idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
31.03.2005 13:05

5000 Herzspezialisten tagen in Mannheim

Christiane Limberg Pressesprecher
Deutsche Gesellschaft für Kardiologie - Herz- und Kreislaufforschung e.V.

    Von Donnerstag bis Samstag findet in Mannheim die 71. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK) statt, auf der rund 5000 aktive Teilnehmer erwartet werden. Die Jahrestagung steht unter dem Thema "Herzerkrankungen beim älteren Patienten", dargestellt werden der aktuelle Stand und die neuesten Entwicklungen der wichtigsten Bereiche der modernen Herzmedizin, und es wird gezeigt, welche Bedeutung die Innovationen in der Kardiologie für Patienten haben. Es gibt aber auch kritische Töne: So äußern Deutschlands Kardiologen starke Skepsis gegenüber der jüngst veröffentlichten geplanten Vorgangsweise des von der Bundesregierung jüngst gegründeten "Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen" (IQWIG): "Die Bewertung einer einzigen Institution könnte das medizinische Leistungsgeschehen für die Vielzahl gesetzlich Krankenversicherter bestimmen." Kritisiert wird auch, dass die Arzneimittelgesetz-Novelle die Versorgungsforschung behindere.

    Mannheim, Donnerstag, 31. März 2005 - "Auch die 71. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie wird sich in bewährter Weise bemühen, den Kongressteilnehmern eine gute Mischung aus aktuellen, Praxis-relevanten Themen, neuen Aspekten der Herz-Kreislauf-Forschung und den Vorträgen des Schwerpunkthemas zu bieten", sagte Kongresspräsident Prof. Dr. Karl Werdan, Halle/Saar, auf der Auftakt-Pressekonferenz in Mannheim. "Mehr als 1600 Referenten aus 30 Ländern aller Kontinente werden mit knapp 1600 Vorträgen und mehr als 500 Poster-Beiträgen den Kongress gestalten." Auf der Mannheimer Tagung werden rund 5000 aktive Besucher erwartet, sie findet von heute bis Samstag im Kongresszentrum Rosengarten statt.

    Die Menschen werden immer älter: Neue Herausforderungen an die Kardiologie

    Prof. Werdan weist nachdrücklich darauf hin, dass Herz-Kreislauf-Krankheiten heute die Todesursache Nummer 1 darstellen, wobei die demografische Tatsache, dass die Menschen immer älter werden, die Kardiologie vor beträchtliche neue Herausforderungen stellt. Der Kongresspräsident: "Schwerpunktmäßig beschäftigen wir uns deshalb auf dieser Jahrestagung mit den Herzerkrankungen des älteren Patienten und wollen dabei auf folgende Fragen Antworten geben:
    o Was gilt es bei ärztlicher Betreuung, Prävention, medikamentöser, interventioneller und operativer Behandlung des älteren Herzpatienten zu beachten?
    o Wie können wir eine durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen bedrohte autonome Lebensführung beim Älteren möglichst lange erhalten?
    o Bilden unsere Leitlinienempfehlungen den älteren, alten und sehr alten Patienten ausreichend ab?
    o Können wir den Alterungsprozess am Herzen verlangsamen und damit das
    Auftreten altersbedingter Herzerkrankungen hintanhalten?"

    Deutschlands Kardiologen setzen verstärkt auf internationale Kooperationen

    Ein wichtiges Thema ist in Mannheim die internationale Kooperation. "Das polnisch-französisch-deutsche Symposium über Entzündungsprozesse bei Herzerkrankungen soll dem zunehmenden Gedankenaustausch von Ost-, West- und Mitteleuropa Ausdruck geben", erklärt Prof. Werdan. "Den transatlantischen Dialog präsentieren uns Professor Lakatta aus Baltimore ("What we don't know about the aging heart") und Professor Sleight aus Oxford ("What we don't do about the elderly patient with heart diseases"). Dieser transatlantische Dialog wird den Zuhörern die reiche Erfahrung unserer amerikanischen und englischen Kollegen auf dem Gebiet der kardiovaskulären Gerontologie und Geriatrie präsentieren."
    Aber auch gesundheitspolitisch relevante Themen fehlen nicht, wie die Versorgungsforschung in der Kardiologie - aufgezeigt am Beispiel des akuten Koronarsyndroms -, die Risiken des ärztlichen Handelns, die Frage nach Nutzen und Risiko der integrierten Versorgung, die Realisierung der ärztlichen Fortbildung unter den neuen gesetzlichen Rahmenbedingungen und die Möglichkeiten für die Kardiologen in Deutschland, von den Erfahrungen ihrer Kollegen im europäischen Ausland zu lernen, so der Kongresspräsident.

    Kardiologen äußern Bedenken gegenüber dem neu gegründeten Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWIG)

    Nachdrücklich kritisiert die deutsche Kardiologenvertretung die kürzlich veröffentlichte geplante Vorgehensweise des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWIG) und seines Leiters Professor Peter Sawicki. Besonders skeptisch wird dabei die Machtfülle des von der deutschen Bundesregierung ins Leben gerufenen Instituts beurteilt: "Im Gesetz heißt es wörtlich: 'Die Aufgabe der unabhängigen wissenschaftlichen Bewertung des medizinischen Nutzens, der Qualität und der Wirtschaftlichkeit der Leistungen obliegt zukünftig dem Institut'", zitiert Chefarzt und Jurist Dr. Eckart Frantz, Potsdam, auf der Pressekonferenz in Mannheim (Quelle: Deutscher Bundestag - 15. Wahlperiode - Drucksache 15/1525, S.127, Zu Nummer 112 (§§ 139a bis 139c).

    "Die Bewertung einer einzigen Institution könnte das medizinische Leistungsgeschehen für die Vielzahl gesetzlich Krankenversicherter bestimmen."

    "Für das Vorhaben, die Leistungskataloge der Gesetzlichen Krankenversicherung zu normieren, zu beschränken, dem wissenschaftlichen Diskurs zu entziehen, und die Definitionsmacht einer administrativ leicht steuerbaren Einrichtung zu übertragen, ist mit der Errichtung des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWIG) der bisher bedeutsamste Schritt gelungen", gibt Dr. Frantz zu bedenken. "Wo bisher der wissenschaftliche Prozess", so der Kardiologe, "zu gesicherten medizinischen Erkenntnissen geführt hat, die von den Fachgesellschaften zu Leitlinien - zunehmend standardisierter Qualität - verdichtet wurden, könnte zukünftig die Bewertung einer einzigen Institution das medizinische Leistungsgeschehen für die Vielzahl gesetzlich Krankenversicherter in Deutschland bestimmen."

    "Es ist notwendig, sehr genau auf die - vorwiegend interessen¬bestimmten - Äußerungen der Vertreter des IQWIG zu schauen."

    Dr. Frantz: "Die Betrachtung bisheriger Ergebnisse der Akteure, insbesondere die fragwürdige Qualität der durch sie bestimmten Leitlinien im Rahmen der Disease-Management-Programme, ihre öffentlichen Äußerungen, aber auch die jüngst publizierten "Methoden" des IQWIG legen die Vermutung nahe, dass es zunehmend schwieriger werden wird, neue wissenschaftliche Erkenntnisse in einem behutsamen Prozess aus der klinischen Erprobung über evidenzbasierte Leitlinien in die klinische Praxis zu überführen." Da außer der Legaldefinition des § 139a SGB V nichts für die fachliche Unabhängigkeit des Instituts spreche, "ist es notwendig, sehr genau auf die - vorwiegend interessen¬bestimmten - Äußerungen seiner Vertreter zu schauen." Das IQWIG sei frei in der Setzung seiner Prioritäten, in der ad-hoc-Publikation von eigenen Ansichten zu tagesaktuellen Fragen, sowie in der Frage, ob und wenn ja welche externen Experten hinzugezogen werden.

    "Die Akteure selbst haben bereits Proben minderer Qualität eigener Leitlinienarbeit abgeliefert." Kritik an "gesetzlich eingeräumter Allzuständigkeit"

    Der zum Leiter des IQWIG berufene Diabetologe Sawicki, der im Vorfeld als einer der entschieden¬sten Verfechter der Errichtung eines solchen Instituts aufgetreten war, hatte u. a. als Autor der dem Disease-Management-Programm "Koronare Herzkrankheiten" (DMP-KHK) zugrunde¬ gelegten "Entscheidungsgrundlagen" fungiert. Dr. Frantz: "Diese stehen vielfach in eklatantem Gegensatz zum aktuellen Stand der wissenschaftlichen Medizin und der Leitlinien deutscher, europäischer und amerikanischer kardiologischer Fachgesellschaften."
    Während Leitlinien dazu dienen können, gesicherte, neue, umstrittene und obsolete Evidenz in ein regelhaftes Verhältnis zu setzen und der wissenschaftliche Diskurs diese kritisch überprüft, geht das IQWIG - mit gesetzlich eingeräumter Allzuständigkeit - daran, mit (rechtsmittelfähigen?) Beschlüssen die Interessen seiner Meinungsträger umzusetzen. Die Akteure selbst haben bereits Proben minderer Qualität eigener Leitlinienarbeit abgeliefert.

    Kardiologen kritisieren: Arzneimittelgesetz-Novelle behindert Versorgungsforschung

    "Die Versorgungsforschung hat das Ziel, die Effizienz des Forschungs- und Versorgungssystems durch systematische Lernprozesse zu steigern", erklärt in Mannheim Prof. Dr. Holger Pfaff, Sprecher des Zentrums für Versorgungsforschung Köln und Sprecher der Ständigen Kongresskommission "Deutscher Kongress für Versorgungsforschung". "Sie bringt Licht in das Dunkel des Gesundheitslabyrinths."
    Zudem lenke sie den Blick auf folgende Fragen: Werden die wirksamen Medikamente und Verfahren nach ihrer intensiven Überprüfung auch wirklich so im Versorgungsalltag angewendet, wie es sein sollte? Wie hoch ist der Wirkungsgrad der Alltagsversorgung? Wie viel von dem, was entwickelt wurde, kommt beim Endnutzer, dem Patienten, an?
    Prof. Pfaff: "Es geht der Versorgungsforschung somit um die "letzte Meile" des Gesundheitssystems, also um die Arbeit in der Klinik und in der Praxis, aber auch um die "Compliance" des Patienten, also um seine Bereitschaft, den Empfehlungen und Verordnungen des Arztes zu folgen." So müssen beispielsweise neue Arzneimittel daraufhin untersucht werden, ob sie im Alltag so angewendet werden, wie es vorgesehen ist, und ob sie so wirken, wie es geplant war.

    Erschwerte Handhabbarkeit

    Die jüngste Novelle des Arzneimittelgesetzes (AMG) erschwert durch Angleichung aller Datenerhebungen an die sehr aufwändigen Kriterien der Erstprüfung eines Medikaments die Handhabbarkeit und Durchführbarkeit. Somit entsteht aus einer scheinbaren Vereinfachung eher ein Hindernis. Prof. Pfaff: "In Expertenkreisen der Versorgungsforschung mehren sich die Hinweise, dass auf diese Weise methodisch hochwertige Studien zur Erfassung der Wirkung bereits zugelassener Medikamente unnötig erschwert werden. Da dies ein großes Hindernis für die Versorgungsforschung darstellen kann, müssen die Auswirkungen dieser Gesetzesnovelle dringend geprüft werden."
    Die Versorgungsforschung in Deutschland ist insgesamt auf gutem Wege. Sie kann einen wertvollen Beitrag zur Effizienzsteigerung im Gesundheitswesen leisten. Es dürfen ihr aber keine zusätzlichen Steine in den Weg gelegt werden. Es müssen vielmehr die bereits vorhandenen Hindernisse aus dem Weg geräumt werden.

    Kontakt:
    Prof. Dr. Eckart Fleck, Pressesprecher der DGK (Berlin)
    Christiane Limberg, Pressereferentin der DGK (Düsseldorf); Pressezentrum: 0621-41065002
    Roland Bettschart, B& K Medien- und Kommunikationsberatung; Pressezentrum 0621-41065352 oder mobil 0043 676 6356775


    Weitere Informationen:

    http://www.dgk.org


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
    überregional
    Buntes aus der Wissenschaft, Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Tagungen
    Deutsch


     

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).