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17.06.1998 00:00

Grüne Sahara im Computer

Johannes Bernreuter Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung

    Einer Forschergruppe am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung ist es erstmals gelungen, das globale Wechselspiel zwischen Atmosphäre, Ozeanströmung und Vegetation während des sogenannten holozänen Klimaoptimums vor gut 6.000 Jahren in einem Computermodell realistisch zu simulieren.

    "Diese Simulationen zeigen eindrucksvoll, wie die Vegetation Klimaänderungen verstärken kann - ein Prozeß, der vermutlich auch in der Zukunft eine wichtige Rolle spielen wird", bewertet der Leiter der Forschungsgruppe, Professor Martin Claußen, das Ergebnis, das in der jüngsten Ausgabe des amerikanischen Wissenschaftsjournals Science (Vol. 280, S. 1916 ff) veröffentlicht wurde. Zusammen mit der erfolgreichen Eiszeit-Simulation des Potsdamer Teams (Nature, Vol. 391, 22. Januar 1998, S. 350-356) ist dies ein weiterer entscheidender Test für die Glaubwürdigkeit von Klimamodellen, auf die sich auch die Klimaabschätzungen für das nächste Jahrhundert stützen.

    Nach dem Ende der letzten Eiszeit zogen sich die Eismassen zurück und erreichten ihre heutige Ausdehnung vor etwa 6.000 Jahren. Das Klima zu dieser Zeit war im allgemeinen milder als heute, weshalb dieser Abschnitt der Klimageschichte auch als holozänes Klimaoptimum bezeichnet wird. Der Sommer auf der Nordhalbkugel war in vielen Regionen wärmer und insbesondere Nordafrika war deutlich regenreicher. Damals existierte in der heutigen Sahara eine subtropische Steppe, die nördliche Baumgrenze der Taiga lag bis zu 200 Kilometer weiter im Norden. Dies wurde aus verschiedenen Datenquellen rekonstruiert wie Pollen- und Knochenfunden oder Felszeichnungen, wie zum Beispiel in der "Höhle der Schwimmer", die im Film "Der englische Patient" zu sehen ist.

    Letztendlich lassen sich die Klimaänderungen der letzten 6.000 Jahre auf kleine periodische Schwankungen in der Erdbahn und der Erdachsenneigung zurückführen, die eine Änderung in der regionalen Verteilung der Sonneneinstrahlung bewirken. Bisherige Klimamodelle konnten zwar eine daraus resultierende Verschiebung der nördlichen Baumgrenze nachbilden, im Ausmaß dieser Verschiebung gab es jedoch keine Übereinstimmung zwischen den verschiedenen Modellen. Auch über die Vegetationsänderungen in der Sahara gingen die Meinungen auseinander: Manche Klimamodelle zeigten einen nur geringfügigen Rückgang der Wüste während des holozänen Klimaoptimums, manche eine kräftige Begrünung der Westsahara, andere wiederum ein Einwandern subtropischer Vegetation in die Ostsahara.

    Klimaforscher suchten die Unterschiede zwischen Modell und Daten damit zu erklären, daß die Modelle den Einfluß der Ozeanströmungen nicht berücksichtigt hatten. Erste Simulationen mit gekoppelten Modellen der Atmosphäre und des Ozeans brachten allerdings keinen Durchbruch. Ihn erzielten erst die Potsdamer Forscher mit einem neuartigen Klimasystemmodell, das es erlaubt, die Wechselwirkung zwischen Atmosphäre, Ozean und Vegetation zu beschreiben. Das Modell CLIMBER - als Akronym für CLIMate and BiosphERe - wurde speziell für die Klimasystemanalyse entwickelt. "CLIMBER liefert zwar nur die globalen, großräumigen Strukturen des Klimas, das heißt, einzelne Tief- und Hochdruckgebiete können nicht dargestellt werden, dafür rechnet CLIMBER aber viel schneller als die komplexen Klimamodelle und umfaßt dennoch sämtliche Klimakomponenten", erklärt Andrey Ganopolski, einer der Konstrukteure des Potsdamer Klimasystemmodells.

    Die Potsdamer Forscher konnten zeigen, daß die Begrünung der Sahara hauptsächlich auf die Wechselwirkung zwischen Atmosphäre und Vegetation zurückzuführen ist und daß Änderungen in der Ozeanströmung kaum dazu beitrugen. Umgekehrt verstärkte in den hohen Breiten die Wechselwirkung zwischen der Erwärmung der Arktis, der Nordwärtsverschiebung der baumreichen Taiga und dem Rückgang des arktischen Meereises die durch die Änderungen der Erdbahn angeregte Klimaänderung.

    Details der Veröffentlichung:
    Ganopolski, A., C. Kubatzki, M. Claussen, V. Brovkin, V. Petoukhov: The influence of vegetation-atmosphere-ocean interaction on climate during the mid-Holocene, in: Science, Vol. 280, S. 1916 ff, 19. Juni 1998

    Die Autoren:
    Andrey Ganopolski ist Spezialist für die Computersimulation der Ozeane und des Klimasystems. Bevor er im August 1994 zum Potsdam-Institut kam, arbeitete er am International Institute for Applied Systems Analysis (IIASA, Wien) und am Computerzentrum der Russischen Akademie der Wissenschaften in Moskau. Er ist der hauptsächliche Entwickler des neuen Klimasystemmodells CLIMBER, führte zusammen mit Claudia Kubatzki die Klimasimulationen durch und war an der Auswertung maßgeblich beteiligt.

    Claudia Kubatzki studierte Meteorologie in Hamburg und arbeitet seit Februar 1997 als Doktorandin am Potsdam-Institut auf dem Gebiet der Wechselwirkung zwischen Vegetation und Klima. Sie führte zusammen mit Andrey Ganopolski die Klimasimulationen durch und war an deren Analyse maßgeblich beteiligt.

    Martin Claußen ist Professor für theoretische Klimatologie an der Freien Universität Berlin, Leiter der Abteilung Klima-System am Potsdam-Institut und Leiter der CLIMBER-Gruppe. Bevor er im April 1996 zum Potsdam-Institut kam, widmete er sich am Max-Planck-Institut für Meteorologie, Hamburg, als einer der ersten Forscher überhaupt der Modellierung der globalen Wechselwirkung zwischen Klima und Vegetation. Er war an der Konzeption und Analyse der Klimasimulation beteiligt.

    Victor Brovkin ist Experte für ökologische Modellierung. Er ist Mitabeiter am Potsdam-Institut seit Oktober 1994. Zuvor war er am Obukhov-Institut für Atmosphärische Physik in Moskau tätig. Brovkin war bei der Entwicklung des Vegetationsmoduls von CLIMBER maßgeblich beteiligt und trug zur Analyse der Ergebnisse der Klimasimulation bei.

    Vladimir Petoukhov ist Experte für die Simulation der Atmosphäre und des Klimas. Er ist Gastprofessor am Potsdam-Institut und hauptamtlich am Obukhov-Institut für Atmosphärische Physik in Moskau tätig. Von 1992 bis 1994 arbeitete er am IIASA. Petoukhov hat das Atmosphärenmodul von CLIMBER entworfen und trug zur Analyse der Ergebnisse der Klimasimulation bei.

    Ansprechpartner:
    Claudia Kubatzki
    Tel. 03 31/288-25 90, Fax -26 95
    E-mail: kubi@pik-potsdam.de

    Prof. Dr. Martin Claußen
    Tel. 03 31/288-25 22, Fax -26 00
    E-mail: Claussen@pik-potsdam.de

    Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung e.V.
    Abteilung Klima-System

    Reproduktion der Grafik ist gegen Belegexemplar möglich. Um eine Druckvorlage für die Grafik zu erhalten, wenden Sie sich bitte per E-mail an Claudia Kubatzki.


    Bilder

    Verstärkung der Klimaänderung im Holozän durch die Wechselwirkung zwischen Atmosphäre, Vegetation und Ozean: Dargestellt sind Temperatur- und Niederschlagsdifferenzen zwischen dem voll gekoppelten Modell und einer Simulation mit konstanter Vegetation
    Verstärkung der Klimaänderung im Holozän durch die Wechselwirkung zwischen Atmosphäre, Vegetation un ...

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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Biologie, Geowissenschaften, Informationstechnik, Mathematik, Meer / Klima, Physik / Astronomie, Umwelt / Ökologie
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

    Verstärkung der Klimaänderung im Holozän durch die Wechselwirkung zwischen Atmosphäre, Vegetation und Ozean: Dargestellt sind Temperatur- und Niederschlagsdifferenzen zwischen dem voll gekoppelten Modell und einer Simulation mit konstanter Vegetation


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