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21.04.1999 10:50

Wie spiegelbildliche Moleküle sich zusammenlagern

Robert Emmerich Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Julius-Maximilians-Universität Würzburg

    Ein Apfel und ein Messer - mehr Hilfsmittel sind nicht nötig, um sich einem Projekt aus der Grundlagenforschung am Institut für Organische Chemie der Universität Würzburg spielerisch zu nähern. Dort befassen sich die Wissenschaftler um Prof. Dr. Manfred Christl mit chiralen Allen-Abkömmlingen.

    Man schneide einen Apfel vom Stiel und von der Blüte her in zwei zueinander senkrecht stehenden Ebenen bis zum Äquator ein. Dann verbinde man jeweils zwei Endpunkte der vertikalen Schnitte durch nicht benachbarte äquatoriale Viertelschnitte: Jetzt lässt sich die Frucht in zwei gleiche Hälften teilen. Dieser Zaubertrick ist in Frankreich unter dem Namen "La coupe du roi" ("Königsschnitt") bekannt. Die Apfelhälften sehen so aus, als ob ein oberes und ein unteres Apfelviertel, die durch zwei vollständige Zentralschnitte - einer vertikal, der andere horizontal - hergestellt wurden, nach Drehung des einen um 90 Grad um die Apfelachse wieder zusammengeklebt worden wären.

    Wiederholt man den "Königsschnitt" an einem zweiten Apfel, jetzt aber mit dem Unterschied, dass die beiden äquatorialen Schnitte spiegelbildlich zu ihrer Lage beim ersten Apfel gesetzt werden, so resultieren wieder zwei gleiche Hälften. Versucht man nun, je eine Hälfte des ersten und des zweiten Apfels zusammenzufügen, so gelingt das nur höchst unvollkommen. Das liegt daran, dass die eine Hälfte des ersten Apfels das Spiegelbild von einer Hälfte des zweiten Apfels ist. Beide lassen sich nicht zur Deckung bringen, weil sie sich zueinander so verhalten wie die linke Hand zur rechten.

    Auch die Chemiker unterscheiden Moleküle, die zwar Spiegelbilder, aber doch nicht ganz gleich sind. Ursache für diese Eigenschaft kann unter anderem ein sogenanntes Allen-Strukturelement sein. Das Allen-Molekül ist starr und besteht aus drei Kohlenstoff- und vier Wasserstoffatomen, die in zwei aufeinander senkrecht stehenden Ebenen liegen. Die Kohlenstoffatome bilden eine Gerade, an deren Enden je zwei Wasserstoffatome in Winkeln von 120 Grad gebunden sind.

    Ersetzt man an jedem Ende ein Wasserstoffatom durch ein anderes Atom oder eine Atomgruppe, dann resultiert das Phänomen der Chiralität oder "Händigkeit". Denn es gibt zwei Möglichkeiten, diesen Austausch auszuführen, so dass sich zwei Moleküle ergeben, die sich wie Spiegelbilder zueinander verhalten und nicht zur Deckung gebracht werden können. In der Tat ähnelt die Form eines solchen Allen-Abkömmlings derjenigen einer per Königsschnitt erzeugten Apfelhälfte.

    1969 wurde der erste Fall bekannt, dass ein bestimmter chiraler Allen-Abkömmling in unterschiedlicher Weise dimerisieren kann. Dimerisieren heißt, dass sich zwei Moleküle unter Ausbildung von chemischen Bindungen zusammenlagern. Je nachdem, ob man nur eine Molekülsorte oder ein Eins-zu-eins-Gemisch beider Sorten zur Dimerisierung brachte, erhielt man unterschiedliche Ergebnisse.

    In seiner Diplomarbeit hat der Chemiker Stefan Groetsch im Arbeitskreis von Prof. Christl einen zweiten solchen Fall gefunden. Doch war die Struktur des Produkts bei der Reaktion gleichartiger Moleküle nicht vorhersagbar, auch nicht anhand des Verlaufs beim früher gefundenen Fall. Somit stecke das Verständnis derartiger Vorgänge noch in den Kinderschuhen, sagt Prof. Christl. Nun passe auch der Vergleich mit den durch einen Königsschnitt erzeugten Apfelhälften nicht mehr, denn dort ist das Resultat des Zusammenfügens zweier gleicher oder ungleicher Hälften völlig klar. Wie alle Vergleiche, so hinke auch der hier benutzte, weil sich makroskopische Gesetzmäßigkeiten nicht in die Welt der Atome und Moleküle übertragen lassen. Die Art und Weise, wie chirale Allen-Abkömmlinge dimerisieren, wollen die Würzburger Chemiker nun im Rahmen eines von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Projekts aufklären.

    Weitere Informationen: Prof. Dr. Manfred Christl, T (0931) 888-5344, Fax (0931) 888-4606, E-Mail:
    christl@chemie.uni-wuerzburg.de


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Biologie, Chemie
    überregional
    Forschungsprojekte
    Deutsch


     

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