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27.04.1999 13:02

Würzburger Psychiater erforschen Ursachen des Alkoholismus

Robert Emmerich Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Julius-Maximilians-Universität Würzburg

    Der überregional kooperierende, interdisziplinäre "Würzburger Suchtforschungsverbund" bekommt für die Jahre 1999 und 2000 weitere 2,5 Millionen Mark Förderung vom Bundesforschungsministerium. Damit hat der Bund die Arbeit der Wissenschaftler seit 1996 mit insgesamt fast fünf Millionen Mark unterstützt.

    Auf die Psyche einwirkende Substanzen wie Alkohol, Nikotin und illegale Drogen verursachen 24,3 Prozent der Kosten, die weltweit durch Tod, Krankheit und Behinderung entstehen. In den westlichen Industrienationen ist es die Alkoholkrankheit, die mit ihren enormen volkswirtschaftlichen Folgekosten ein gesundheitspolitisches Problem ersten Ranges darstellt.

    Vor diesem Hintergrund verfolgt der Würzburger Suchtforschungsverbund das Ziel, an den Ursachen angreifende und damit wirksamere Therapiekonzepte zu erarbeiten. Gelingen könne dies nur durch die Aufdeckung der komplexen Mechanismen, die zur Entstehung und Aufrechterhaltung des krankhaften Trinkverhaltens führen, sagt Prof. Dr. Jobst Böning, Leiter der Klinischen Suchtmedizin an der Psychiatrischen Klinik der Universität Würzburg und Koordinator des Suchtforschungsverbundes.

    Unter dessen Dach bearbeiten Wissenschaftler aus Würzburg, Göttingen und Regensburg vier grundlagenwissenschaftliche und zwei klinische Teilprojekte, wobei der Gesamtaspekt "Neurobiologische und verhaltensbiologische Grundlagen der Alkoholabhängigkeit und des Alkohol- oder Drogenverlangens bei biologischen Risikogruppen und deren Bedeutung für rückfallprophylaktische Interventionsstrategien" im Vordergrund steht. Es sollen die molekularbiologischen, verhaltenspharmakologischen und genetisch gesteuerten Mechanismen des krankhaften Trinkverhaltens aufgedeckt werden.

    In den grundlagenorientierten Teilprojekten werden unter anderem bei Experimenten mit Nagetieren, die auf eine "süchtige" Alkoholaufnahme konditioniert wurden, sowie in Gewebekulturen molekulare zellbiologische, pharmakologische und biotechnische Gen-Transfer-Strategien verfolgt. Die hieraus ableitbaren Mechanismen spielen wahrscheinlich eine Rolle für das Zustandekommen krankhaften Trinkverhaltens.

    Zudem untersuchen die Forscher die Bedeutung der Botenstoffe Stickstoffmonoxid (NO) und Glutamat. Beide werden ebenfalls für Trinkverhalten, Entwicklung einer Abhängigkeit und eines "Suchtgedächtnisses" sowie für alkoholbedingte toxische Prozesse im Gehirn mitverantwortlich gemacht. Aufgrund der dabei gewonnenen Erkenntnisse soll später die Verwendung von NO- und Glutamat-Hemmstoffen für die Therapie überprüft werden. Des weiteren werden in den Blutzellen von Alkoholkranken Veränderungen gemessen, die auf eine alkoholbedingte Schädigung im Erbgut des Zellkerns hinweisen.

    Auf der Grundlage all dieser Erkenntnisse und Ergebnisse sollen neue Medikamente entwickelt werden, die später bei der Rückfallvorbeugung bei alkoholkranken Menschen auf ihre Wirksamkeit zu überprüfen sind. Dies könnte zu Behandlungsstrategien führen, die sich mehr als bisher an den störungsspezifischen Ursachen der Betroffenen orientieren.

    Bei der Entstehung der Alkoholkrankheit spielen laut Prof. Böning hochkomplizierte Wechselwirkungen zwischen umweltbedingt gelernten und genetischen Faktoren eine Rolle. Deshalb wird weiterhin nach Genen mit einem Bezug zum Alkoholismus sowie nach suchttypischen Verhaltens- und Personenmerkmalen gesucht. In weiteren klinischen Teilprojekten werden an kontrolliert entgifteten Alkoholabhängigen alkohol- bzw. suchtrelevante Risikomerkmale erforscht, um zu einer Typisierung der Abhängigen gelangen zu können. Dies geschieht auf verhaltenspsychologischer, hormoneller, neurophysiologischer und laborchemischer Ebene. Zudem soll bei dieser Gruppe durch Nachuntersuchungen nach einem Jahr eine mögliche Vorhersage des weiteren Krankheitsverlaufs erreicht werden, woraus sich eventuell auch Rückschlüsse für eine gezieltere Therapie ziehen lassen.

    Erste krankheitsbezogene Faktoren, mit denen sich einheitlichere Untergruppen von Alkoholabhängigen identifizierien lassen, glauben die Wissenschaftler bereits gefunden zu haben. So scheint eine familiäre Belastung mit einer Suchterkrankung für das spätere Auftreten einer Alkoholabhängigkeit ebenso bedeutsam zu sein wie das Ausmaß impulsiven Verhaltens in der Persönlichkeitsstruktur oder die Nachhaltigkeit eines gelernten und dann im Gehirn gespeicherten Suchtprogramms ("Suchtgedächtnis").

    Neben der Förderung des Nachwuchses hat sich der Würzburger Suchtforschungsverbund auch die Entwicklung eines hochschulspezifischen Forschungsprofils in der Biomedizin auf die Fahnen geschrieben. Die Nahziele der Forschungen, die sich laut Prof. Böning in fünf bis zehn Jahren erreichen lassen sollten, sind es, eine Suchtgefährdung schneller erkennen zu können, und zwar bevor der Betroffene erkrankt, die individuelle Rückfallvorbeugung zu verbessern, den Erkrankten wieder zu mehr Lebensqualität zu verhelfen und ihre Fähigkeit zur Teilnahme am Erwerbsleben zu sichern.

    Weitere Informationen: Prof. Dr. Jobst Böning, T (0931) 203-298, Fax (0931) 203-429, E-Mail:
    boening@mail.uni-wuerzburg.de


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
    überregional
    Forschungsprojekte
    Deutsch


     

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