seiten, 68 Abb., 9 Tab., geb., € 59,00, ISBN: 3-7945-2293-1


    Weitere Informationen:

    http://www.medizin.uni-halle.de/ - das Couver des Buches


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Ernährung / Gesundheit / Pflege, Gesellschaft, Medizin, Psychologie
    überregional
    Forschungs- / Wissenstransfer, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

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