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18.04.1996 00:00

Neurovisionen

Michael Seifert Hochschulkommunikation
Eberhard Karls Universität Tübingen

    "Neurovisionen" - Universitaet Tuebingen mit drei neurowissenschaftlichen Projekten auf der Hannovermesse '96

    Auf der diesjaehrigen Hannovermesse '96 vom 22. bis 25. April wird die Universitaet Tuebingen auf einem Gemeinschaftsstand unter dem Namen "Neurovisionen" mit drei Projekten vertreten sein. Zusammen mit 16 anderen Institutionen - Universitaeten, Grossforschungseinrichtungen, Unternehmen - praesentiert sie neueste Entwicklungen aus neurowissenschaftlichen Forschungsprojekten in den Disziplinen Informatik, Physik und Augenheilkunde. Die Tuebinger Exponate sind zu finden in Halle 18, Obergeschoss, Stand J06.

    Ueber Neuronale Netze eine Prothese steuern

    Neuronale Netze sind kuenstliche Netze, in denen - vom Modell des Gehirns inspiriert - Elemente (Neuronen) so miteinander verknuepft werden, dass eine komplexe Funktionsweise entstehen kann. Dies gelingt aber erst - wie beim biologischen Vorbild auch - durch ein entsprechendes Lerntraining. Andererseits macht die Lernfaehigkeit die Neuronalen Netze so effektiv. Aufgrund ihrer teilweisen Aehnlichkeit mit biologischen Systemen sind sie fuer Aufgaben in der Bild- und Sprachverarbeitung, Robotik, Sensorik oder fuer biomedizimische Anwendungen gut geeignet. So entwickelte der Arbeitsbereich 'Technische Informatik' unter der Leitung von Prof. Dr. Wolfgang Rosenstiel von der Tuebinger Fakultaet fuer Informatik eine Prothese, die direkt vom peripheren Nervensystem gesteuert wird. Der Vorteil gegenueber bisherigen Verfahren - bei denen Oberflaechenelektroden am Arm befestigt wurden - liegt darin, dass das aufwendige, langwierige, nicht immer erfolgreiche Muskeltraining des Patienten ueberfluessig wird. Die ueber Neuronale Netze gesteuerte Prothese verhaelt sich wie eine natuerliche Hand. Um zu entscheiden, ob das momentan gemessene Nervensignal eine Bewegung der kuenstlichen Hand hervorrufen soll, muss ein Filter eingebaut werden. Hierfuer ist Kohonens selbstorganisierende Karte - eine besondere Variante der Neuronalen Netze - in hohem Masse geeignet. Sie ermittelt, ob und welche Informationen der Nervensignale an die Steuereinheit der Prothese weitergeleitet werden. So wird auf Grund einer biologisch motivierten Funktion die Bewegung bewirkt. Als naechster Schritt wird denkbar, an der Prothese Druck - und Waermesensoren anzubringen, die wiederum ueber Neuronale Netze die entsprechenden Empfindungen an das Gehirn weiterleiten. Die kuenstliche Hand 'fuehlt' dann. Kohonens selbstorganiserende Karte koennte auch fuer weitere vielversprechende Anwendungen eingesetzt werden, z.B. im Bereich des Pharmascreening bzw. der Schadstoffmessung mittels Zellkulturen sowie der Klassifikation von EEGs.

    Atomare Strukturen mit Elektronenholographie abbilden

    Auch die Materialwissenschaft kann vom Einsatz Neuronaler Netze profitieren. Die Arbeitsgruppe unter Professor Dr. Dieter Kern vom Tuebinger Institut fuer Angewandte Physik praesentiert neu entwickelte Verbesserungen der Elektronenholographie. Die Elektronenholographie etabliert sich zunehmend als leistungsfaehiges Verfahren in der Elektronenmikroskopie. Dabei werden die quantenmechanischen Eigenschaften der Elektronen genutzt. Das bedeutet, dass die Elektronen nicht mehr allein durch ihre Teilcheneigenschaft zu beschreiben sind, sondern sich wie Wellen verhalten. So wird die Anwendung der aus der Lichtoptik bekannten Holographie ermoeglicht. Als Probleme erwiesen sich bisher jedoch die Beeintraechtigung durch Rauschen und die nach wie vor verschluesselte Information ueber Amplitude und Phase des Elektrons. Mit Hilfe der weiterentwickelten Elektronenholographie koennen nun durch das Aufzeichnen der vollstaendigen Bildinformation atomare Strukturen 1000mal genauer interpretiert werden als im Lichtmikroskop. Dies resultiert aus dem Einsatz eines Neuronalen Netzes, das nach entsprechendem problemorientierten Training die verdeckten Informationen ueber die Amplitude und Phase der Elektronen entschluesselt. Als zweite Phase kann das Ausmessen und die Korrektur elektronenoptischer Bildfehler angegangen werden. Hierbei nutzt man die im ersten Schritt gefundene Amplitude und Phase des Elektrons. Durch die Faehigkeit Neuronaler Netze, viele verschiedene Informationen gleichzeitig sinnvoll auszuwerten, koennen sogar Aufnahmen mit mehreren, ueberlagerten Bildfehlern bearbeitet werden. Verblueffend ist dabei die Schnelligkeit: Schon bei einem Durchlauf wird die Aufnahmequalitaet verbessert,und die Fehlerquelle sinkt erheblich.

    Netzhautchips sollen Sehfaehigkeit wiederherstellen

    Die Koordination des Verbundprojekts 'Subretinales Netzhautimplantat', dem auch verschiedene Institute aus Reutlingen und Stuttgart angeschlossen sind, liegt bei Professor Dr. Eberhart Zrenner, dem Geschaeftsfuehrenden Aerztlichen Direktor der Universitaets-Augenklinik Tuebingen. Im Projekt sollen Mikrochips konstruiert, getestet und zur Anwendungsreife fortentwickelt werden, die blinden und stark sehbehinderten Menschen direkt in die Netzhaut eingepflanzt werden koennen. In bisherigen Ansaetzen wurden mit einer Kamera Bildaufnahmen ausserhalb des Koerpers gemacht, deren Informationen dann auf einen Netzhautchip uebertragen werden sollen. Im Gegensatz dazu werden im neuen Projekt die noch intakt gebliebenen nachgeschalteten Nervenzellen des Auges weiter genutzt. Die miniaturisierten Photodioden und Elektroden auf dem Chip-Implantat stimulieren diese Nervenzellen bei Lichteinfall. So wird wieder eine visuelle Erregung in der Sehrinde erzeugt. Bis Patienten mit einer erblichen oder auch altersbedingten Netzhautdegeneration auf diese Weise geholfen werden kann, ist es allerdings noch eine weiter Weg. Zunaechst muss Grundlagenforschung betrieben werden, z.B. zur Vertraeglichkeit und zur Altersbestaendigkeit der Mikrochips.


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Ernährung / Gesundheit / Pflege, Informationstechnik, Medizin
    überregional
    Forschungsprojekte
    Deutsch


     

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